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Wenn der Wind Turbinen dreht

Allein die Maschinengondel einer Windturbine wiegt 20 Tonnen. Suisse Eole

Die Schweiz besitzt aufgrund ihrer schwachen Windressourcen keine Tradition bei der Nutzung der Windenergie. Es gab nie Windräder.

Als Folge der Erdölkrise 1973 und dank neusten Technologien liefern mittlerweile aber etliche Windturbinen “sauberen” Strom.

Glaubt man den Umfragen, ist Windenergie in der Öffentlichkeit besonders sympathisch und akzeptiert.

Die majestätischen, riesigen Windräder, von denen auch rund ein Dutzend in der Schweiz drehen, vermitteln den Eindruck, hier würde lautlos und gratis Energie produziert.

Da die Windenergie ihre Vor- und Nachteile hat, lässt sich angesichts der Windriesen vorzüglich über alternative Energien reden.

Das hat swissinfo mit Jakob Vollenweider getan. Er ist Geschäftsführer der Windenergie-Gesellschaft Juvent AG, an der die grosse Berner Energieproduzentin BKW beteiligt ist. Eine Gesellschaft, die nebst den alternativen Energien auch Wasser- und Kernenergie produziert und verkauft.

Windturbinen machen Eindruck

“Wenn ich Besuchergruppen unsere Windturbinen im Jura zeige, dann wird kaum je über Energiepolitik gesprochen. Die imposanten Windräder lösen so etwas wie magische Gefühle aus, und dann kaufen die Leute Ökostrom, der ja doppelt so teuer ist wie herkömmlicher.”

Ein Megawatt Strom

Die neusten Windturbinen auf dem Mont-Soleil im Berner Jura stammen aus Dänemark. Sie sind 67 Meter hoch und die Rotorblätter 33 Meter lang.

Allein die Maschinengondel wiegt 20 Tonnen. In dieser Gondel, in der ein Mensch aufrecht stehen kann, sind sämtliche Aggregate untergebracht. Alles in allem wiegt eine Windturbine ohne Sockel 60 Tonnen, mit Sockel sind es rund 80 Tonnen, kostet 3,5 Mio. Franken und könnte maximal gut 1 Megawatt Strom pro Jahr liefern.

Die Turbine dreht mit 28 Umdrehungen in der Minute. Damit kann noch kein Strom erzeugt werden, deshalb wird die Drehzahl mit dem Getriebe in der Gondel auf 1500 Undrehungen pro Minute übersetzt, damit der Generator Strom erzeugen kann. Die Spannung beträgt 690 Volt Wechselstrom, der dann auf 16’000 Volt hochtransformiert wird.

Die drei Rotorblätter sind aerodynamische Meisterleistungen, ausgelegt wie Flugzeugflügel. Mit diesen “Auftriebsläufern” konnte der Wirkungsgrad gegenüber den früheren Rotorblättern verbessert werden.

“Rund ein Drittel der Windenergie kann in Strom umgewandelt werden”, sagt Jakob Vollenweider. “Dieser Wirkungsgrad ist nur noch bedingt steigerbar, ein Quantensprung ist kaum mehr machbar.”

Bis 90 km/h

Rotor und die Rotorblätter richten sich automatisch aus. Windrichtung und Windstärke wird gemessen. Ein Computerprogramm steuert die Ausrichtung.

Strom wird erst ab einer Windgeschwindigkeit von 15 km/h produziert. Bläst der Wind über 90 km/h, dann stellt die Windturbine ab und setzt sich erst wieder in Betrieb, wenn die 90 km/h unterschritten werden.

“Da die Schweiz kein eigentliches Windland ist, wie etwa Dänemark, kommt dieser Fall recht selten vor”, sagt Vollenweider. Bei rund 8000 Betriebsstunden pro Jahr steht die Windturbine nur rund 20 Stunden wegen zu starkem Wind still.

Widerstand gegen die Windturbinen

Auch wenn die Windturbinen “sauberen” Strom erzeugen, werde es immer schwieriger, in der dicht besiedelten Schweiz neue Turbinen aufzustellen, sagt Jakob Vollenweider. Eine ernüchternde Aussage, wenn man bedenkt, dass es im Land erst etwa ein Dutzend davon gibt.

“Sie machen eben auch Lärm, auch wenn es die Windgeräusche sind, die zu hören sind”, sagt Vollenweider. Deshalb müsse eine Turbine mindestens 300 Meter vom nächsten Haus entfernt stehen. Weiter sollte der Standort erschlossen sein, müsse windgünstig liegen und von der Bevölkerung akzeptiert sein.

In der Schweiz sind gerade die Naturschutz-Organisationen keine Freunde der Windturbinen. Sie würden die Landschaft verschandeln und wenig bringen, kritisieren sie.

Diese “Nutzlosigkeit” bestreitet Robert Horbaty, Geschäftsführer von Suisse Eole, der Vereinigung zur Förderung der Windenergie in der Schweiz. Gegenüber swissinfo sagt er, dass Windenergie ein Mosaikstein für die nachhaltige Energieversorgung der Schweiz sei.

Weiter sollen sich Schweizer Unternehmen in einem boomenden internationalen Markt behaupten können. Das gehe nur mit einem einheimischen Markt. “Die Schweiz ist seit Jahrzehnten führend im Schiffsmotorenbau, obwohl wir kein Meer haben”, sagt Horbaty.

Noch wenig aber wichtig

Jakob Vollenweider macht die Rechnung: Wollte die Schweiz ein Kernkraftwerk wie Gösgen mit 1000 Megawatt Leistung durch Windkraft ersetzen, dann müssten rund 6000 Windturbinen aufgestellt werden.

“Rein rechnerisch wären es tausend, doch muss alles mit dem Faktor 6 multipliziert werden, weil der Wind hier ja nicht immer mit voller Stärke bläst.”

Damit wären wir bei der immer wiederkehrenden Diskussion rund um Sinn und Nutzen der alternativen Stromproduktion. Für Jakob Vollenweider gibt es kein Aber. Für ihn ist die Windenergie sinnvoll und notwendig.

Dann gibt er noch einige Hinweise, welche nicht negiert werden dürften. Zum Beispiel den: “Der Gesamtenergieverbrauch der Schweiz wird nur zu 20% durch Strom gedeckt. Ein Grossteil der restlichen 80% entfallen auf Erdöl, denn Heizung und Verkehr verbrauchen viel Energie.”

Erntefaktor

Oder die Frage: Was ist Ökostrom überhaut? Eine schlüssige Antwort gebe es nicht. “Wir bei der Juvent wenden den sogenannten Erntefaktor an.”

Dieser bezeichne das Verhältnis der über die Anlagelebensdauer produzierten Energie zum Energiebedarf der Anlageherstellung. Je höher das Verhältnis, desto ökologischer der Strom.

Wasserkraft kommt auf den Faktor 100 bis 400, Wind auf 20 bis 80 und Solarenergie lediglich auf 3 bis 12.

Und noch eines gibt Jakob Vollenweider mit auf den Weg: “Nur 7% des jährlichen Energiebedarfs eines Schweizer, einer Schweizerin werden durch Strom gedeckt.”

“Ökostrom kaufen und zweimal in die Ferien fliegen? Wissen Sie, niemand kann sich die ökologische Absolution kaufen.”

swissinfo, Urs Maurer

Die Juvent AG betreibt bald 8 Windturbinen
Standorte sind der Mont-Soleil und der Mont-Crosin im Jura
Eine Windturbine wiegt (ohne Sockel) 80 Tonnen
maximale Jahresproduktion (geschätzt) 900’000 kWh

Windstrom in der Schweiz ist 18 Rappen pro kWh teurer als herkömmlicher Strom.

Die Gehstehungskosten auf dem Mont-Crosin liegen 3-4 mal höher als in den besten Anlagen im Ausland.

Windstrom ist im Gegensatz zu Strom aus Wasserkraft nicht planbar.

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