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Ein Schweizer Namens 007

"Im Geheimdienst Ihrer Majestät" im Einsatz in der Schweiz: George Lazenby und Diana Rigg mit Tontechniker, 1969. RDB

Mit keinem Land ausser dem Königreich England ist Geheimagent James Bond enger verknüpft als mit der Schweiz. Warum? Zwei Experten packen aus: Michael Marti und Peter Wälty, Autoren des Buchs "James Bond und die Schweiz".

Das jüngste Kapitel in dieser Beziehung schrieb der Schweizer Regisseur Marc Forster mit “Quantum of Solace”, der dieser Tage ins Kino kommt.

swissinfo.ch: Den Anfang im Film machte 1962 Ursula Andress aus Ostermundigen, die im Bikini aus dem Meer stieg. Ein Traumstart für die Beziehung zwischen Agent 007 und der Schweiz?

Michael Marti: Die Geschichte von James Bond und der Schweiz beginnt viel früher, nämlich mit dem Bond-Schöpfer Ian Fleming. Dieser Aspekt ist auch ein wesentlicher Teil unseres Buches.

Fleming besuchte die Schweiz 1930/31 und lernte die Waadtländerin Monique Panchaud de Bottens kennen, eine damals 20-jährige dunkelhaarige Schönheit, die er zu seiner Verlobten machte. Und die dann zum Vorbild wurde für Bonds Schweizer Mutter in der Romanwelt.

Peter Wälty: Wir sind nicht so sicher, inwiefern man diese erste Szene mit Ursula Andress überhaupt mit der Schweiz in Verbindung bringt. Wir wissen nicht ganz genau, ob sie im Ausland oder der Schweiz als Schweizerin wahrgenommen worden ist. Sie wurde ja durchgehend synchronisiert.

Wir haben in der Schweizer Boulevardpresse von damals keinen einzigen Beleg gefunden, dass man darüber gesprochen hätte.

swissinfo.ch: Bond selber ist ein Halbschweizer. Wie kam es dazu?

M.M.: Das wird von Fleming so beschrieben – und zwar im Roman “You only live twice” aus dem Jahr 1964.

P.W.: Es gibt die sogenannte Blofeld-Trilogie mit “Thunderball”, “On her Majesty’s Secret Service” und “You only live twice”. Dort kann 007 den Bösewicht Blofeld endlich erledigen.

Weil der Secret Service aber glaubt, er sei im Einsatz gefallen, veröffentlichen sie seinen Nachruf. Also quasi in einem Nekrolog auf James Bond im Roman wird seine Schweizer Herkunft enthüllt.

swissinfo.ch: Autor Ian Fleming hat viel Autobiografisches verwebt. Gibt es andere Beispiele mit der Schweiz?

M.M.: Neben der Schweizer Verlobten sind es natürlich auch Landschaftseindrücke und seine Leidenschaften, die er in der Schweiz ausgelebt hat: das Skifahren und das Bergsteigen.

Fleming nahm die Schweiz jedoch vor allem auch als Engländer und Banker wahr und entwarf in der Folge in seinen Romanen ein Zerrbild der Schweiz als willfährige Finanzdienstleisterin von Verbrechern und Terroristen.

swissinfo.ch: Die Schweiz als Hort des Bösen, also. Warum?

M.M.: Interessant ist, dass dieses Negativ-Bild der Schweiz als Helferin von Terroristen, Betrügern, Steuerhinterziehern dem zeitgenössischen Bild entspricht, das zumal in England während der 1950er und 60er-Jahre herrschte.

Das erinnert stark an das Bild der Schweiz in den 1990er-Jahren während der Diskussion um die nachrichtenlosen Vermögen.

P.W.: Interessant ist auch, dass das flemingsche Schweizbild stark an den Begriff der Gnomen von Zürich gebunden ist. Es gab 1966 ein Buch darüber, der Begriff wurde aber schon 1956 von Harold Wilson geprägt, dem britischen Schattenkanzler der Labour-Partei.

swissinfo.ch: 007 bewegt sich in den Filmen fast nur an den exotischen Plätzen der Welt. Gehört die Schweiz für das Publikum auch zu diesen Traum-Destinationen?

P.W.: Man muss das im Zusammenhang mit der Finanzmisere Englands sehen. Die Rolle Englands in der Weltwirtschaft, diese Führungsposition, war damals zusammen mit dem Niedergang des Pfundes verloren gegangen.

Die britische Bevölkerung in den 1950er-Jahren konnte sich solche Reisen nicht leisten. Insofern muss man die ganzen Fleming-Romane auch als Reiseführer sehen.

M.M.: Ganz intellektuell gesagt: Die Schweiz nimmt, obwohl sie ein Binnenland ist, auch eine Art insulare Rolle ein. Sie wird in den Filmen mit denselben Verkürzungen und Holzschnitten gezeichnet, wie Jamaika oder andere Inseln: als Hort des Verbrechers.

Gerade das Schilthorn ist eine Art Alpen-Insel, ein schwer zugänglicher Ort, wo sich der Verbrecher schützen kann. Und auch die politische Rolle der Schweiz entsprach ja schon damals durchaus einer Art Insel-Rolle.

swissinfo.ch: A propos Schilthorn: Welche Wirkung hatte der Film “On her Majesty’s Secret Service”?

M.M.: Die Schilthornbahn war nahe am Fiasko. Die oberste Etappe war mit dem letzten Geld gebaut worden. Der Deal mit der Filmgesellschaft war, dass diese den Ausbau der Bergstation zahlte, die Schilthornbahn dafür während eines halben Jahres dem Filmteam zur Verfügung stand.

P.W.: Das hat bis heute Auswirkungen. Die Nummer der Schilthornbahn endet mit 007, überall an den Bahnen ist es angeschrieben. Aber auch architektonisch sieht man es: Die Aussichtsplattform ist nur für den Film gebaut worden, als Heliport.

M.M.: Wirtschaftlich war dies ein riesiger Konkurrenzvorteil: Die Passagierzahlen haben sich innert zwei Jahren rasant erhöht. Und die Bahn wirbt heute noch, gerade jetzt zum Start des neuen Bondfilmes, mit dem Schilthorn als “Piz Gloria”.

Und das Schilthorn hat ja diesen zweiten, mittlerweile berühmteren Namen, erst durch Fleming im Roman erhalten. Der Autor hat über die Literatur quasi die Schweizer Landkarte zumindest in ihrer Beschriftung verändert. Ein ziemlich einmaliger Vorgang, was die Schweiz betrifft.

Der neue “Bond”

Quantum of Solace (deutscher Titel: Ein Quantum Trost) ist in der Schweiz ab dem 4. November im Kino.

Der Schweizer Regisseur Marc Forster (39) realisierte den 22. Kinofilm über den Superagenten 007.

Mit dem Schauspieler Anatole Taubmann (37) als Bösewicht “Elvis” ist ein zweiter Schweizer an vorderster Front im Filmteam dabei.

Das Budget für den Actionthriller betrug 230 Millionen Dollar, er war teurer als jeder andere Bond-Film zuvor.

Das Buch

Die beiden Historiker und Journalisten Michael Marti und Peter Wälty haben Ende Oktober das Buch “James Bond und die Schweiz” veröffentlicht.

Das Buch mit über 200 Abbildungen, viele aus Privatbeständen, erscheint im Echtzeit Verlag, Basel.

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