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UNO-Millenniumsziele: Noch bleibt viel zu tun

Micheline Calmy-Rey am UNO-Gipfel: "Entwicklung bedeutet viel mehr, als nur jenen in Not zu helfen." Reuters

"Wir müssen die Ziele erreichen, wir wollen es tun und wir können es tun." Mit diesen Worten rief Joseph Deiss, der Präsident der UNO-Generalversammlung, am Montag in New York die internationale Gemeinschaft dazu auf, den UNO-Millenniumszielen neuen Antrieb zu verleihen.

An dem Gipfeltreffen debattieren die UNO-Staaten bis Mittwoch über den Stand der im Jahr 2000 vereinbarten Ziele, mit denen die weltweite Entwicklung vorangetrieben und unter anderen Armut und Hunger bis 2015 halbiert werden sollen. Die Bilanz fällt zwiespältig aus, neuer Elan ist dringend nötig.

Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hob in ihrer Rede vor dem Plenum hervor, wenn man die Ziele erreichen wolle, seien mehr Respekt für die Menschenrechte und eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich.

Kein Recht auf Fehlschlag

“Wir haben kein Recht, uns einen Fehlschlag zu leisten”, unterstrich Deiss zum Auftakt der Konferenz. “Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.”

Er rief die hochrangigen Politiker und Politikerinnen dazu auf, bei dem Treffen “ruhig und konstruktiv” zu erörtern, wie die Bemühungen verstärkt werden könnten.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von spürbaren Fortschritten, die in vielen armen Ländern allerdings immer noch brüchig seien. Mit politischem Willen und zusätzlichen Finanzmitteln könne das Leben von Milliarden Menschen verbessert werden.

“Trotz aller Hindernisse, trotz aller Skepsis” seien die Millenniums-Ziele noch zu erreichen. Doch die Uhr ticke, sagte Ban mit Blick auf das Zieljahr 2015. “Es bleibt noch viel zu tun.”

Im Vorfeld des Gipfeltreffens hatte der Generalsekretär den zusätzlichen Finanzbedarf zur Umsetzung der Ziele bis 2015 auf mehr als 100 Milliarden Dollar beziffert.

“Millenniumsziele müssen erreicht werden”

“Die Millenniumsziele reflektieren einen historischen Konsens”, erklärte die Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey vor dem Plenum. Anfang des neuen Jahrtausends sei Optimismus in der Luft gelegen.

Wenn die damalige Euphorie trotz einiger Erfolge heute einer gewissen Ernüchterung gewichen sei, so weil “wir nicht erreicht haben, was wir wollten”, sagte Calmy-Rey.

Die Umsetzung der Millenniumsziele (MDG) müsse für die Staatengemeinschaft, vor allem auch für die reichsten Länder, ein vorrangiges Anliegen bleiben.

Die bisherigen Fortschritte im Kampf gegen die Armut, für den Zugang zu Ausbildung und Trinkwasser und die Gleichstellung der Geschlechter reichten nicht aus.

Symptome statt Ursachen

“Vielleicht haben wir uns zu sehr auf die Symptome konzentriert, und nicht genug auf die Ursachen von Armut und Not”, so die Bundesrätin weiter. Entwicklung bedeute viel mehr, als nur den Menschen in Not zu helfen.

Die Staatengemeinschaft müsse sich offener und direkter mit den Ursachen befassen, weshalb die Entwicklung nur so langsam vorankomme – und ihre Zielvorgaben entsprechend anpassen.

Zu den Ursachen zählt sie unter anderem die Situation der vielen verletzlichen Staaten, die von Konflikten oder von Gewalt geprägt seien. Die Geberstaaten müssten sich auch fragen, ob sie mit ihrer Entwicklungshilfe auf dem falschen Weg seien.

Produktions- und Handelssystem

Auch die Partnerstaaten der Geberländer müssten sich fragen, ob sie genug täten. In der partnerschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit gelte für beide Seiten eine Rechenschaftspflicht.

Entwicklung bedeute, politische aber auch wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die es armen Ländern möglich machten, ihren Platz im Produktions- sowie im lokalen und globalen Handelssystem zu finden.

Daneben brauche es auch rechtsstaatliche Bedingungen für den Privatsektor und angemessene Steuersysteme.

Die Schweiz stehe zu ihrem Engagement. Ihre Entwicklungshilfe konzentriere sich auf die ärmsten Länder und auf Bereiche, die mit den Millenniumszielen verhängt seien.

Vor Schweizer Medien sagte die Bundesrätin auf eine entsprechende Frage, dass die Schweizer Entwicklungshilfe wirksam eingesetzt werde. “Aber wir lernen immer wieder dazu.”

Nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte

Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung sei auch unabdingbar, dass die Staatengemeinschaft sich beim Kampf gegen den Klimawandel, der vor allem die ärmsten Länder vor neue Probleme stelle, klare Ziele setze. Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft sei notwendiger und dringender denn je.

“Es besteht ein Risiko, dass der Klimawandel Menschen in vielen Ländern zur Migration zwingen wird. Dies kann zu neuen Konflikten um Wasser und bebaubares Land führen”, warnte Calmy-Rey.
Wasser und andere natürliche Ressourcen müssten gerecht unter allen Menschen auf der Welt verteilt werden.

Es brauche stärkere Bemühungen, die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre einzuschränken.

Der wirtschaftliche Erfolg Chinas, Indiens und Brasiliens zeige, dass die Grenzen des ökologisch Tragbaren schnell erreicht seien, wenn sieben Milliarden Menschen begännen, CO2, Wasser und andere natürliche Ressourcen im gleichen Masse zu verschleudern, wie das der Westen mache.

Auch Gewalt und Konflikte behinderten Fortschritte. Und Mankos bei der Umsetzung der Menschenrechte. Noch immer seien vor allem Frauen und Minderheiten marginalisiert.

Das Recht, am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben eines Landes teilzunehmen, sei absolut vital, wenn man die MDGs erreichen wolle.

Die acht Millenniums-Entwicklungsziele, die bis ins Jahr 2015 erreicht werden sollen, wurden im Jahr 2000 von allen UNO-Staaten und von zahlreichen internationalen Organisationen vereinbart:

Ziel 1: Beseitigung der extremen Armut und des Hungers
Ziel 2: Verwirklichung der allgemeinen Grundschulbildung
Ziel 3: Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und
Emanzipation der Frauen
Ziel 4: Senkung der Kindersterblichkeit
Ziel 5: Verbesserung der Gesundheit von Müttern
Ziel 6: Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten
Ziel 7: Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit
Ziel 8: Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft

Geleitet wird das Treffen, das am Mittwoch mit der Verabschiedung einer Schlusserklärung zu Ende gehen soll, gemeinsam von Joseph Deiss, dem Präsidenten der 65. UNO-Generalversammlung, und seinem Vorgänger, dem Libyer Ali Treki.

Vor der Konferenz nahm Calmy-Rey am Sonntag Einsitz in einem von Ban Ki-moon einberufenen Ausschuss über nachhaltige Entwicklung. Bis Ende 2011 soll der Ausschuss Ban Vorschläge unterbreiten, wie angesichts des Klimawandels nachhaltiges Wachstum und ein tieferer CO2-Ausstoss erreicht werden könnten.

Der UNO-Generalsekretär habe das 21-köpfige Gremium, dem neben Politikern auch Wissenschafter und Wirtschaftsexperten angehören, aufgefordert, gängige Denkmuster zu verlassen und mutige Vorschläge zu wagen, sagte Calmy-Rey vor Schweizer Medien.

Am Rande der UNO-Konferenz hatte Calmy-Rey zudem ein bilaterales Treffen mit einer Delegation aus China. Dabei hätten ihre Gesprächspartner erklärt, wie wichtig dem Land der schon 1981 aufgenommene Menschenrechtsdialog mit der Schweiz sei.

Mit der raschen Entwicklung Chinas veränderten sich auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. China zeige immer mehr Interesse am wissenschaftlichen und technischen Austausch mit der Schweiz.

Calmy-Rey rief auch in Erinnerung, dass vor rund einem Monat in Peking eine Absichtserklärung zur Aufnahme von Verhandlungen für ein Freihandels-Abkommen unterzeichnet worden sei.

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