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Andy Rihs feiert Wiedersehen mit der Tour de France

Unternehmer und Radfreak Andy Rihs löst auf dem Velo mehr Probleme als im Sitzungszimmer. Keystone

Die Aufnahme in das Starterfeld zur Grande Boucle 2010 markiert die Rückkehr des Schweizer Unternehmers in das grösste Radrennen der Welt. 2006 hatte Rihs nach einer Serie von Dopingfällen sein damaliges Team Phonak aufgelöst.

Ende 2006 warf Andy Rihs enttäuscht und entnervt das Handtuch. Im Sommer zuvor hatte ihm der Amerikaner Floyd Landis noch seinen Lebenstraum erfüllt – mit dem Sieg der Tour de France in den Phonak-Farben.

Doch die Freude währte eine Woche, und der Sieger war auf einmal Sünder, überführt des Dopings. Weg war der Triumph für das Schweizer Team Phonak, das auf Schweizer BMC-Rennrädern unterwegs war. Die Marke gehörte ebenso wie das Hörgerät-Unternehmen Andy Rihs.

Jetzt ist der radsportbegeisterte Unternehmer zurück auf der ganz grossen Zweirad-Bühne. Wieder ist sein Team, das jetzt BMC heisst, im Juli bei der Tour de France dabei. Die Organisatoren gaben den Schweizern eine von sechs so genannten Wildcards zur Aufnahme ins Starterfeld.

Hoffnung Cadel Evans

“Türöffner” war zweifellos Cadel Evans, der Weltmeister von letztem Herbst von Mendrisio als Kapitän für diese Saison. Der Australier beendete die Tour in den Jahren 2007 und 2008 jeweils als Zweiter, ein Sieg für den stillen Kämpfer wäre also sozusagen fällig.

Der Aufbau eines Profi-Teams sei wie die Gründung eines Unternehmens, sagt der 67-jährige Zürcher Im Gespräch mit swissinfo.ch. Er spricht auch über seine Lehren aus dem Debakel 2006 und darüber, weshalb Rennräder spannender sind als Verwaltungsrats-Zimmer.

swissinfo.ch: Wieso schlägt Ihr Herz nach all den Enttäuschungen immer noch für den Radsport?

Andy Rihs: Ich glaube an den professionellen Radsport, weil er heute die führende Sportart im Kampf gegen Doping ist. Viele andere Sportarten könnten von uns lernen, wie man es besser macht.

Wenn sich jemand die Finger verbrennt, hütet er sich, dass ihm dasselbe noch einmal passiert. Lange wurde mit den Fingern auf uns gezeigt. Jetzt aber sollten die anderen Sportbereiche ruhig sein und vor der eigenen Türe wischen.

swissinfo.ch: Was wird diesmal anders sein?

A.R.: Das System der medizinischen Kontrollen hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren komplett geändert. Die Wissenschaft arbeitet sehr eng mit den Anti-Dopinglabors und der Pharmaindustrie zusammen, um zu verhindern, dass ein neues Medikament auf den Markt kommt, für das noch kein Test zum Nachweis existiert. Wenn heute jemand betrügen will, fliegt er ziemlich rasch auf.

Wir sehen auch viele Fahrer aus Übersee und Grossbritannien in den Feldern, ein Zeichen dafür, dass der Radsport globaler wird, und damit bedeutender für die Medien. Radsport ist heute auch viel professioneller strukturiert, was die geschäftlichen Aspekte betrifft.

swissinfo.ch: Wie konnten Sie grosse Namen wie Evans oder George Hincapie nach all der schlechten Publicity verpflichten?

A.R.: Ich arbeite schon viele Jahre mit Jim Ochowicz zusammen, einem sehr guten Freund von mir. Er ist der Architekt hinter den sieben Tour-de-France-Siegen von Lance Armstrong. Wir begannen vor vier Jahren in Kalifornien als kleines Team, denn ein solches kann man nicht einfach aus dem Boden stampfen. Es ist wie ein Unternehmen, das gehegt und gepflegt sein will, damit es sich gut entwickelt. Denn schlussendlich brauchen wir ein Team, um unsere Hightech-Räder aus der Schweiz bekannt zu machen.

Wir müssen BMC als Marke repräsentieren, und dazu haben wir das Team aufgebaut. Jetzt haben wir das nötige Budget, um die richtigen Fahrer zu verpflichten. Es ist aber nicht nur eine Frage des Geldes, denn wir haben mittlerweile einen guten Ruf. Ohne einen solchen kämen Cadel Evans oder George Hincapie nicht zu uns. Es geht also auch um Persönliches.

swissinfo.ch: Weshalb fährt das Schweizer Aushängeschild Fabian Cancellara nicht im Schweizer BMC-Team?

A.R.: Fabian Cancellara ist ein phantastischer Fahrer, der notabene sein Potenzial noch keineswegs ausgeschöpft hat, und dazu eine grosse Persönlichkeit. Ganz klar, er würde hervorragend zu uns passen, aber wie viele andere Fahrer auch besitzt er einen gültigen Vertrag und kann sein Team nicht einfach so verlassen.


Aber wir haben Evans, den Weltmeister, und Hincapie, dessen Namen in den USA fast alle kennen. Jeder dort kennt Armstrong, aber auch Hincapie ist sehr beliebt. Und die USA sind einer unserer grössten und am schnellsten wachsenden Märkte.

swissinfo.ch: Wie können das Unternehmen BMC und das Radsport-Team BMC am meisten voneinander profitieren?

A.R.: Ich führe das Radsport-Team nicht aus Spass allein. Ich fahre selbst (über 6000 Kilometer pro Jahr, die Red.), weil es für mich ein idealer Sport ist. Aber der Grund ist ein anderer: Wir wollen schlicht mehr Räder verkaufen.

Die Bedeutung des Radsports in den Medien ist sehr hoch. Dazu ist es ein Sport, den man sich leisten kann, und er ist global. Aber das Wichtigste: Das Geschäft macht Spass und wir haben Spass.

swissinfo.ch: Was genau macht den Reiz des Radfahrens für Sie aus?

A.R.: Es ist ein enormes Vergnügen. Du fühlst den Körper, aber auch den Geist. Es ist lebendig. Auf dem Rad zu sitzen, durch die Landschaft zu fahren, einen Berg zu erklimmen, die Aussicht zu geniessen – in deinem Kopf werden all diese Eindrücke zu einem Strom.

Ich habe im Sattel mehr Probleme gelöst als in einem Konferenzraum. Viele Top-Manager bestätigen: Radfahren macht deinen Kopf frei.

Tim Neville, swissinfo.ch
(Übersetzung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Der Zürcher ist Inhaber und Chef der Sonova Holding. Der Hersteller von Geräten zur Unterstützung bei Hörschwächen erzielte 2007 eine Mrd. Franken Umsatz. Zuvor hiess Sonova Phonak.

Rihs gründete erst das Team Phonak, um die Tour de France zu gewinnen. Sein Fahrer Floyd Landis gewann 2006 tatsächlich, wurde aber des Dopings überführt. Es war der letzte Fall in einer Serie von Dopingskandalen im Schweizer Team, denn danach löste Rihs die Mannschaft auf.

Rihs gehört seit 2001 ebenfalls der Radhersteller BMC, einem Unternehmen, das 1986 vom Amerikaner Bob Bigelow gegründet worden war.

Der Umsatz stieg von damals drei Mio. Franken auf heute 75 Mio. Franken. In den nächsten fünf Jahren erwartet Rihs eine Verdreifachung der Zahlen.

Das BMC-Werk ist Grenchen im Kanton Solothurn angesiedelt.

Die Tour de France ist das grösste und härteste Radrennen der Welt.

Die 97. Grande Boucle findet vom 3. bis 25. Juli 2010 statt und führt mit Prolog und 20 Etappen über 3600 Kilometer.

Die grössten Hoffnungen im Team BMC Racing ruhen auf den Schultern von Kapitän Cadel Evans, der 2007 und 2008 jeweils als Zweiter in Paris aufs Podium klettern durfte.

Auch mit seinem neuen Team ist Rihs mit dem alten Problem konfrontiert.

Weil die BMC-Fahrer Alessandro Ballan und Mauro Santambrogio in Ermittlungen gegen deren früheres Team Lampre involviert sind, suspendierte der Chef die beiden Italiener vor dem Klassiker Paris-Roubaix.

Die Suspendierung solle “nicht als Vorverurteilung der genannten Fahrer im Zusammenhang mit der Untersuchung in Italien gesehen werden”, hiess es von BMC Racing.

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