Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

“Das Wunder von Durban”

Schweizer Fans im Jubelrausch auf dem Zürcher Bahnhofplatz nach dem historischen Sieg gegen Spanien. (KEYSTONE/Walter Bieri ) Keystone

Der erste Sieg der Schweizer Nationalmannschaft in der Fussballgeschichte gegen den Favoriten Spanien löst in der Schweizer Presse eine Welle der Begeisterung aus. Ein Erfolg, der zum Träumen verleitet.

“Einfach nur Geilson!”, jubelt Der Blick. Le Matin bezeichnet den unerwarteten Sieg der Schweizer Nati ganz einfach als “Wunder von Durban”.

Von einem “Husarenstreich”, einem “magischen Meisterstück”, einem “Überraschungssieg”, einer “Entzauberung Spaniens” und von einem “historischem Sieg” ist in der Schweizer Presse die Rede.

“Das 1:0 in Durban am Indischen Ozean ist der wohl grösste Erfolg in der Geschichte des Schweizer Fussballs”, schreibt Der Bund. Richtiggehend hochgelobt werden die Schweizer “Helden”, allen voran der Torschütze Gelson Fernandes, Goalie Diego Benaglio sowie Trainer Ottmar Hitzfeld.

Für die Neue Zürcher Zeitung gab es für die Schweizer Nationalmannschaft keine bessere Gelegenheit für die Siegpremiere gegen ein führendes Fussballland als das Moses-Mabhida-Stadion von Durban an der WM in Südafrika: “Keine Bühne wird mehr beachtet als das WM-Theater, und kaum ein Team war vor der Endrunde mit mehr Lorbeeren überschüttet worden als die spanische Selección.”

Laut der Westschweizer Zeitung Le Temps sorgte die Schweizer Nationalmannschaft für die erste Sensation an der WM. “Die Mannschaft, die ihre Fans in der Vergangenheit sonst so oft bei wichtigen Spielen enttäuschte, zeigte diesmal einen unglaublichen Teamgeist und grosses taktisches Geschick und war voller Vertrauen und Lust zum Erfolg”, so Le Temps.

Für den Bund zeigte etwa auch die Laufbereitschaft der Schweizer, die am Mittwoch im Moses-Mabhida-Stadion in Durban sogar die für ihre Laufstärke bekannten Spanier schlugen, mit welchem Herz die Schweizer Nati beim Spiel dabei war.

Der Tages-Anzeiger und Der Bund bezeichnen das Tor, das zur ersten Niederlage von Europameister Spanien seit fast einem Jahr führte, als “Lucky Punch”. Für die beiden Zeitungen ist klar: Es war “nicht das schönste, aber wichtigste Tor”.

Trainer mit “Glücks-Gen”

Von einem “grossen Triumph” für Ottmar Hitzfeld, den “grossen Taktiker und Strategen mit dem Glücks-Gen”, spricht Der Bund.

Denn für die Schweizer Presse ist klar: Dem Erfolg der Schweizer Nati gegen die Spanier lag nicht nur ihre Kompaktheit und ihre Strategie, Verteidigung, Laufbereitschaft, Disziplin und Hartnäckigkeit, sondern auch Glück zugrunde.

“Es war das Glück, das Hitzfeld als Trainer schon so oft gehabt hat: kein zufälliges, ein erzwungenes. Sein Glücksgen ist nichts als die Konsequenz von Kalkül, von Strategie, von Arbeit, von der Fähigkeit, vor den Spielern mit so viel Überzeugung aufzutreten, dass sie ihm bedingungslos folgen”, so Der Bund.

“Es ist verblüffend bis unheimlich”, welche Fortschritte die Equipe Ottmar Hitzfelds in kurzer Zeit gemacht hat, so die NZZ. Der Coach habe sich von den drei Test-Niederlagen in Serie zumindest öffentlich nicht entmutigen lassen und die Spieler in harten Trainings gestählt, mit denen er für die Partie gegen Costa Rica fehlende Spritzigkeit, eine Niederlage und Kritik in Kauf genommen habe.

Auch Der Blick singt richtiggehend ein Loblied auf den deutschen Trainer und “dankt dem Herrgott, dass dieser ausserirdische Trainer wieder in der Schweiz gelandet ist”. Die Zeitung macht gar den Aufruf, Ottmar Hitzfeld den Schweizer Pass zu schenken.

“Schön genug, um zu träumen”

Am Montag spielt die Schweiz gegen Chile. Der Blick zeigt sich nach dem Sieg der Schweizer gegen Spanien enthusiastisch: “Jetzt können wir alle schlagen!”, zeigt sich die Zeitung überzeugt.

Auch für die Westschweizer Zeitung Le Temps hat die Schweiz nach dem Erfolg gegen Spanien “das Recht zu träumen”.

“Jetzt, nach dem ersten Konter gegen die Skepsis, ist die Ausgangslage grossartig”, schreibt auch der Der Bund und warnt zugleich: “Die drei Punkte sind ein Bonus, schön genug, um zu träumen. Hitzfelds Aufgabe ist es nun aber, dafür zu sorgen, dass seine Spieler nicht sorglos werden.”

Für die NZZ ist es nach dem Spiel von Mittwoch verwegen zu behaupten, die Schweizer seien besser als Spanien. “Mit einer Sensation zu Turnierbeginn ist kein weiteres Spiel gewonnen”, so die NZZ nüchtern.

Auch internationale Beachtung

Endlich wieder einmal positive Nachrichten aus der Schweiz. So grosse Titelschlagzeilen hat die ausländische Presse der Schweiz seit der Minarett-Abstimmung nicht mehr gewidmet.

Die deutsche Zeitung Bild schreibt vom “WM-Hammer”. Die Sportfiebel aus Italien, die Gazzetta dello Sport , titelt: “Sivzzera che colpo!”, “Schweiz, was für ein Coup!” Die Zeitung spricht von einer sensationellen Überraschung.

L’équipe aus Frankreich nimmt Bezug auf ein Schweizer Qualitätsprodukt: “Le couteau suisse”. “Das Schweizer Messer, Spanien ist geschnitten”. Die Schweiz habe einen Berg versetzt mit ihrem Sieg gegen Spanien.

Die Boulevard-Zeitung The Sun aus England titelt: “At last…we have lift off”. “Endlich…heben wir ab.” Die Schweiz habe die WM entzündet.

In den spanischen Zeitungen herrscht Katzenjammer: El Pais geht mit der eigenen Mannschaft hart ins Gericht. Sie sei zu barock verspielt gewesen und habe brotlose Kunst betrieben. Die Sportzeitung Marca schreibt von einer Lektion in Demut für die spanische Übermannschaft.

Corinne Buchser, swissinfo.ch

16. Juni, Durban (16h): Spanien-Schweiz 0:1

21. Juni, Port Elizabeth (16h): Schweiz-Chile

25. Juni, Bloemfontein (20h30): Schweiz-Honduras

Der historische 1:0-Sieg über Spanien an der Fussball-WM in Südafrika hat in der Schweiz eine Welle der Begeisterung ausgelöst. Landauf, landab fuhren Autos hupend durch die Strassen. Menschen versammelten sich spontan zu lautstarken Siegesfeiern.

Im strömenden Regen feierten die Fussballfans in Bern ihre Helden. Dutzende hupende Autos und Mofas kreisten durch die Innenstadt. Ein grosses öffentliches Public Viewing gibt es dieses Jahr in der Bundesstadt nicht. Trotzdem zog es viele Fans nach Spielschluss auf den Bundesplatz.

Auch Bundesrat Didier Burkhalter mischte sich in Bern kurz unter die Fans. Als er um 19 Uhr aus dem Bundeshaus trat, wurde er von mehr als 100 Schweizer Fans bejubelt. Burkhalter winkte zuerst ins Publikum, kickte dann einen imaginären Ball und schüttelte fleissig Hände.

In Zürich war vor allem auf der Langstrasse viel los. Um den Hauptbahnhof Zürich kam es ebenfalls zu Siegesfeiern, nachdem im Hof des Landesmuseums ein gut besuchtes Public Viewing zu Ende gegangen war. Der öffentlichte Verkehr kam teilweise zum Erliegen. Im Zürcher Niederdorf stiegen nur vereinzelte Feiern.

Auch in Chur und in Lausanne kam kurz nach Spielschluss der Verkehr zum Erliegen. Auf den Trottoirs kam es zu Menschenansammlungen. Es wurde gesungen, Fahnen wurden geschwenkt und Bierdosen triumphierend in die Höhe gehalten.

Auch im Kanton Thurgau feierten zahlreiche Fussballfans. Hauptsächlich in den grösseren Gemeinden wurde auf den öffentlichen Plätzen und Strassen für einige Zeit lautstark aber friedlich gefeiert.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft