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“Mehr Hotel und Ferien als Klinik”

In der Lukasklinik wird eine Symbiose zwischen Schulmedizin und komplementärer anthroposophischen Medizin praktiziert. Lukasklinik

Anthroposophische Medizin wird in der Lukasklinik als Zusatz zur Schulmedizin angewendet. Krebsleiden werden dort auch mit Mistel- und künstlerischen Therapien, sowie guter Pflege behandelt.

Freundlich, farbig, frisch, absolut kein Spitalmief, so empfängt die Lukasklinik in Arlesheim Patienten und Besuchende. Hier steht der Mensch, die Patientin, der Patient im Mittelpunkt. Dies zeigt sich schon daran, dass sich die Ärzte bei ihren Besuchen nach den Patienten richten und nicht umgekehrt. “Der Arzt kommt, wenn der Patient keine Therapie hat”, sagt Pflegeleiter Christoph von Dach.

“Ich weiss, dass mich die Diagnose Krebs auch nach meinen drei Wochen Aufenthalt in der Lukasklinik weiterhin beschäftigen wird. Aber ich bin froh, dass ich hier Instrumente kennen gelernt habe, die ich selber für mich im Alltag anwenden kann”, erklärt Frau B. gegenüber swissinfo im Sprachtherapie-Zimmer.

“Dank der Sprachtherapie wurde mir bewusst, dass die Stimme ein Instrument ist. Bis jetzt hatten meine Stimme, meine Sprache nur eine Wirkung nach Aussen. Und jetzt beginnt sie auch nach Innen zu wirken”, erklärt Frau B.

“Brustkrebs ist eine der häufigsten Krebsarten für Frauen. Er weist auch eine sehr hohe Rückfallrate auf. Also muss ich diese Diagnose in mein Leben integrieren und tun, was man tun kann, dass es nicht wieder passiert. Im Gegensatz zur Schulmedizin steht hier nicht so die Krankheit im Vordergrund. Gefördert wird eher das Gesund-Machende.”

So bietet die Lukasklinik zusätzlich zur schulmedizinischen Versorgung wie der Chemotherapie verschiedene künstlerische Therapien an: Sprach- und Maltherapie, Farblicht- und Musiktherapie sowie das therapeutische Plastizieren.

Wichtige Beziehungen

“Das hat für mich auch etwas zu tun mit ganzer werden, heiler werden. Und das geschieht nicht nur auf der körperlichen Ebene mit Medikamenten. Es passiert durch die Therapien und die Beziehungen zu den Therapeuten hier”, sagt Frau S., die als ambulante Patientin nach ihrem dreiwöchigen Aufenthalt jeden Monat 2 Tage nach Arlesheim kommt.

“Ich war vorher in verschiedenen anderen Kliniken, bei sehr guten Medizinern. Aber erst hier hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, als Mensch, als junge Frau gesehen zu werden.”

Sie wissen nicht, worauf sie sich einlassen…

“Die Menschen kommen oft her, weil sie gehört haben, hier gebe es noch mehr Therapie-Möglichkeiten. Aber sie wissen nicht, worauf sie sich insgesamt einlassen, wenn sie gebeten werden zu malen oder eine Bewegungstherapie zu machen”, sagt Dr. Hans-Richard Heiligtag.

“Man kann mit einer Krankheit oft sehr lange und gut leben, wenn Lebensqualität als Begleitschutz geboten wird. Denn es geht nicht um ‘Entweder bringen wir es weg oder es ist hoffnungslos’. Der Weg ist oft dazwischen.”

Heiligtag behandelt gewisse Krebs-Patienten, die nach Statistik und schulmedizinischer Anschauung schon lange nicht mehr leben dürften, seit Jahrzehnten. “Aber mit Hilfe der Therapien geht es sehr gut. Die Krankheit bleibt stabil und Lebensqualität bleibt erhalten.”

Genesung geht auch durch den Magen

Eine besondere Bedeutung wird in der Lukasklinik auch der Ernährung beigemessen. “Wir verwenden nach Möglichkeit saisongerechtes, in der Gegend biologisch-dynamisch angebautes Gemüse, das frisch zubereitet und gerüstet wird”, sagt Christoph von Dach.

Mittag- und Abendessen nehmen die Patientinnen und Patienten normalerweise nicht auf ihren Zimmern ein. Man trifft sich in einem gediegenen Speisesaal. Es gibt keinen Tellerservice, das Essen kommt in Schüsseln auf den Tisch. Man schöpft das, was man mag.

“Nach Chemotherapien spielt das oft eine Rolle, weil Patienten plötzlich gewisse Nahrungsmittel wie beispielsweise Salat nicht mehr mögen”, sagt der Pflegeleiter.

Anerkennend sagt Frau S., “Ich habe das gemeinsame Essen sehr geschätzt”. Es sei sehr wichtig für sie gewesen, dass man untereinander nicht über die Krankheit gesprochen hätte. “Sonst hätte ich es vorgezogen, im Zimmer zu essen. Aber so war es einfach ein Zusammensein. Und trotzdem ist man durch die Diagnose miteinander verbunden. Es hatte für mich auch mehr Hotel- und Ferien- als Klinik-Atmosphäre.”

Schlüsseltherapie Iscador

Die Misteltherapie spielt hier in der Lukasklinik die entscheidende Rolle”, erklärt Dr. Jürgen Johannes Kuehn, Facharzt für innere Krankheiten. Er ist seit über 25 Jahren sowohl in der Ambulanz als auch in der klinischen Forschung tätig. “Mit dieser komplementären Iscador-Therapie können wir die Nebenwirkungen der Chemotherapie und der Bestrahlung abschwächen.”

Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten. “Nach Möglichkeit setzen wir sie schon vor der Chemo- oder Radiotherapie ein. Damit können die zwangsweise entstehenden Schäden geringer gehalten und nach Abschluss der Therapien möglichst rasch beseitigt werden.”

Komplementären Therapien wird oft zum Vorwurf gemacht, sie seien wissenschaftlich nicht richtig abgesichert. Dr. Kuehn widerspricht energisch: “Das ist nicht nur Theorie. Wir wissen, dass die Dämpfung der Knochenmarksfunktion und die Dämpfung des Immunsystems eine Rolle spielt für die Aussichten des weiteren Verlaufs der Erkrankung. Wir können die Lymphozytenzahl (Bestandteil der weissen Blutkörperchen, die mit Antikörpern “schlechte” Zellen zerstören) mit der Misteltherapie in den meisten Fällen verbessern.”

swissinfo, Etienne Strebel, Arlesheim

In der Lukasklinink in Arlesheim werden Tumorerkrankungen mit anthroposophischen Therapien komplementär zu schulmedizinischen Chemo- oder Radiotherapien behandelt.

Die Behandlung betrachtet den Menschen als Ganzes und behandelt deshalb auch die Krebserkrankung als Ganzes.

Mit Misteltherapie wird die Aktivierung der körpereigenen Abwehr gefördert. Dazu werden vielfältige künstlerische Therapien wie Heileurythmie, Maltherapie, Plastizieren, Sprachgestaltung und Musiktherapie angeboten.

Eine spezielle, auf Krebspatienten ausgelegte Physiotherapie, Biographiearbeit, und eine biologisch-dynamische Ernährung runden das Angebot ab.

Damit sich die Patientinnen und Patientinnen voll auf ihre Genesung konzentrieren können, gibt es in den Krankenzimmern weder Fernseher noch Radios.

Ein weiteres Angebot ist die klinische Behandlung von komplizierten und schweren Krankheitsverläufen.

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