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“Monsieur Parfait” krönt Bilderbuchkarriere

SP-Fraktionspräsidentin Ursula Wyss gratuliert dem neu gewählten Bundesrat. Reuters

SP-Ständerat Alain Berset hat sich ganz und gar der Politik verschrieben. Scheinbar mühelos gelang dem erst 39-jährigen Freiburger der steile Aufstieg von der Kommunalpolitik aufs Bundesparkett und jetzt in die Landesregierung.

Als Bundesrätin Micheline Calmy-Rey diesen Herbst ihren Rücktritt ankündigte, wurde Berset rasch als Kronfavorit gehandelt. Er selber liess sich aber Zeit und machte erst Anfang Oktober seine Bundesrats-Ambitionen öffentlich.

Überhaupt gilt Berset als besonnen und überlegt. Seine Auftritte wirken reif, gelassen und staatsmännisch. Berset ist kein Revoluzzer, der mit dem Kopf durch die Wand will.

Vielmehr gilt der Berufspolitiker und dreifache Familienvater als sachlicher Analytiker, nicht-ideologischer Brückenbauer und kluger Diplomat. Manchen ist “Monsieur Parfait”, wie ihn die welsche Presse nennt, allerdings schon etwas zu geschliffen und angepasst.

Klar auf SP-Kurs

Angriffsfläche bietet Berset in der Tat wenig, es sei denn, seine mangelnde Exekutiverfahrung. Darauf angesprochen winkt er ab: “Es gibt keinen Fähigkeitsausweis für den Bundesrat”, sagte Berset in den letzten Wochen jeweils.

Der Freiburger vertritt klar linke Positionen und hält den Kurs von Parteipräsident Christian Levrat, dem er seit Jahren freundschaftlich verbunden ist.

Berset zählt in der SP-Fraktion zu den Wortführern und ist eine gewichtige Stimme der Romandie. 2007 soll er zu den aktiven Strippenziehern bei der Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher gehört haben.

Mit seinen 39 Jahren ist Berset der zweitjüngste Bundesrat der Nachkriegszeit – und der vierte Freiburger in diesem Amt.

Sporen im Kanton Freiburg abverdient

Als studierter Politologe und Wirtschaftswissenschafter arbeitete Berset zunächst in der Forschung. Von 2002 bis 2004 war er Berater des Neuenburger Volkswirtschaftsdirektors Bernard Soguel.

Seine politischen Sporen verdiente er sich im Freiburger Verfassungsrat ab, wo er von 2000 bis 2004 die SP-Fraktion anführte. Zuvor war er an seinem Wohnort Belfaux im Gemeinderat.

Als 31-Jähriger schaffte Berset 2003 den Sprung aufs Bundesparkett. Er jagte dem freisinnigen Ständerat Claude Cornu den Sitz ab und knüpfte wieder an die lange Tradition sozialdemokratischer Standesvertreter aus dem Kanton Freiburg an.

Unter der Bundeshauskuppel hat sich der studierte Politologe und Wirtschaftswissenschafter rasch einen Namen als Wirtschafts- und Finanzpolitiker gemacht.

Vier Jahre später schaffte er die Wiederwahl. Mit 36 Jahren wurde Berset einer der jüngsten Ständeratspräsidenten der Schweiz. Bei den Ständeratswahlen von Ende Oktober überflügelte er schliesslich sogar den bekannten Freiburger CVP-Mann Urs Schwaller.

Berset präsidiert derzeit die Staatspolitische Kommission. Darüber hinaus hält er nur wenige Ämter, so etwa das Präsidium einer Freiburger Behinderten-Organisation oder des Westschweizer Mieterverbandes.

Politvirus in der Familie

Das Politisieren wurde Berset quasi in die Wiege gelegt. Seine Mutter Solange Berset präsidierte mehrere Jahre lang die Freiburger SP. Schon sein Grossvater, François Angéloz, war politisch aktiv.

Alain Berset ist verheiratet und hat drei Kinder. Zusammen mit seiner Familie wohnt er im elterlichen Haus in Belfaux. In seiner Freizeit spielt er gerne Klavier.

Alain Berset hat sich nach seiner Wahl in den Bundesrat bei der Vereinigten Bundesversammlung für das Vertrauen bedankt. Er freue sich auf die Zusammenarbeit und erkläre die Annahme der Wahl.

Berset sprach von einem Gefühl der Verantwortung für die Gesamtheit des Landes, die Bevölkerung, die Kantone, das Parlament und den Bundesrat.

Die Wahl erfolge zu einem Zeitpunkt, in dem die Schweiz mit schwierigen Problemen konfrontiert sei, sagte Berset unter Verweis auf die wirtschaftliche Situation und den geplanten Ausstieg aus der Atomenergie.

Er freue sich, diese Herausforderungen anzunehmen und im Interesse des Landes und des nationalen Zusammenhalts die Lösung der Probleme anzugehen. Er tue dies im Bewusstsein, die Unterstützung jener zu haben, welche die Ideale der Gleichheit und der sozialen Gerechtigkeit teilten.

Seit 1848 heisst die Exekutive der schweizerischen Eidgenossenschaft Bundesrat.

Der Bundesrat besteht aus 7 Mitgliedern und wird vom Parlament gewählt.

Das Parlament kann die Regierung nicht abwählen, ebenso kann die Regierung das Parlament nicht auflösen.

Die 7 Regierungsmitglieder entscheiden als Kollegium.

Die Schweiz kennt weder die Funktion eines Staats-Präsidenten noch die eines Regierungschefs. Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin wird jeweils für die Amtsdauer eines Jahres gewählt.

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