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“Öffentliche Diskussion wäre notwendig”

Keystone

Mit 68 Mrd. Franken wollen Nationalbank und Bund der angeschlagenen Schweizer Grossbank UBS unter die Arme greifen. Platz für öffentliche Diskussion oder demokratische Abläufe hat es dabei kaum, sagt Ökonomie-Professor Volker Grossmann.

swissinfo: Die Nationalbank (SNB) unterstützt die Bank mit 62 Milliarden, der Bund mit 6. Was ist der Unterschied dabei?
Volker Grossmann: Das scheint mir eigentlich nur eine technische Unterscheidung zu sein. Die Nationalbank selber scheint in ihren Massnahmen, auch wenn sie so weitreichend sind, nicht die Zustimmung zu benötigen.

Allerdings wäre das meines Erachtens angezeigt. Weil es sich um Risiken enormen Ausmasses handelt. Ich hätte mir schon gewünscht, dass diese Risiken auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden wären. Und man natürlich auch das Parlament dazu befragt hätte.

swissinfo: Sie fordern, dass die Gewinn- und Verlustrisiken der 6 Bundesmilliarden neu ausgehandelt werden. Sollte sich die UBS bei Verlusten stärker beteiligen müssen?

V.G.: Ja, das jetzige Hilfspaket belastet den Steuerzahler zu stark. Das Problem ist, dass das Hilfspaket beinhaltet, dass Wertpapiere aufgekauft werden, die zur Zeit schwer auf dem Markt handelbar sind und deren Preis sehr schwer feststellbar ist.

Daher besteht die Möglichkeit, dass man diese Papiere überbewertet und auch in einigen Jahren nicht mehr zu dem adäquaten Preis verkaufen kann, den man bezahlt hat, und daher der Steuerzahler den Verlust vollständig trägt.

swissinfo: Wie gross ist das Risiko, dass der Bund zu viel bezahlt?

V.G.: Aus meiner Sicht ist das Risiko sehr hoch, weil der Preis der Papiere schwer feststellbar ist. Und wenn diese Papiere zu hoch angesetzt werden, trägt der Steuerzahler den gesamten Verlust. Zumindest so, wie es jetzt angedacht ist, wenn er über 6 Milliarden Franken hinausgeht.

swissinfo: Wie kann man das verhindern?

V.G.: Man kann es kaum verhindern, weil der Preis objektiv schwer feststellbar ist. In den USA wurde diskutiert, dass es so etwas wie eine Auktion geben soll.

Das ist aber in der Schweiz schwer durchführbar, weil es sich hier um ein Hilfspaket für nur eine Bank handelt. Daher sind zu wenig Marktteilnehmer vorhanden, um den Preis über eine Auktion festzustellen.

Darum muss der Preis nach Kriterien festgesetzt werden, die sich jeder Marktgrundlage entziehen. Und damit ist das Risiko gross, dass man den Preis zu hoch ansetzt.

swissinfo: Bis wann ist der genaue Betrag bekannt, um wie viel es sich am Stichtag 30. September handelte?

V.G.: Das ganze Verfahren war bislang sehr intransparent. Das begann damit, dass man zunächst einmal den Bedarf in Frage stellte, überhaupt einzugreifen. Dann wurde ein Paket angekündigt, dessen Details erst nach und nach ans Licht gekommen sind.

Das Hauptproblem ist jetzt diese Bewertung der Papiere. Dort scheint es, dass man sehr darauf bedacht ist, noch intransparenter als bislang vorzugehen, um zu verhindern, dass es hier zur öffentlichen Diskussion kommt. Diese wäre aber meines Erachtens in einem demokratischen Prozess notwendig.

swissinfo: Die SNB will nicht bekanntgeben, wer die Fachleute sind, die den Preis bestimmen, oder wie dieser Bewertungsprozess läuft.

V.G.: Das scheint mir sehr bewusste Politik zu sein.

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Schweizerische Nationalbank

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Ziel ihrer Politik ist Preisstabilität, die laut ihren Angaben eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand ist. Die SNB stützt ihre geldpolitischen Entscheidungen auf eine mittelfristige Inflationsprognose ab. Der Referenz-Zinssatz ist der Dreimonats-Libor (London Interbank Offered Rate). Die Nationalbank verfügt über…

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swissinfo: Wissen Sie, wie so ein Bewertungsprozess abläuft?

V.G.: Nein. Mir entzieht sich völlig, wie das ablaufen soll. Die einzige seriöse Möglichkeit wäre eben über eine Auktion. Da das nicht möglich ist, kann man diese Papiere nicht seriös bewerten.

swissinfo: Das Hilfspaket kommt Anfang Dezember in der Wintersession ins Parlament. Kann dieses überhaupt noch etwas entscheiden ausser Ja und Amen?

V.G.: Nein, das scheint mir nicht der Fall zu sein. Und das finde ich auch äusserst problematisch. Ich finde, dass der Diskussionsprozess bislang eher unterdrückt worden ist, wie er eigentlich in einer Demokratie stattfinden sollte.

Die Schweiz ist ja ein Rollenmodell für eine sehr gut funktionierende Demokratie. Aber in diesem Punkt, wo es doch um so viele Milliarden geht, hat man diese Demokratie eigentlich nicht mehr so gelebt.

Jetzt wird der Nationalrat, der natürlich auch nicht nur aus Experten besteht, damit konfrontiert, Ja oder Nein zu sagen. Und das in einer Phase, wo ein Nein vielleicht bedeuten würde, dass die Bank in der Tat insolvent wird. Das möchte natürlich niemand.

Aber es hätte im Vorfeld viele Alternativen gegeben, die nicht diese Umverteilung von, ich sage jetzt mal salopp, Arm zu Reich, beinhaltet hätte, sondern die Risiken an diejenigen gegeben hätte, die auch zum Teil verantwortlich sind für die jetzige Situation der Bank.

swissinfo: Das Ganze ist also nur noch eine Alibi-Übung?

V.G.: So kann man das formulieren. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn man den Diskussionsprozess im Vorfeld zugelassen hätte.

Das ist leider nicht passiert, so dass man jetzt in einer Situation ist, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, eigentlich zustimmen zu müssen zu einem äusserst problematischen Hilfspaket.

swissinfo-Interview: Christian Raaflaub

Die Hilfe an die schlingernde Grossbank UBS, das grösste Schweizer Finanzinstitut, setzt sich aus zwei Teilen zusammen.

Die UBS kann marode und zurzeit kaum verkäufliche Ramschpapiere im geschätzten Wert von 62 Mrd. Fr. in eine von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) kontrollierte Gesellschaft auslagern.

Nach vehementer öffentlicher Kritik wird diese Gesellschaft nicht wie ursprünglich geplant auf den Cayman-Inseln in der Karibik angesiedelt, sondern am SNB-Sitz am Bundesplatz in Bern.

Zusätzlich wird von der Eidgenossenschaft eine Pflichtwandelanleihe über 6 Mrd. Fr. gezeichnet.

Die Verträge sind bereits unterschrieben. Das Paket kann nicht mehr neu verhandelt werden.

Bei der Nationalbank steht man mit Fragen über die Bewertung der Papiere derzeit vor verschlossenen Türen.

Es sei alles gesagt, heisst es von Pressesprecher Werner Abegg. Er verweist auf eine nächste Pressekonferenz am 11. Dezember.

Das Finanzdepartement ist nicht viel auskunftsfreudiger. Derzeit würden zum Thema keine Interviews gegeben.

Es gelte nun einmal abzuwarten, was das Parlament dazu meine. Mehr als Ja oder Nein könne es aber auch nicht sagen, betont Pressesprecher Roland Meier.

Der Deutsche ist Professor für Makroökonomie an der Universität Freiburg.

Nach Studien in Deutschland und den USA ist er seit 2005 in Freiburg.

Seit September 2008 hat er dort den Lehrstuhl für Makroökonomie, Internationale Industrie- und Wachstumspolitik inne.

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