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Wie Daniele Ganser Spekulationen Tür und Tor öffnet

Daniele Ganser hält einen Vortrag
Er pickt sich Ungereimtheiten heraus, sät Zweifel und überlässt die Interpretation dem Zuschauer: Historiker Daniele Ganser. Christoph Kummer

Daniele Ganser bleibt bei seinen Vorträgen oft ungenau und lässt wichtige Fakten weg. Autor Christoph Kummer* hat einzelne Aussagen von Ganser zu den Terror­anschlägen vom 11. September unter die Lupe genommen.

Daniele Ganser tut vielfach das, was er den USA und grossen Medien selber vorwirft: Er stellt suggestive Fragen, spielt gekonnt mit Bildern und nimmt es oft ungenau mit Fakten oder lässt sie weg. Die Verschwörungstheorien entstehen dann im Kopf der Zuhörer.

Ganser bezweifelt noch heute, dass al-Qaida hinter den Attacken vom 11. September 2001 in New York und Washington steckt. Auch in seinem Vortrag in Thun ging er auf vermeint­liche Ungereimtheiten zu 9/11 ein. Im Zentrum seiner Kritik steht WTC 7, ein Nebengebäude der Twin Towers, das einstürzte, obwohl es von keinem Flugzeug getroffen worden war. “Wir haben drei Türme und zwei Flugzeuge, WTC 7 fällt symmetrisch, es war Feuer oder Sprengung”, sagt Daniele Ganser.

Kein Beleg für Sprengthese

Was er verschweigt, ist, dass die Feuerthese im Gegensatz zur Sprengthese wissenschaftlich breit abgestützt ist. Nebst dem Untersuchungsbericht der Bundesbehörde National Institute of Standards and Technology (Nist) existieren mehrere unabhängige wissenschaftliche Studien, welche die Ergebnisse des Nist bestätigen: Brände auf mehreren Stockwerken, ver­ursacht durch Trümmerteile der Twin Towers, lösten eine Kettenreaktion aus, die zum Einsturz führte. Keine geprüfte wissenschaftliche Studie kommt zu einem anderen Ergebnis.

Die Verschwörungstheorien entstehen dann im Kopf der Zuhörer.

Ganser liefert keine Belege für die spekulativen Erklärungsansätze, die er wohlwollend präsentiert. Er pickt sich Ungereimtheiten heraus, sät Zweifel und überlässt die Interpretation dem Zuschauer.

Zum Beispiel erklärt er nicht, was die Gründe sein könnten, weshalb die britische TV-Institution BBC am 11. September den Einsturz von WTC 7 zu früh vermeldete. “Die Journalistin berichtet über den Einsturz, und das Gebäude ist hinter ihr zu sehen – das geht natürlich gar nicht”, sagt Ganser.

Chaotische Informationslage

Steckte die BBC mit den Verschwörern unter einer Decke? Zu diesem Schluss könnte der Zuhörer nach Gansers Aus­führungen gelangen. Doch was ist plausibel? Eine Erklärung für den peinlichen Fauxpas, für den sich die BBC entschuldigte, findet, wer sich die Stellungnahme des damaligen New Yorker Feuerwehrchefs Daniel Nigro anschaut: Er schrieb in seiner Erklärung, dass er wegen der Schäden am Gebäude drei Stunden vor dem Einsturz die komplette Evakuierung des WTC 7 befohlen habe.

Damit bestätigte er, dass die Behörden schon früh davon ausgingen, dass das Gebäude einstürzen wird. Ausserdem ist zu bedenken, wie chaotisch die Informationslage am 11. September war. Somit liegt der Fehlinformation wohl eine Kommunikationspanne zugrunde.

Die DNA lag vor

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Historiker Daniele Ganser spricht über Weltpolitik und Medien. Der Mann mit Hang zu Verschwörungstheorien ist umstritten – und hat viele Fans.

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Ganser suggeriert in seinen Vorträgen, dass Terroranschläge inszeniert werden. Zu 9/11 fragt er: “Wie wissen wir, dass es Muslime waren?”, und zeigt dann das Bild der Trümmer der Twin Towers, wo der Pass von einem der Terroristen gefunden wurde. Was Ganser nicht sagt, ist, dass die Überbleibsel der meisten 9/11-Attentäter identifiziert werden konnten: Ihre Knochenspuren, gefunden in den Trümmern, wurden mit DNA-Spuren abgeglichen, welche die “Hijacker” in Hotelzimmern und andernorts hinter­lassen hatten.

Die Attentäter erschienen zudem auf den Passagierlisten der Flüge, und ihre jihadistischen Absichten sind gut dokumentiert.

Wenn alles inszeniert und erlogen wäre, dann müssten Hunderte Verschwörer beteiligt sein. Doch Ganser erklärt nicht, wie eine solche gigantische Vertuschungsaktion in Zeiten von Wikileaks jahrelang geheim gehalten werden könnte.

*Diese Analyse erschien in der Berner ZeitungExterner Link. Christoph Kummer ist freier Autor.

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