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Abu Sayyaf lassen eine der drei IKRK-Geiseln frei

Die IKRK-Mitarbeiterin Mary Jean Lacaba ist nach fast drei Monaten Geiselhaft wieder frei. Reuters

Eine der drei IKRK-Delegierten, welche von der kriminellen Rebellengruppe Abu Sayyaf seit dem 15. Januar auf den Philippinen gefangen gehalten wurde, ist frei. Über das Schicksal des Schweizers Andreas Notter und des Italieners Eugenio Vagni ist nichts bekannt.

Die Philippinerin Mary Jean Lacaba kam am Donnerstag auf der Insel Jolo auf freien Fuss, wie Verteidigungsminister Gilbert Teodoro mitteilte. Die 37-jährige Lacaba sei bei guter Gesundheit und werde derzeit von Ärzten untersucht, sagte der Leiter des Philippinischen Roten Kreuzes, Richard Gordon. Er sei sehr glücklich über die Freilassung und hoffe, dass auch Notter und Vagni bald frei kämen.

Er habe die Information erhalten, dass beide am Leben seien, erklärte Gordon und appellierte an die Entführer, den Geiseln nichts zuleide zu tun.

Die Abu-Sayyaf-Extremisten hatten Anfang Woche gedroht, eine der drei Geiseln zu enthaupten, falls sich die philippinischen Truppen nicht vollständig aus der Gegend zurückziehen. Nach Ablauf der Frist am Dienstag hatte Gouverneur Tan den Notstand ausgerufen.

Deckmantel

Um ihrer Entschiedenheit Ausdruck zu verleihen, erklärte die philippinische Regierung dazu, Abu Sayyaf sei ein Teil der Terror-Organisation Al Kaida. Ein Schweizer Experte, der anonym bleiben will, stellt dies in Frage: “Es handelt sich um eine kriminelle Vereinigung ohne jegliches politisches Ziel. Die Gruppierung verschleiert ihre kriminellen Aktivitäten unter einem islamistischen Deckmantel. Sie ist in der Bevölkerung überhaupt nicht verankert”, sagte er.

Sophie Boisseau vom Asien-Zentrum in Paris teilt diese Einschätzung. “Die Al-Kaida-Zellen, die mit den verschiedenen muslimischen Zellen im Süden der Philippinen in Kontakt stehen, haben sich von Abu Sayyaf distanziert. Die Gruppe agiert isoliert.”

Es handle sich um eine Rebellengruppe, die jegliche politische Verhandlungen ablehne. “Sie ziehen es vor, mit Waffengewalt zu kämpfen. Abu Sayyaf ist für ihre Banditenaktionen bekannt. Sie hatten nie ein politisches Programm”, sagte Boisseau.

Grosse Widerstandskraft

Seit ihrer Gründung im Jahr 1991 ist es der philippinischen Regierung nicht gelungen, die Rebellengruppe zu zerschlagen. “Die Widerstandskraft dieser Gruppe ist erstaunlich gross”, so Boisseau.

“Heute besteht Abu Sayyaf aus jungen, schlecht ausgebildeten Leuten. Das sind Halbstarke, die zum Islam konvertiert sind, weil ihnen das lukrativer erscheint als der politische Kampf”, fügte die Expertin an.

Im April 2007 hat Abu Sayyaf sieben christliche Geiseln enthauptet. “Ihre Opfer sind meistens christliche Philippinen oder westliche Christen. Sie erpressen aber auch Muslime”, führte Boisseau weiter aus.

Abu Sayyaf treibt ihr Unwesen hauptsächlich auf der Insel Jolo. Hier ist die Mehrheit der Bewohner muslimisch, während 83% der Philippinen katholisch sind.

Unterstützung durch die USA

Auch wenn der Gruppierung eine eigentliche politische Strategie fehlt, fordert sie die Schaffung eines islamistischen Staates auf den Südinseln der Philippinen.

“Es ist also kein Zufall, dass die Geiselnahme zeitlich mit dem Besuch der amerikanischen Aussenministerin Hillary Clinton zusammenfiel”, diagnostizierte Boisseau und fügte an: “Die USA unterstützen die philippinische Armee finanziell bei ihren Militäraktionen gegen die Rebellen und stellen ein Anti-Terror-Training zur Verfügung.”

swissinfo, Frédéric Burnand, Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat die Aufgabe, die Einhaltung der Genfer Konventionen weltweit zu überwachen.

Das IKRK, 1863 gegründet, ist das wohl älteste international tätige humanitäre Werk.

Seine weltweiten Aktivitäten beinhalten die Vermittlung zwischen Kriegsparteien, die Pflege von Verwundeten, den Besuch von Kriegsgefangenen und politischen Häftlingen, die Wiederherstellung des Kontakts zu Angehörigen, den Schutz der Zivilbevölkerung, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und weitere Formen der Unterstützung von Konfliktopfern.

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