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Alt-Nationalrat Ernst Mühlemann wird 70

x Keystone

Ernst Mühlemann , alt FDP-Nationalrat und Europaratsmitglied feiert heute Samstag (17.06.) seinen 70. Geburtstag. Im Herbst 1999 schied der "Schattenaussenminister" nach 14 Jahren aus dem Nationalrat aus. Im Ruhestand ist er deswegen noch lange nicht.

Wenn Ernst Mühlemann dieser Tage nicht gerade im Unternehmerforum Lilienberg aktiv ist oder sich auf die Begleitung einer politischen Reise vorbereitet, dann engagiert er sich in der Euregio Bodensee. “Ich bin ein Aktivist, kein kontemplativer Mensch”, sagt er dazu.

Geboren wurde Ernst Mühlemann am 16. Juni 1930 als Bauernsohn in Illhart TG. Er habe als Kind viel in der Landwirtschaft helfen müssen, erzählt er. Aber gern habe er das nie getan. Lieber sei er zur Schule gegangen oder habe gelesen.

Zudem “hatte ich einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber besser Gestellten. So eine Trotzhaltung: Euch werd ich’s zeigen.” Ernst Mühlemann besuchte das Thurgauer Lehrerseminar und wurde Volksschullehrer, begann aber bald ein Sekundarlehrerstudium mit den Fächern Deutsch, Geschichte, Kunstgeschichte und Pädagogik.

Sprung in die Exekutive gescheitert

Anschliessend unterrichtete er am Thurgauer Lehrerseminar, engagierte sich für die FDP im Kreuzlinger Stadtparlament und machte im Militär Karriere. Die Aussicht, in den Sechziger Jahren Thurgauer Erziehungsdirektor werden zu können, zerschlug sich, als der Amtsinhaber zurücktrat und ein SP-Mann diesen Posten übernahm.

1989 wurde es auch nichts mit dem Sprung in den Bundesrat. In der Diskussion um die Nachfolge von Elisabeth Kopp war auch Mühlemanns Name gefallen. Aber wenn man aus der Ostschweiz komme, habe man einfach keine Hausmacht. Lust hätte er schon gehabt, Bundesrat zu werden, sagt Mühlemann.

20 schöne Jahre auf dem Wolfsberg

1971 hatte Mühlemann knapp den Absturz eines Militärhelikopters überlebt und danach sein Leben umgekrempelt. Er nahm das Angebot an, Schloss Wolfsberg in Ermatingen zum Ausbildungszentrum der Schweizerischen Bankgesellschaft und zu einem kulturellen Zentrum aufzubauen. Es seien 20 schöne Jahre gewesen – niemand habe im drein geredet.

In den Nationalrat wurde er 1983 gewählt. Dort wurde er Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats und begann ins Ausland zu reisen, weil er “die Probleme aus der Nähe sehen” wollte.

Russland habe im Vordergrund gestanden, weil er seit einem Aufenthalt 1981 dort bereits Anknüpfungspunkte hatte. Und nach und nach kamen weitere Länder im Osten, von Estland bis Tschetschenien, dazu.

Russland nicht ausgrenzen

Die Arbeit im Europarat sei frustrierend gewesen, bis er nach zwei Jahren das Russland-Dossier zur Bearbeitung bekommen habe, sagt Mühlemann. Noch heute ist er der Meinung, sein grösster Erfolg sei es gewesen, Russlands Aufnahme in den Europarat erreicht zu haben.

Trotz des zweiten Tschetschenienkriegs wäre es ein Fehler, Russland auszugrenzen, ist sich Mühlemann sicher. Vom früheren Präsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow habe er gelernt, “dass es besser ist, ein Friedens- als ein Kriegsgeneral zu sein”.

Kooperation müsse in allen Fällen der Konfrontation vorgezogen werden. Die Begegnung mit Gorbatschow habe seine Weltsicht sehr verändert, meint Mühlemann: “Vorher war ich ein grosser Kalter Krieger.”

swissinfo und Agenturen

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