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Anti-Folterausschuss kritisiert Schweiz

In Schweizer Gefängnissen läuft hinter Schloss und Riegel laut Europarat nicht alles, wie es soll. Keystone

Der Ausschuss des Europarats zur Verhütung von Folter übt scharfe Kritik an der Genfer Polizei: Vor allem bei Festnahmen komme es in der Rhonestadt häufig zu Misshandlungen.

Der Rat kritisiert in seinem Bericht ferner die in Schweizer Gefängnissen praktizierte Einzelhaft. Kritische Erwähnung findet auch eine Mädchen-Strafanstalt im Kanton Bern.

Scharf ins Gericht ging der Europarat mit der Genfer Polizei: Vor allem bei Festnahmen würden Verdächtige häufig mit Fusstritten und Faustschlägen misshandelt oder mit Polizeihunden bedroht. Dies kritisiert der Anti-Folterausschuss (CPT) im am Montag veröffentlichten vorläufigen Bericht.

Einige Festgenommene seien noch misshandelt worden, als sie bereits am Boden lagen. Solche Methoden seien “ganz einfach inakzeptabel” und müssten bestraft werden.

Ohne Spaziergang

Häftlinge in Schweizer Gefängnissen erhielten als Lektüre lediglich eine Ausgabe der Bibel oder des Korans, heisst es weiter in der CPT-Erklärung.

In den Haftanstalten Aarau, Champ-Dollon in Genf und Zürich hätten die Gefangenen vom ersten Tag an kein Recht auf einen einstündigen Hofgang. Der Ausschuss habe die Behörden angewiesen, dies zu ändern.

Gewalt in Jugendheim

Kritisch äusserten sich die Experten auch über die Zustände in der Mädchen-Strafanstalt Lory in Münsingen im Kanton Bern. Im Jugendheim werde bei der Verlegung von Häftlingen in Strafzellen oft unangemessene Gewalt angewendet.

So sei eine Minderjährige von Aufsehern gewürgt worden, heisst es in der Erklärung. Das Mädchen habe anschliessend zwei Tage lang Schluckbeschwerden gehabt. Dennoch sei es nicht ärztlich untersucht worden.

Blick hinter Schloss und Riegel

Eine Delegation des Anti-Folter-Komitees hatte im September und Oktober 2007 zwei Wochen lang Polizeistationen und Gefängnisse in mehreren Schweizer Kantonen untersucht. Der vollständige Bericht soll dem Bundesrat im Frühjahr vorgelegt werden.

Der detaillierte Bericht sollte dann zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden. Dazu ist laut Anti-Folter-Konvention allerdings die Zustimmung der Schweizer Regierung notwendig.

Vertreter des Anti-Folter-Komitees – es sind dies Strafvollzugsexperten, Juristen und Ärzte – besuchen in regelmässigen Abständen Gefängnisse und andere Orte, an denen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden.

Das Gremium hat die Aufgabe, die Einhaltung der Anti-Folter-Konvention durch die Europaratsländer zu überwachen.

swissinfo und Agenturen

In der Schweiz gibt es rund 120 geschlossene Anstalten mit über 6700 Plätzen.
Im September 2006 wurden in der Schweiz knapp 5900 Menschen festgehalten.
Knapp 70% davon waren Personen aus dem Ausland.
Der Anteil der Frauen betrug 5,7%.

Die Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) ermöglicht Inspektoren ungehinderten Zugang zu geschlossenen Institutionen.

Diese haben auch ungehinderten Zutritt zu Sicherheits-Zonen, beispielsweise an Flughäfen. Die Inspektoren können auch Festgehaltene unter vier Augen befragen.

Der Besuch des Komitees von letztem Oktober war eine von elf Inspektionen, welche die CPT 2007 durchführte. Weitere erfolgten in Spanien, Holland, Kroatien und Moldawien.

Nach jeder Inspektion schickt die Organisation einen vertraulichen Bericht mit Schlussfolgerungen und Empfehlungen an die Behörden des Landes.

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