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Ein sehr teurer Führerausweis

Lernfahrerin mit Lehrfahrzeug
Zurzeit ist es in der Schweiz nicht obligatorisch, praktische Fahrstunden mit einem Fahrlehrer zu absolvieren. Keystone/Christian Beutler

Dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz sehr hoch sind, ist weitherum bekannt. Teuer ist auch der Erwerb eines Führerausweises, der zum Autofahren berechtigt. In der Regel muss mit Kosten von 3800 Franken gerechnet werden, was ihn damit wohl zum teuersten Fahrausweis der Welt macht.

Der Weg zum schweizerischen Führerausweis, wie der Führerschein in der Schweiz heisst, ist lang und beschwerlich. Bevor man sich überhaupt zum ersten Mal an ein Steuerrad setzen darf, müssen bereits unterschiedlichste Formalitäten erledigt werden.

Zuallererst muss der zukünftige Autofahrer einen Augencheck bei einem Optiker oder Augenarzt durchführen lassen, um festzustellen, ob die Sehschärfe nicht zu niedrig ist, um überhaupt fahren zu können. Zudem muss zwingend ein NothilfekursExterner Link absolviert werden. Ein solcher dauert zehn Stunden und wird vom Schweizerischen Samariterbund angeboten, kann manchmal aber auch im Rahmen der obligatorischen Schule absolviert werden.

Danach muss bei einer Fahrschule ein obligatorischer Sensibilisierungskurs besucht werden. Dieser dauert acht Stunden und hat zum Ziel, den künftigen Fahrerinnen und Fahrern verantwortungsvolles Sicherheitsverhalten und Umweltverantwortung zu vermitteln.

Dann steht nur noch ein einziges Hindernis zwischen dem angehenden Fahrschüler und dem Lernfahrausweis: beim kantonalen Strassenverkehrsamt muss die Theorieprüfung (Signale, Vortrittsregeln, usw.) bestanden werden.

Hinter dem Steuer

Mit dem Lernfahrausweis in der Tasche kann nun endlich zur Praxis geschritten werden. Dieser Ausweis ist zwei Jahre lang gültig. Damit darf ein Fahrschüler (mindestens 18 Jahre alt) ein Auto im Strassenverkehr steuern, aber nur in Begleitung einer Person, die über 23 Jahre alt und bereits seit mindestens drei Jahren im Besitz eines Führerausweises ist. Im Normalfall sind dies Bekannte, oft Familienmitglieder.

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Zwar ist im Gesetz nirgendwo eine Mindestzahl an Fahrstunden bei einem Fahrlehrer festgeschrieben, um die Fahrprüfung ablegen zu können (bei Motorrädern ist dies anders). Doch in der Praxis absolvieren die meisten Lernfahrerinnen und Lernfahrer einige Stunden mit einem Fahrlehrer, um eine gute Grundlage zu bekommen.

Eine Umfrage des Portals Fahrlehrervergleich.chExterner Link unter 570 Lernfahrern im Jahr 2015 ergab einen Durchschnitt von 29 Stunden für Frauen und 20 Stunden für Männer.

Auch steht im Gesetz nirgendwo, wie lange jemand lernen muss. Lernfahrerinnen und Lernfahrer können zur praktischen Prüfung beim Strassenverkehrsamt ihres Kantons antreten, sobald sie das Gefühl haben, bereit zu sein. Doch die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) empfiehlt 3000 Kilometer begleitete Übungsfahrten vor der Fahrprüfung. Das entspricht ungefähr 100 Stunden auf der Strasse.

Die bestandene Fahrprüfung allerdings bedeutet noch nicht das Ende des Prozesses. Denn dieser wird vorerst nur auf Probe abgegeben: Während drei Jahren müssen Neulenker jegliches schwerwiegende Fehlverhalten oder Alkoholkonsum vermeiden, wobei die Gefahr besteht, dass die Probezeit um ein Jahr verlängert wird oder dass bei gröberen Verstössen von vorn begonnen werden muss.

Nach Ablauf dieser Probezeit und einer zusätzlichen zweitägigen theoretischen Weiterbildung wird den Neulenkern schliesslich ein unbefristeter Führerschein ausgestellt.

Gesalzene Rechnung

Weil die Gebühren für die verschiedenen Kurse von Kanton zu Kanton unterschiedlich sind, ist es nicht möglich, einen Festpreis für die Erlangung eines Führerausweises in der Schweiz anzugeben. Die meisten Schätzungen kommen aber auf Kosten von etwa 3400 bis 3800 Franken, angenommen, jemand braucht 25 Fahrstunden.

Das Informationsportal des Bundes, ch.ch, hat eine Liste publiziert, welche die verschiedenen Kosten für Lernfahrerinnen und Lernfahrer auf dem Weg zum Führerausweis zusammenfasst.

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In einem internationalen Vergleich kam die Sendung 15 MinutesExterner Link des Westschweizer Radios und Fernsehens RTS letztes Jahr zum Schluss, dass der Schweizer Führerausweis der teuerste der Welt ist. Das teuerste Land nach der Schweiz ist Japan, mit Kosten von “nur ” etwa 3000 Franken.

Die hohen Kosten und der komplizierte Prozess könnten zu einem Teil erklären, warum die Jungen heute weniger interessiert an einem Führerausweis sind. Während 1991 noch 71% der 18- bis 24-Jährigen einen solchen besassen, fiel dieser Anteil über die Jahre auf heute rund 60%, schreibt das Bundesamt für StatistikExterner Link (BFS).

Reform in der Pipeline

Um den Führerausweis bei Junglenkern wieder attraktiver zu machen, hat das Bundesamt für Strassen (ASTRA) im April 2017 eine Revision der FahrausbildungExterner Link vorgestellt.

Unter den Vorschlägen:

Lernfahrausweis bereits ab 17 Jahren (heute 18)

Zwei Einzellektionen bei einem Fahrlehrer obligatorisch (heute keine)

Bestandene praktische Führerprüfung in einem Fahrzeug mit Automatik berechtigt auch zum Fahren von handgeschalteten Autos (heute zwei unterschiedliche Ausweise)

Lernfahrausweis unbeschränkt gültig (heute 24 Monate)

Unter 25-jährige Lernfahrerinnen und Lernfahrer brauchen mindestens ein Jahr Fahrpraxis mit dem Lernfahrausweis (heute kein Minimum)

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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