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BASF heizt Schweizer Chemieindustrie ein

Keystone

Riesenverluste, Zurückstufung im Rating, nicht verstummende Gerüchte: Der Basler Spezialitätenchiemie-Konzern Ciba fand nicht mehr aus der Krise. BASF erachtet Ciba als Konsolidierungsfall.

Mit dem Erwerb von Ciba baue BASF seine Spitzenposition in der Spezialitätenchemie aus, begründete Chef Jürgen Hambrecht die angepeilte Übernahme des Basler Konkurrenten.

Ciba ist einer der führenden Hersteller von Farbzusätzen und –pigmenten. Produziert wird in erster Linie für die Automobilindustrie sowie für die Kunststoff-, Papier-, Bau- und Textilbranche.

Was Hambrecht aber auch sagte: Ciba sei ein Restrukturierungs- und Konsolidierungsfall. Das sieht offenbar auch der Ciba-Verwaltungsrat so, denn Präsident Armin Meyer legte am Montag den Aktionären ans Herz, ihre Titel an BASF zu verkaufen, zu 50 Franken pro Aktie. Bedingung für die Übernahme ist, dass BASF mindestens zwei Drittel der Aktien übernehmen kann.

Strategie fehlgeschlagen

Zwei Gründe sind es vor allem, welche das Basler Traditionsunternehmen in den Abwärtsstrudel gebracht haben: Eine verfehlte Übernahmepolitik und steigende Rohstoffpreise. Die wachsende Konkurrenz aus Fernost trug das Ihrige dazu bei.

Mitte August schockierte Ciba die Anleger mit einem Halbjahresverlust von über einer halben Milliarde Franken (569 Mio.)

“Diese Transaktion basiert auf einem fairen Preis für unsere Aktionäre, offeriert von einem bevorzugten Eigentümer, um die zunehmenden Herausforderungen unserer Industrie zu bewältigen”, erklärte Ciba-Chef Meyer.

Zustimmung, aber auch Zweifel

Die Börse quittierte mit einem Kursanstieg von einem Viertel (Montagmittag). Auch für Kenner der Chemiebranche macht der Verkauf Sinn, zumindest aus Basler Sicht.

“Cibas Langzeitperspektiven sind als Teil einer grossen Einheit sicher viel besser”, sagte Martin Vögtli, Analyst bei der Bank Sal Oppenheim, gegenüber swissinfo.

Er erachtet das Übernahmeangebot in dieser Höhe für Ciba als vorteilhaft: “Wir gehen davon aus, dass Ciba den aktuellen Aktienkurs nicht mehr lange wird halten können”, so Vögtlis Begründung.

Mit Verkündung der Ciba-Übernahme kommt ein weiteres Basler Chemieunternehmen unter Druck: Clariant. Aus Sicht des deutschen Branchenprimus hätte ein Kauf des Ciba-Konkurrenten mehr Sinn gemacht, glaubt Martin Flückiger von der Investmentbank Helvea.

Vom aktuellen Entscheid zeigte er sich “einigermassen überrascht”, denn die Geschäftsfelder von BASF und Clariant seien sich viel ähnlicher.

Aus Ciba-Sicht mache der Deal aber Sinn. “Das Geschäft der Basler mit Zusätzen für die Herstellung von Farben und Lacken sowie Papier wird klar vom Zusammengehen mit BASF profitieren”, so Flückiger.

Wie viele Stellen kostet der Deal?

BASF beruhigte die Gemüter vorerst mit einem Bekenntnis zu Basel als bisherigem Ciba-Standort. Klar ist aber, dass die Übernahme Arbeitsplätze kosten wird. Wie viele das sein werden, ist gemäss Ciba-Sprecher Dominik Marbet aber noch unklar.

Der Verkauf von Ciba ist voraussichtlich der Endpunkt einer Strategie, die in den letzten Jahren nicht den erhofften Erfolg gebracht hat. Vor zwei Jahren reagierten die Basler mit einem drastischen Abbau auf das härter werdende Klima in der Chemiebranche.

Gemäss diesem Restrukturierungs-Programm werden bis nächstes Jahr 2500 Stellen gestrichen. Dennoch blieben Vorwürfe, dass Ciba – gerade im Vergleich mit Clariant – zu zögerlich auf die Krise reagiere.

In den letzten Monaten verstummte die Gerüchteküche nicht mehr. Ein Investor verlangte jüngst den Kopf von Armin Meyer als Verwaltungsratspräsident. Meyer hatte bereits auf Anfang Jahr sein Amt als CEO abgeben müssen.

Clariant nächster Übernahmekandidat?

Die Hektik ist nicht nur auf die Schweiz beschränkt. Im Juli übernahm Dow Chemicals den amerikanischen Hersteller von Spezialmaterialien Rohm and Haas.

Sal-Oppenheim-Analyst Martin Vögtli geht deshalb davon aus, dass es in der Branche zu weiteren Bewegungen kommen wird. Dabei denkt er ausdrücklich auch an Clariant.

“Die Konsolidierung auf dem Chemiesektor wird weitergehen. Die Zahl der Käufer ist zwar gesunken, aber ich würde nicht ausschliessen, dass Clariant einen ähnlichen Weg wie Ciba geht”, sagt Vögtli.

swissinfo, Matthew Allen und Renat Künzi

Ciba ging 1996 zusammen mit Novartis und Syngenta aus dem Zusammenschluss von Ciba-Geigy und Sandoz hervor.

Ciba Spezialitätenchemie stellt Produkte in den Sparten Kunststoffzusätze, Effektlacke und Wasser- und Papierbehandlung her.

Abnehmer sind die Automobilindustrie sowie die Textil-, Kosmetik-, Kunststoff- Bau- und Papierbranche.

Ciba steckt seit längerer Zeit in Schwierigkeiten. 2006 kündigte das Unternehmen den Abbau von 2500 Stellen bis 2009 an.

Es war die vierte Restrukturierung innerhalb von fünf Jahren. Aktuell zählt Ciba 13’000 Mitarbeitende.

Die Krise äussert sich auch in der Führung. Am 1. Januar trat Armin Meyer als CEO zurück. Er behielt aber das Präsidium des Verwaltungsrats inne.

BASF ist laut eigenen Angaben Weltmarktführer in Sachen Chemie.

Der Konzern zählt 95’000 Mitarbeitende in über 170 Ländern.

Im ersten Halbjahr 2008 erzielte BASF einen Umsatz von 32 Mrd. Euro, 10% mehr als in der Vorjahresperiode. Beim Nettogewinn von 2,5 Mrd. Euro legte BASF gar um 20% zu.

2006 kaufte BASF bereits das US-Unternehmen Engelhard.

swissinfo.ch

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