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Chinesische Heilkunst boomt in der Schweiz

Schröpfen, Massagen, Kräuter und natürlich Akupunktur: die Therapieformen in der chinesischen Medizin. (Foto: TCM International) TCM International

Die chinesische Medizin erobert zusehends Schweizer Spitäler. Immer häufiger verlangen Patienten nach alten fernöstlichen Heilmethoden, um Rückenschmerzen, Asthma, Allergien oder andere chronische Krankheiten zu behandeln.

Um mit chinesischen Fachärzten sprechen zu können, stehen Dolmetscher zur Verfügung.

Gemäss einer Statistik aus dem Jahr 2001 der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften wünschen sich 58 Prozent der Bevölkerung ein grösseres Angebot im Bereich der alternativen Medizin.

Einige Spitäler haben ihr Misstrauen gegenüber den fernöstlichen Heilmethoden abgelegt und versuchen, die “sanfte Medizin” in ihr Angebot aufzunehmen. Im allgemeinen Wettbewerb um Patienten kann ein Spital auf diese Weise seine Attraktivität erhöhen.

Diesen Trend bestätigt Jean Pierre Jubin, Verwalter der Klinik Permanence Médicale in Genf. “Gegenüber anderen alternativen Heilmethoden hat die chinesische Medizin den grossen Vorteil, über Generationen vererbt und an Milliarden von Menschen ausprobiert worden zu sein. Uns haben aber auch ganz praktische Aspekte überzeugt”, sagt Jubin gegenüber swissinfo.

Chinesische Medizin wird vor allem von Orthopäden empfohlen, doch angesichts der Heilungserfolge werden auch zunehmend andere Krankheiten behandelt.

TCM International als Vorreiter

In der deutschen Schweiz betreibt die TCM International 7 Zentren für Traditionelle Chinesische Medizin. Sie ist die Exluvisvpartnerin des Staatsministeriums für TCM von China. Schulmedizinische Partner vor Ort sind Privatkliniken, in 3 Städten ist die Hirslanden Holding, wie z.B. im TCM Hirslanden Bern. In diesem Zentrum arbeiten 2 chinesische TCM-Spezialisten.

Die chinesischen Ärzte verfügen über eine zeitlich begrenzte Aufenthaltsbewilligung, die von einem Jahr bis zu maximal vier Jahren gültig ist. Um für diese Tätigkeit ausgewählt zu werden, müssen die Arzte mindestens über 10 Jahre Praxiserfahrung in einem chinesischen Universitätsspital verfügen.

Während ihrer Tätigkeit in der Schweiz können die chinesischen Ärzte auch reisen und andere europäische Länder besuchen. Sie können häufig auch etwas Geld sparen. Dies ermöglicht ihnen, sich nach ihrer Rückkehr ein Haus zu kaufen oder eine Altersversicherung abzuschliessen.

Ein chinesischer Arzt ist kein Magier

Die chinesische Medizin geht im Vergleich zur traditionellen westlichen Schulmedizin von vollkommen unterschiedlichen Voraussetzungen aus. Zentral ist die Wurzel aller Energie, das so genannte Qi. Harmonie und Gleichgewicht hängen vom gleichmässigen und ununterbrochenen Fluss des Qi ab. Qi fliesst entlang der sogenannten Meridiane und verbindet alle inneren Organe miteinander.

Diese Jahrhunderte alte Betrachtungsweise übt auf den westlichen Patienten eine Faszination aus, die ans Magische grenzt. Dies bestätigt eine Geschichte, die Marie Louise Lagger, die Verwaltungschefin des TCM Zentrums in Bern, erzählt:

“Die Leute, die zu uns in die Behandlung kommen, sind meistens schon über die traditionelle chinesische Medizin orientiert. Aber es kam schon vor, dass sich Patienten weigerten, ihre Leiden zu schildern, weil sie der Ansicht waren, dass die chinesischen Ärzte dies mit ihren Methoden heraus finden müssten, ohne die jeweiligen Symptome zu kennen.”

Vermittler zwischen Kulturen

Bei einem Besuch im TCM Zentrum von Bern und der Beobachtung einer Visite von Doktor BI Xuwei kann man sich schnell vergewissern, dass ein tiefgehendes Gespräch mit dem Patienten die Grundlage für jede Diagnose und Therapie darstellt. Doktor BI stellt viele Fragen, die auch ein traditioneller Schulmediziner stellen würde. Gibt es Schlaf-, Ess- oder Verdauungsstörungen?

Doch es gibt einen Unterschied: Doktor BI weist die Dolmetscherin an zu sagen, dass der Arm auf ein Kissen gelegt werden muss, um den Puls zu kontrollieren. Dann kommt die Anweisung, erneut via Dolmetscherin, die Zunge heraus zu strecken. An der Farbe und weiteren Merkmalen wird festgestellt, ob der Körper im Gleichgewicht zwischen kalt und warm ist.

Das Gespräch zu Dritt, mit Dolmetscherin, ist sehr detailliert. Manche Fragen erfordern sehr lange Antworten. Die Dolmetscherin versucht ihr Bestes, um Missverständnisse zu vermeiden.

Depression in der Schweiz, Bronchitis in China

Während Doktor BI der Patientin eine Nackenmassage Tui-Na verabreicht, wird er gefragt, welche Unterschiede er in der Schweiz im Vergleich zu seinem Heimatland festgestellt hat.

“In der Schweiz gibt es mehr allergische Krankheiten und Depressionen. Die alten Menschen haben häufig Gewichtsprobleme”, antwortet er. In China sei Übergewicht hingegen eher ein Problem der Jungen.

In seiner Heimatprovinz, im Norden, sei es häufig kalt. Dies führe zu vielen Atemwegserkrankungen, zu Missbrauch von Alkohol und einem übermässigen Fleischkonsum, was wieder Herz-Kreislauf-Probleme zur Folge habe. Fazit: Jedes Land hat seine eigenen Übel.

swissinfo, Raffaella Rossello
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

In der Schweiz gibt es acht TCM-Zentren für traditionelle chinesische Medizin:

Bad Ragaz, Freihof Baden, Basel, Bern, Aarau, St.Moritz, Cham und Zürich

Weitere Zentren sollen geöffnet werden

Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es mindestens 40 Erkrankungen, bei deren Heilung die chinesische Medizin eine grosse Hilfe darstellen kann.

Eine Umfrage der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaft aus dem Jahr 2001 hat aufgezeigt, dass sich 58 Prozent der Bevölkerung ein grösseres Angebot im Bereich der alternativen Medizin wünschen.

Alle Ärzte, die in den Zentren für traditionelle chinesische Medizin tätig sind, haben auch eine Grundausbildung in westlicher Schulmedizin hinter sich. Die Zentren stehen allesamt unter schulmedizinischer Leitung.


Die Grundversicherung der Krankenkasse bezahlt eine chinesische Behandlung nur, wenn der Arzt beziehungsweise die Ärztin über das Zertifikat ASA verfügt (Assoziation Schweizer Ärztegesellschaften für Akupunktur und chinesische Medizin).

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