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Abenteuer All: eine schwierige und kostspielige Sache

Reuters

Mit seinem Mitte März lancierten Projekt könnte das Schweizer Unternehmen S3 schon bald zum kleinen Kreis jener gehören, die Satelliten in den Weltraum befördern. Ein Markt, der wächst und 2020 die 50-Milliarden-Dollar-Grenze überschreiten wird.

In den heroischen Zeiten des Wettlaufs zum Mond waren die Dinge einfach: Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges konnte eine Rakete, die ins All geschossen werden konnte, nur entweder sowjetisch oder amerikanisch sein. Die Kommunisten hatten ihre Raketen, die freie Welt ihre eigenen – und im Hintergrund zogen die Militärs mehr oder weniger die Fäden.

Ein halbes Jahrhundert später fliegt die angesehene Sojus-Rakete unter der Flagge Europas, das seine Satelliten auch einer indischen oder sogar chinesischen Trägerrakete anvertrauen kann. Die Besatzungen der Internationalen Raumstation ISS können nur noch von einer russischen Rakete hochtransportiert werden und die privaten Netzwerk-Betreiber lassen ihre Telecom-Satelliten vom preisgünstigsten Anbieter in die Umlaufbahn schiessen.

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Wie ein Satellit ohne Rakete in die Umlaufbahn kommt

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Ein Shuttle soll auf dem Rücken eines Airbus 300 transportiert und in 10 Kilometern Höhe vom Flugzeug abgestossen werden. Dann soll es seinen eigenen Antrieb zünden. Von dort soll der Shuttle auf 80 Kilometer Höhe hinaufsteigen, lediglich 20 Kilometer unter der Grenze des Weltalls. Von hier an übernimmt eine kleine Rakete den Transport und bringt…

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Im Juli 2000 wurde vom Weltraumbahnhof Baikonur sogar eine Proton-Trägerrakete gestartet, die mit einem riesigen Logo von Pizza Hut auffiel. Eine Rakete ist teuer, sie kostet je nach Grösse und Leistung zwischen 50 und 200 Millionen Dollar.

Und International Launch Services, das russisch-amerikanische Unternehmen, das seit 1995 diese schwere Trägerrakete bewirtschaftet, die ursprünglich dafür gebaut worden war, um einen Mann auf dem Mond die rote Flagge hissen zu lassen, konnte eine Million Dollar des US-Fastfood-Riesen schwerlich ausschlagen. Besonders deshalb nicht, weil ein Startversuch ein paar Monate zuvor misslungen war.

Krieg der Sterne

Dennoch wird der Weltraum noch nicht nur von den Gesetzen des Marktes beherrscht. “Die wichtigste Weltraumagentur der Welt ist nicht etwa die NASA. Es ist das amerikanische Verteidigungsministerium”, sagt Daniel Neuenschwander, der Chef der Schweizer Raumfahrtbehörde.

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Das Weltall ist näher als man denkt

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Was einmal ein Möbellager in der Industriezone neben dem Militärflugplatz Payerne war, ist heute ein 2000-Quadratmeter-Gebäude, vollgestopft mit modernster Ausrüstung. Um hineinzukommen, müssen mehrere Schranken passiert werden, dazu gehört auch eine Fingerabdruck-Identifizierung. Von hier aus will Pascal Jaussi, Chef des Unternehmens “Swiss Space Systems”, kurz S3, die Schweiz ins Weltall bringen – zumindest fast. swissinfo.ch:…

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So können es sich die Amerikaner heute noch erlauben, ihre zwei stärksten Trägerraketen Atlas und Delta im Wesentlichen für institutionelle Missionen zu reservieren.

“Institutionell” bedeutet hier nicht nur militärisch. Die Rakete Atlas V dient auch dazu, die Sonden der NASA in Richtung Mars und den Rest des Sonnensystems abzuschiessen. Und nichts spricht dagegen: Seit Beginn des 21. Jahrhunderts transportierten 30 von 48 erfolgreich abgeschossenen Atlas- und Delta-Raketen Telekommunikations-, Wetter- oder Überwachungs-Satelliten, die von der Armee oder dem ein oder anderen Geheimdienst von Onkel Sam gechartert wurden.

Diese Verbindung zwischen Militär und Raketen (die schliesslich alle von der V2-Rakete der Nazis abstammen) ist in China noch enger, wo das ganze Weltraumprogramm vom Verteidigungsministerium abhängt. “2012 waren es übrigens die Chinesen, die am meisten institutionelle Abschüsse realisiert haben”, betont Neuenschwander.

Vor dem Abschuss wiegt die schwerste europäische Rakete über 700 Tonnen, davon machen Treibstoffe 90% aus.

Eine Minute nach dem Start ist die Rakete 7,5 km über Boden und fliegt erst mit 720 km/h.

2 Minuten und 20 Sekunden nach dem Start hat sie bereits zwei Drittel des Weges hinter sich, der die Erdoberfläche vom Weltall trennt.

Auf 66 km Höhe fliegt sie mit 7400 km/h und wirft ihre 3 Feststoff-Raketen ab.

Nach 9,5 Minuten befindet sie sich in einer Höhe von 147 km und fliegt mit 28’033 km/h. Sie hat die Erdanziehung überwunden und stösst ihre Hauptstufe ab.

Nach Erlöschen der zweiten Stufe hat sie eine Geschwindigkeit von 33’000 km/h erreicht. In nur einer halben Stunde hat die Ariane all ihren Treibstoff verbraucht.

Je nach Erdumlaufbahn kann sie Satelliten zwischen 2 und 20 Tonnen ins All bringen.

Russland, das sein Erbe der glorreichen Jahre im Weltall nach dem Zusammenbruch der UdSSR gemeinsam mit der Ukraine teilen muss, will nach einigen fehlgeschlagenen Starts wieder ins All vordringen. Mitte April gab Präsident Putin die Gründung eines Weltraum-Ministeriums und Investitionen von 40 Milliarden Euro bis 2020 bekannt. Ein Manna, von dem nicht nur zivile Anbieter profitieren dürften.

Auch wenn die Zusammenarbeit zunimmt und sich laut Neuenschwander noch verstärken muss, wenn der Mensch wirklich auf den Mars und noch weiter will, so ist dennoch jedes Mitglied des Weltall-Klubs um sein eigenes Image besorgt.

“Das Weltall ist immer noch eine Frage des Prestiges”, sagt Anton Ivanov, wissenschaftlicher Mitarbeiter Swiss Space Center, der an “CHEOPS” arbeitet, dem künftigen Schweizer Weltall-Teleskop.

Krieg der Preise

Es geht um Prestige, aber natürlich auch ums Geschäft. Die kommerzielle Nutzung des Weltraums beginnt 1965 mit Intelsat I, dem ersten privaten Telekommunikations-Satelliten. 1979 steigt Ariane, die erste europäische Trägerrakete, in die Höhe, und im Jahrzehnt darauf öffnet sich der Markt.

Sogar die zurückhaltende Sowjetunion entscheidet sich 1985 dazu, “kapitalistische” Satelliten ins All zu schiessen. Wer heute einen Satelliten ins All schicken will, kann nebst amerikanischen, russischen und europäischen auch zwischen indischen, japanischen, ukrainischen, südkoreanischen oder chinesischen Raketen auswählen.

Hier hat die Flagge kaum mehr Bedeutung. Was vor allem zählt, ist “dass die Trägerrakete die Bedürfnisse der Mission erfüllt, sie zuverlässig ist und der Preis stimmt”, fasst Daniel Neuenschwander zusammen. Mit anderen Worten: man muss nicht mehr die 700 Tonnen einer Ariane V mobilisieren, um einen ein Tonnen schweren Satelliten in die erdnahe oder niedrige Erdumlaufbahn zu bringen. Ebenso wählt man eine Rakete, die nicht bereits beim Start zu explodieren droht.

Jedes Objekt, das in die Luft gebracht wird, kommt wegen der Erdanziehungskraft wieder zurück zur Erde. Um einen Satelliten dazu zu bringen, um die Erde zu kreisen, muss er eine Geschwindigkeit von mindestens 28’000 km/h erhalten.

Beim gegenwärtigen Stand der Technik ist dies lediglich mit einer mehrstufigen Rakete möglich, die beim Start sehr schwer ist und während des Fluges immer leichter wird, während sie schrittweise Trägerraketen und Stufen abstösst.

Je nach Leistung kann eine Rakete Satelliten in die folgenden drei Erdumlaufbahnen transportieren:

Erdnahe oder niedrige Erdumlaufbahn (200 bis 2000 km): Die Zone zwischen der Erdatmosphäre und dem Van-Allen-Strahlungsgürtel, der die Erde vor Sonnenwinden schützt. In ihr befindet sich die Mehrzahl der Überwachungs-, Wetter- und Erdbeobachtungs-Satelliten wie auch die Internationale Raumstation ISS.

Mittlere Erdumlaufbahn (2000 bis 35’000 km): In dieser Zone befinden sich vor allem Navigations-Satelliten wie das GPS der USA, das russische System Glonass und bald das europäische Galileo.

Geostationäre Erdumlaufbahn (35’786 km): Auf dieser Höhe bewegt sich ein Objekt genau gleich schnell wie die Erde. Vom Boden aus beobachtet wirkt es daher stationär. Diese Höhe wird für Telekommunikations- und TV-Satelliten bevorzugt.

Die Zuverlässigkeit macht die Stärke des Europäischen Raumfahrtkonzerns Arianespace aus. Auch wenn dessen drei Raketen Ariane, Sojus und Vega relativ teuer sind, sind sie zusammen doch führend bei den kommerziellen Raketen. 2012 hat das Unternehmen 10 Starts durchgeführt, was 55% des freien Marktes abdeckt. Und für 2013 hat Arianespace 60% der neuen Aufträge geholt.

Die Konkurrenz aber schläft nicht. 2002 hat der in Kalifornien wirkende südafrikanische Unternehmer Elon Musk, der mit dem Internet Zahlungssystem PayPal ein Vermögen gemacht hat, “SpaceX” gegründet. Dieses versprach, den Preis pro Tonne, die ins Weltall befördert wird, um mehr als 20% zu reduzieren.

Nach drei Fehlschlägen in Folge schoss seine Rakete Falcon 2009 den ersten Satelliten ins All. Drei Jahre später konnte sein automatisches Frachtsystem Dragon erfolgreich an der ISS andocken. Ein Erfolg, der bereits einige Male wiederholt werden konnte. Beweis genug, dass dieser Neueinsteiger einen langen Schnauf hat.

Ein Kleiner unter Grossen

Und wo steht das Schweizer Unternehmen S3 in diesem Umfeld? Natürlich kann die Firma nicht mit den Grossen dieses Sektors konkurrieren. Der Newcomer schlägt ein System vor, das Satelliten bis 250 Kilogramm in die niedrige Erdumlaufbahn bis maximal 700 Kilometer Höhe transportieren kann.

Ein Nischenmarkt? “Es ist wahr, dass die meisten Satelliten schwerer sind”, gibt Anton Ivanov zu. “Doch mit den Fortschritten bei der Miniaturisierung und der Entwicklung von Fernerkundungs-Satelliten wird es immer mehr davon im Bereich zwischen 200 und 300 Kilo geben. ‘CHEOPS’ zum Beispiel wird genau 250 Kilogramm wiegen.”

Sollte S3 es schaffen, konkurrenzfähig zu sein, “wird das viele Möglichkeiten eröffnen, weil dann jedes Land seinen Weltraumbahnhof haben könnte. Es braucht dazu lediglich einen Flughafen und keine schweren Infrastrukturen wie in Cape Kennedy, Kourou oder Baikonur. Es könnte also funktionieren. Vielleicht wird das zu einer neuen Nische für die Schweiz”, so der russische Wissenschaftler.

(Übertragung aus dem Französischen: Gaby Ochsenbein und Christian Raaflaub)

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