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Das Lampenfieber des Jungstars vor der Quartz-Nacht

Nach dem Velo kommt ein Pferd, kein Auto: Kacey Mottet Klein, die Entdeckung aus "Home".

Am Samstagabend steigt in Luzern die Nacht des Schweizer Films. Dem Höhepunkt mit der Vergabe der Filmpreise Quartz fiebert auch Kacey Mottet Klein entgegen: Der 10-Jährige ist nominiert in der Kategorie bester Nachwuchsschauspieler.

Mikrofone sind für Kacey nichts Neues. Für ihn sind es die Dinger, die bei den Dreharbeiten an einem Galgen hängen. Sollte er aber am Samstagabend im Luzerner Kultur- und Kongresszentrum (KKL) den Quartz als bestes Nachwuchstalent gewinnen und vor einem Mikrofon stehen, dann wäre das was ganz Neues für ihn. “Ich bin total gestresst”, gibt er einige Tage vor der Gala unumwunden zu.

Im Wohnzimmer seines Elternhauses in Bussigny-près-Lausanne gesteht er mit dem Ernst eines Zehnjährigen, dass er eine Rede vorbereiten wird. Und die Kleiderfrage ist auch schon gelöst – “Anzug mit Krawatte”.

“Einen Anzug hatte ich bereits, doch wir mussten einen neuen kaufen, der alte war zu klein. Das ist das Lästige am Kino, es kostet und kostet…”, erzählt Kacey, dem der Erfolg ganz offensichtlich nicht in den Kopf gestiegen ist.

Er ist weit davon entfernt, der Scheinwelt des Kinos zu erliegen und findet es geradezu “peinlich”, sich auf einer grossen Leinwand zu sehen. Er schätzt, dass er noch viel lernen muss. Die Schauspielerei ist für ihn ohnehin nur zweite Wahl. Im Moment träumt er eher davon, Pilot zu werden.

Unheilvolle Turbulenzen

Als Kacey 2006 beim Lausanner Marathon seinem Bruder zuschaute, entdeckte ihn eine Produzentin im Publikum. Der erste Kontakt mit der Welt des Films war also Zufall. “Natürlich hat es uns gefreut, doch uns war wichtig, dass Kacey Freude an dieser Arbeit hat”, unterstreicht Serge Péclard, sein Adoptivvater. Sein richtiger Vater, ein Amerikaner, kehrte nach Florida zurück.

Von ihm hat er seinen Vornamen geerbt – der ein bisschen nach Hollywood klingt. Aber Kacey verwirft jeden Gedanken an die Traumstadt: “Ich bin doch nicht Robert de Niro!” Der Bezug zum Kino ist jedoch da. Seine Lieblingsschauspieler sind Sean Penn, Tom Cruise, Leonardo di Caprio oder auch Woody Allen.

Mit seinem Talent und seiner Präsenz beherrscht er in “Home” die Leinwand, die er zusammen mit Isabelle Huppert und Olivier Gourmet teilt. Er spielt mit einer erfrischenden, stupenden Natürlichkeit den kleinen mutigen Jungen, der hilflos zuschauen muss, wie seine Familie am Rande der höllischen Autobahn in unheilvolle Turbulenzen gerät und daran zu ersticken droht – und mit ihr das Kinopublikum.

Kacey gesteht, dass er im Film nicht alles verstanden hat, doch das werde sich ändern, wenn er älter werde, meint er bescheiden. Bis es soweit ist, schwärmt er voller Enthusiasmus von den Dreharbeiten.

Dreh im armen Bulgarien

Der Nachwuchs-Schauspieler war sehr beeindruckt von den “echten” Schauspielern, die zuweilen mehrere Filme gleichzeitig drehten. Er fand es auch witzig mitzuerleben, wie Spezialeffekte eingesetzt wurden. Und er musste all seinen Mut zusammennehmen, als es darum ging, durch eine Röhre zu kriechen, worin viele Spinnen hausten.

Ein andere unangenehme Erinnerung? Die Kakerlaken im Hotel und die Armut in Bulgarien, wo Home gedreht wurde. Auch wenn er stolz die Länder aufzählt, in denen er bereits war – mehr als zehn – spricht er mit viel Empathie von jenen Leuten, die “dort leben müssen, wo es nicht einmal einen Fussboden hat”.

Der Mensch ist vorerst für Kacey noch ein rätselhaftes Wesen. “Ich ziehe die Tiere den Menschen vor. Ich finde, sie sind intelligenter, auch wenn sie weder Mathematik noch Französisch können. Sie töten auch nicht aus Spass, sondern um zu fressen”, moralisiert er und präzisiert, dass er seit drei Jahren Vegetarier sei, obwohl er eigentlich Fleisch gerne mag.

Gainsbourg als Kind

Eigentlich ist Kacey ein Autofan, doch mit seiner “Gage” will er sich später ein Pferd kaufen, denn das Reiten ist seine grosse Leidenschaft. Im Moment ist es ihm aber aus beruflichen Gründen verboten. Der junge Waadtländer dreht nämlich einen neuen Film, dieses Mal in Paris.

Beeindruckt von seiner Leistung in Home, hat ihm der Drehbuchautor und Comiczeichner Joann Sfar in seinem biographischen Spielfilm über Serge Gainsbourg die Rolle des legendären Musikers und Poeten als Kind anvertraut. Mit von der Partie sind auch Anna Mouglalis, Laetitia Casta, Philippe Katerine und Yolande Moreau. Voraussichtlicher Filmstart ist 2010.

Wiederum musste Kacey einige Wochen in der Schule fehlen, was ihm jedoch nicht sonderlich viele Sorgen bereitet. Er weiss nämlich, dass er von einer lückenlosen logistischen Unterstützung profitieren kann. Nebst einem privaten Lehrer und einem Coach kann er während der Dreharbeiten abwechslungsweise auf die Unterstützung des Stiefvaters, der Mutter, Grossmutter und Geschwister zählen.

Nicht abgehoben

Er musste sich – sehr zu seinem Bedauern – von seinen blonden Haaren trennen und diese braun färben lassen. Und den Schweizer Akzent galt es auch auszumerzen. Seine helle und schelmische Stimme hat nichts von der einzigartigen Frische verloren. Sein Stiefvater spricht von einer “Kino-Stimme, die viel spitzer ist als seine normale.”

Schauspielerische Angeberei liegt Kacey fern. Mit seinen zehn Jahren gerät er kaum in Versuchung, der Welt der Illusionen zu erliegen. Denn die Schauspielerei ist für ihn nicht einfach, sondern anstrengend und ziemlich ermüdend. “Nach diesem Film werde ich mich ausruhen. Wenn ich ein Angebot für einen weiteren Film erhalte, werde ich vielleicht ablehnen und für den drauffolgenden wieder zusagen”.

swissinfo, Carole Wälti
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Der Schweizer Filmpreis wurde 1997 ins Leben gerufen und 1998 das erste Mal in Solothurn vergeben.

Um dem Ganzen etwas mehr Glamour zu verleihen, wurde die Gala in das Kongress- und Kulturzentrum Luzern (KKL) von Stararchitekt Jean Nouvel verlegt. Die Preisverleihung wird von den nationalen Fernsehanstalten direkt übertragen.

Der Filmpreis soll das nationale Filmschaffen fördern.

Die nominierten Filme und Schauspieler wurden an den letzten Solothurner Filmtagen im Januar bekanntgegeben.

Der Schweizer Filmpreis wird dieses Jahr erstmals in Luzern vergeben, und zwar in zehn Kategorien: Bester Film, bester Dokumentarfilm, bester Kurzfilm, bester Trickfilm, beste Darstellerin, bester Darsteller, bestes Nachwuchstalent, bestes Drehbuch, beste Filmmusik sowie Spezialpreis der Jury.

Happy New Year von Christoph Schaub ist mit vier Nominationen der Favorit. Der Film, der an einem 31. Dezember in Zürich spielt, ist für einen Quartz nominiert in den Kategorien bester Spielfilm, bestes Drehbuch, bester Schauspieler (Nils Althaus) und beste Musik.

Home von Ursula Meier hat drei Nominationen. Der Film ist im Wettbewerb um einen Quartz in den Kategorien bester Spielfilm und bestes schauspielerisches Nachwuchstalent nominiert.

Tandoori Love von Oliver Paulus ist ebenfalls für einen Quartz in der Kategorie bester Spielfilm nominiert.

La Forteresse von Fernand Melgar, Au loin des villages von Olivier Zuchuat, Giù le mani von Danilo Catti, No more smoke signals von Fanny Bräuning und The Beast Within d’Yves Scagliola steigen ins Rennen für den Quartz in der Kategorie bester Dokumentarfilm.

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