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Delegierter für Mehrsprachigkeit: Kniffliger Job

Der Bund will bei den Anteilen der Amtssprachen wegweisend sein. Keystone

Seit Anfang Juli ist der erste Delegierte für Mehrsprachigkeit im Amt: Vasco Dumartherays Aufgabe ist es, in der Bundesverwaltung einen grösseren Ausgleich zwischen den vier Sprachgruppen zu erzielen.

Auf ihn warte ein herausfordernder Job, sagt Vasco Dumartheray im Gespräch mit swissinfo.ch. Seine primäre Aufgabe ist es, den Anteil der französisch- und italienischsprachigen Vertreter in der Bundesverwaltung zu fördern.

Die neuen gesetzlichen Bestimmungen, die seit 1. Juli in Kraft sind, umfassen erstmals genaue Quoten, wie hoch die Anteile der Bundesangestellten aus jeder der vier Sprachregionen sein sollten.

Entsprechend der Anteile an der Gesamtbevölkerung sollten demnach 70% aus der deutschsprachigen Schweiz stammen, 22% aus der französischsprachigen Westschweiz, sieben Prozent aus dem italienischsprachigen Süden sowie ein Prozent aus den romanischsprachigen Teilen des Graubündens.

Über alle Departemente gesehen sind die anteilmässigen Vorgaben heute schon generell erfüllt, so die Direktion des Eidgenössischen Personalwesens. Nimmt man aber einzelne Departemente unter die Lupe, sind dort die Angestellten deutschsprachiger Zunge überproportional vertreten.

Auffällig ist ebenfalls, dass in einigen Bereichen französisch- und italienischsprachige Spitzenbeamte gänzlich fehlen. Im Finanz- sowie Armeeministerium figuriere unter den jeweils zehn Top-Beamten kein Vertreter aus der West- und Südschweiz, moniert die französischsprachige Wochenzeitung Hebdo.

swissinfo.ch: Ist die Übervertretung deutschsprachiger Beamter in der Bundesverwaltung ein Fall von sprachlicher Diskriminierung?

Vasco Dumartheray: Nein, aber es ist ein ernstzunehmendes Problem. Ein Fazit der kürzlich durchgeführten Studie des Schweizerischen Nationalsfonds ist es, dass der Anstellungsprozess dabei die grösste Rolle spielt. Und das wiederum löst grosse interne Diskussionen aus.

Konkret ist es so, dass ein deutschsprechender Chef in der Regel Deutschsprachige anstellt, ein französischsprachiger Chef einen Französischsprachigen etc..

Diesen verhängnisvollen Zirkel zu durchbrechen wird nicht einfach sein, denn der Mechanismus ist unbewusst. Es gibt nie einen vorsätzlichen Willen, eine Sprachgruppe zu diskriminieren.

Das Rezept heisst Kommunikation. Wir müssen die Menschen stärker für das Problem sensibilisieren, indem wir direkt mit denjenigen sprechen, die in den Anstellungsprozess involviert sind. Wir müssen erst ihre Sicht kennenlernen. Dann können wir Vorschläge für Veränderungen machen.

swissinfo.ch: Man hört oft das entschuldigende Argument, gerade für Kaderstellen sei kein ausreichend qualifizierter Bewerber aus den anderen Sprachregionen zu finden gewesen. Das trifft insbesondere auf den italienischsprachigen Landesteil zu. Was halten Sie davon?

V.D.: Eventuell sind aus der Südschweiz tatsächlich weniger qualifizierte Bewerbungen eingegangen als aus der Deutschschweiz.

Aber es ist eine Frage der kritischen Masse. Von zehn Bewerbungen stammen sieben oder acht von Deutschschweizern, zwei von Romands und eine von einem Italienischsprechenden.

Wir müssen den Anstellungsprozess so ändern, dass Italienischsprachige Bewerber ihr Dossier in ihrer Muttersprache einreichen können. Auch die Bewerbungsgespräche sollten sie in der Muttersprache führen können. Das ist heute noch nicht immer der Fall.

Für die Auswahl haben wir während einiger Jahre Personal an den Universitäten gesucht. Jetzt müssen wir zielgerichteter rekrutieren. Wir müssen die Qualitäten und Stärken eines Postens in der Bundesverwaltung besser herausstreichen. Oft dominiert noch das alte Klischee des trägen Verwaltungsapparats. Doch in jüngster Zeit hat sich vieles geändert.

swissinfo.ch: Noch einmal zur italienischen Sprache: Wieso hört man sie in der Verwaltung so selten?

V.D.: Man braucht sich nur im Parlament herum zu hören: Politiker aus der Südschweiz sprechen Deutsch oder Französisch. In der Verwaltung dasselbe: Viele italienischsprachige Beamte kommunizieren auf Deutsch oder Französisch, weil sie fürchten, dass die Kollegen sie sonst nicht verstehen.

Es ist meine Aufgabe, den Anteil der italienischsprachigen Beamten zu erhöhen. Wir können in der Verwaltung mehr Südschweizer anstellen und sie ermuntern, sich in Sitzungen und im Mailverkehr in ihrer Muttersprache zu äussern.

Die meisten sind hier noch sehr zurückhaltend, aber aufgrund des neuen Gesetzes wird sich dies ändern.

Gleichzeitig müssen die deutsch- und französischsprechenden Kollegen ihre Italienischkenntnisse verbessern. Ich bin überzeugt, dass diese aus beruflichen Gründen vermehrt Italiensch lernen.

swissinfo.ch: Was halten Sie von Englisch? Ist die Verwendung von Englisch ein Tabu oder ein Zeichen von Faulheit im Arbeitsumfeld?

V.D.: Nein. Für einige ist es schon sehr gebräuchlich. Für einige Bereiche ist Englisch sogar unverzichtbar, etwa wenn wir an den Internetbereich denken.

Zahlreiche Menschen lernen Englisch. Aber es sollte nicht auf Kosten der offiziellen Landessprachen gehen. Genau das ist aber leider manchmal der Fall.

Es ist wichtig, dass die Landessprachen die Arbeitssprachen der Bundesverwaltung bleiben. Gleichzeitig müssen die Behörden auch in Englisch kommunizieren. Dem darf man sich nicht entgegen stellen.

Simon Bradley, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Der 52-jährige Vasco Dumartheray wuchs in Genf auf, wo er politische Wissenschaften studierte.

Er stammt aus einer Familie mit Wurzeln in der Schweiz, Brasilien und Frankreich und ist mit einer italienischsprachigen Tessinerin verheiratet.

Er war Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in El Salvador und Libanon sowie vom Schweizerischen Roten Kreuz und vom Bundesamt für Migration.

In den letzten zehn Jahren war er in der Bundesverwaltung, in der Bundeskanzlei und im Eidgenössischen Personalwesen tätig.

Dort war er zuletzt als Berater für Mehrsprachigkeit auch für Aus- und Weiterbildungen verantwortlich.

Landessprachen
Deutsch 63.7%
Französisch 20.4%
Italienisch 6.5%
Romanisch 0.5%

Andere Sprachen
Serbo-Kroatisch 1.4%
Albanisch 1.3%
Portugiesisch 1.2%
Spanisch 1.1%
Englisch 1.0%
Türkisch 0.6%
Tamilisch 0.3%
Arabisch 0.2%

(Quelle: Volkszählung 2000)

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