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Der erste Film über Henry Dunant

Emilie Dequenne und Thomas Jouannet (Henry Dunant) bei den Dreharbeiten in Österreich. David Koskas

Der Fernsehfilm über Henry Dunant ist noch nicht fertig, und schon haben sich 20 Fernsehstationen die Ausstrahlrechte für die Produktion gesichert.

“Du rouge sur la croix” des Westschweizers Dominique Othenin-Girard ist das erste Filmprojekt, das sich dem grossen Genfer widmet und nicht scheitert.

“Seit mindestens 20 Jahren wird nun schon von einem Film über Henry Dunant gesprochen. In der Schweiz haben sich verschiedene Filmemacher, unter anderen auch Claude Goretta, dafür interessiert. Die zahlreichen Projekte wurden jedoch nie umgesetzt”, stellt der Film-Produzent André Martin vom Westschweizer Fernsehen fest.

Dabei wäre das bewegte Leben des Genfers ein idealer Stoff für einen Film: Nach einer schwierigen Schulzeit stürzt sich der Sohn aus gutem, calvinistischem Hause in eine strenge Religiosität und gründet diverse christliche Vereinigungen.

Später entdeckt er im Dienst der “Gesellschaft der Schweizer Kolonien von Setif” Algerien. Das Land zieht ihn in den Bann. Er gründet dort ein eigenes Unternehmen, dessen Aktienkapital 1859 1 Mio. Franken erreicht.

Entsetzen in Solferino

Im selben Jahr führen ihn seine Geschäfte am Schlachtfeld in der Nähe des Städtchens Solferino vorbei, wo sich kurz zuvor die Armeen der Franzosen, der Italiener und der Österreicher gegenüber gestanden haben.

Noch immer liegen Verwundete, Sterbende und Tote auf dem Schlachtfeld. Zutiefst erschüttert schiebt Henry Dunant seine Geschäfte beiseite und richtet spontan behelfsmässige Krankenhäuser ein, um den Verwundeten Hilfe zu leisten.

Er lässt es jedoch nicht dabei bewenden und lanciert die Idee, dass alle Länder auf Basis eines internationalen Abkommens neutrale Hilfsorganisationen gründen sollten, die sich mit Hilfe von qualifizierten Freiwilligen um Verwundete auf Schlachtfeldern kümmern.

Einige Jahre später wird das “Internationale Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege” in Genf gegründet, das künftige Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), Dunants Lebenswerk.

Die Misere und der Nobelpreis

In der Folge lanciert Henry Dunant ohne grossen Erfolg eine Vielzahl von Projekten. Gleichzeitig läuft sein Unternehmen in Algerien schlecht. 1868 muss er Konkurs anmelden und wird darauf in Genf wegen betrügerischen Konkurses verurteilt. Deswegen wird er auch aus dem IKRK, seinen christlichen Vereinigungen und der Genfer Gesellschaft überhaupt ausgeschlossen.

Eine späte Rehabilitierung erreicht den inzwischen verarmten und sozial isolierten Dunant 1901: Er erhält für die Gründung des Roten Kreuzes und die Initiierung der Genfer Konvention den ersten Friedensnobelpreis.

Vielleicht ist es gerade diese Fülle von Ideen in dem bewegten Leben von Dunant, an denen die vielen Kino-Projekte über den grossen Genfer bisher gescheitert sind.

Gut dotiertes Budget

Der Westschweizer Regisseur Dominique Othenin-Girard hat sich dagegen entschieden, nur einen Ausschnitt aus Dunants Leben zu zeigen, die entscheidenden fünf Jahre nämlich vor der Gründung des IKRK.

Die Dreharbeiten zu “Rot auf dem Kreuz” in Österreich, Genf und Algerien sind abgeschlossen, Othenin-Girard arbeitet zurzeit an der Montage des Films und bereits haben über 20 nationale Fernsehstationen die Ausstrahlungsrechte für den Film erworben.

Mit einem Budget von 9 Mio. Franken ist die Fernsehproduktion ausserordentlich gut dotiert. Der Film wird von France2, dem Westschweizer Fernsehen, dem algerischen Fernsehen und den österreichischen Pale Blue Productions koproduziert und von der Europäischen Fernseh- und Rundfunk-Union (EBU) unterstützt – eine Premiere für einen Spielfilm.

Ein Modell für andere Koproduktionen

“Es wird ein sehr persönlicher Film, dem wichtige Mittel zur Verfügung stehen. Er zeigt das Entsetzen des Krieges, ohne diesen zu zeigen”, erklärt Eva Vercel, die französische Produzentin des Films.

“Es ist mir gelungen, die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der sich verändert und mit seiner Fähigkeit zum Mitgefühl auch die Welt verändert”, bestätigt Dominique Othenin-Girard seinerseits.

Eine andere Qualität des Films ist laut Philippe Jacot von der EBU, dass er zu keinem “Euro-Pudding” wurde. Die vielen Produzenten aus diversen Ländern hätten nicht versucht, ihre eigenen Interessen am Thema durchzusetzen, daher sei es kein unverdaulicher Film geworden. Jacot sieht darin sogar ein Modell für andere europäische Koproduktionen.

Ein Konzept, das Dominique Othenin-Girard offenbar inspiriert: Bereits brütet er über seinem nächsten Film, der den Titel “Der Infiltrierte” trägt und dem ehemaligen Tessiner Drogenfahnder Fausto Cattaneo gewidmet ist, der bei seiner Arbeit als V-Mann jahrelang wegen des Verdachts auf politische und wirtschaftliche Spionage überwacht worden war.

swissinfo, Frédéric Burnand in Genf
(Übertragung aus dem Französischen: Nicole Aeby)

1828 Geburt von Henry Dunant in Genf

1853 erste Reise nach Algerien

1859 Schlacht bei Solferino

1863 Gründung des Roten Kreuzes

1864 erste Genfer Konvention

1901 Friedensnobelpreis

1910 Tod von Dunant

Die Weltpremiere des Films “”Du rouge sur la croix” soll am Festival der internationalen Menschenrechte in Genf im März 2006 stattfinden.

Henry Dunant wird von Thomas Jouannet gespielt. Er wird von Emilie Dequenne, Jean-François Balmer, Michel Galabru und von Tom Novembre in der Rolle Napoleons III. begleitet.

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