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Der Schweizer Bäcker in Singapur

Xavier Baumgartner, in einer seiner Bäckereien in Singapur. Christian Zingg

Nach seiner Lehre als Konditor in Zug und einem Versuch an der Hotelfachschule Montana in Luzern zog es Xavier Baumgartner mit 22 Jahren weg von der Schweiz. Heute ist der 58-Jährige stolzer Besitzer einer Grossbäckerei in Singapur mit über 120 Angestellten.

Xavier Baumgartner treffe ich in einem der brandneuen Einkaufszentren in der Nähe des Stadtzentrums von Singapur. Nicht nur der Name “Swissbake” und die Schweizer Flagge im Logo der kürzlich eröffneten Bäckereifiliale stellen eine Verbindung zur Schweiz her.

Im Getränkekühler gibt es Rivella, und neben der Kasse stehen Bündner Nusstorten zum Verkauf. Aber am Wichtigsten ist wohl das frisch gebackene Brot, das manch ein Auslandschweizer nach einer gewissen Zeit in Singapur vermisst.

Es wird jedoch schnell deutlich, dass Baumgartners Bäckereien nicht nur dank den Auslandschweizern rentieren können. “Höchstens die Hälfte unserer Kundschaft sind Westler. Viele Locals, die in Europa studiert oder gearbeitet haben, kommen dort auf den Geschmack von Brot und kaufen nun bei uns ein”, betont der Chef von “Swissbake”, dessen Schweizer Dialekt sich gerne mit englischen Ausdrücken vermischt.

Vielgereister Chef-Patissier

Baumgartner hat selbst während mehreren Jahren in verschiedenen Ländern gearbeitet. Meistens war der zweitjüngste Sohn einer 11-köpfigen Bauernfamilie aus Hünenberg im Kanton Zug als Konditor in Hotels angestellt. Angefangen hat seine Auslandtätigkeit 1973 in einem Londoner Hotel.

Später besuchte er seinen Bruder, der in Bangkok als Küchenchef tätig war. Von dieser Region fasziniert, verbrachte er mehr als ein Jahrzehnt als Patissier-Chef in 5-Sterne-Hotels in Süd- und Südostasien, kehrte aber immer wieder für ein halbes Jahr oder mehr in die Schweiz zurück.

Vor etwa 20 Jahren hat Xavier Baumgartner schliesslich in Singapur Fuss gefasst. Dass er in Singapur geblieben ist, hat damit zu tun, dass er seine singapurische Frau kennenlernte.

“Was mich beruflich in Asien gehalten hat, war der rasche Aufstieg, der damals möglich war”, schwärmt der Zuckerbäcker und Vater eines 17-jährigen Sohnes. Als er das erste Mal in Singapur war und eine Schwarzwäldertorte gemacht habe, sei er fast als Held betrachtet worden, und die Zeitungen hätten über ihn geschrieben. Heute sei das nicht mehr so einfach, man müsse sich schon neue Sachen ausdenken.

Herausforderungen

Die grossen unternehmerischen Möglichkeiten in Singapur sind natürlich auch von Schwierigkeiten begleitet. Bevor es mit seinen zwei eigenen Bäckereifirmen richtig aufwärts ging, erlebte Baumgartner Rückschläge, als er versuchte mit verschiedenen Investoren oder Grossbetrieben zusammen zu arbeiten.

Als die grösste Herausforderung bezeichnet Baumgartner jedoch das tropische Klima. Wegen der enorm hohen Luftfeuchtigkeit wird das Brot rasch weich. “Ein Baguette kann man ungefähr vier Stunden im Korb zum Verkauf aufstellen, danach wird es ‘gummig’ und bleibt nicht mehr gerade”, erklärt er.

Damit die Brote im Regal immer frisch sind, werden sie in der zentralen Bäckerei nicht ganz fertig gebacken, um schliesslich in der Filiale noch einmal zwei Minuten in den Ofen zu gehen.

Unterschiede zur Schweiz

Im Vergleich zu einer Bäckerei in der Schweiz ist nicht nur das Backprozedere anders, sondern auch der Teig. In Asien müsse man weniger Salz verwenden, “sonst mögen die Leute das Brot nicht”.

Zu viel Zucker dürfe man in diesem Erdteil aber auch nicht verwenden. Da sehnt sich der gelernte Konditor schon fast nach Schweizer Kundschaft: “Man kann doch keine Kirschtorte light mit weniger Zucker machen, das schmeckt einfach nicht!”

Zusätzlich sei es schwierig, das richtige Personal zu finden. Anders als in der Schweiz gibt es in Singapur kein duales Bildungssystem. Somit fehle für seinen Beruf auch eine gewisse Wertschätzung. “Heutzutage wollen alle Manager oder Firmenberater werden”, beklagt der Konditor.

Aktiver Unternehmer ohne Heimweh

Der motivierte Firmenchef lässt jedoch nichts ununternommen, um seinen Berufsstand und sein Unternehmen bekannter zu machen. Jedes Jahr kommen die Kinder von der Schweizer Schule Singapur in Baumgartners Backstube zum weihnächtlichen “Güezli backen”.

Dass sich der Zuger Unternehmer in Singapur zu Hause fühlt und nicht zurück in die Schweiz will, ist verständlich, vor allem wenn man bedenkt, wie viel Zeit und Leidenschaft er in seine Firma investiert hat.

Heimweh habe er nicht, und er gehe auch nur noch sehr selten in die Schweiz zurück. Skifahren vermisst er nicht, dafür spielt er im Swiss Club Singapore regelmässig Tennis und verfolgt jeweils die Spiele von Roger Federer.

Und ab und zu kriegt er Besuch aus der Schweiz: Entweder privat von einer der vielen Nichten oder in der Bäckerei von einem Praktikanten einer Schweizer Hotelfachschule, wo Baumgartner selbst einmal angefangen hat.

Christian Zingg, Singapur, swissinfo.ch

Mit etwas über 20 Bäckerei-Shops in Singapur, davon die meisten mit integriertem Tea Room, ist die Firma “Swissbake” auf den Einzelverkauf von Brot, Patisserie, aber auch Zwischenverpflegung wie Sandwiches und kleinere Mittagsmenus spezialisiert.

“Swisstreats”, die andere Teilfirma der Grossbäckerei, ist zuständig für Produktion, Logistik und Belieferung von Hotels und anderen Grosskunden in Singapur.

Beide Teilfirmen zusammen erzielen einen Jahresumsatz von ca. 15 Mio. Singapur-Dollar (11,5 Mio. Franken) und beschäftigen mehr als 120 Angestellte.

Produziert werden über Tausend Brote am Tag.

Xavier Baumgartner (Jahrgang 1951), gelernter Konditor aus Hünenberg ZG, machte seinen ersten Schritt in Richtung Ausland, als er 1973 für ein Jahr in einem Hotel in London arbeitete.

Danach war er während mehr als zehn Jahren in verschiedenen Hotels in der Schweiz und im Ausland als Konditor und Chef-Patissier tätig.

Zu seinen wichtigsten Stationen gehörten Gstaad, St. Moritz, Zürich, Colombo (Sri Lanka), Manila (Philippinen) und Singapur.

Nach einer etwa einjährigen Tätigkeit beim Chocolatier Läderach in Enenda GL entschied sich Baumgartner 1988, definitiv nach Singapur auszuwandern.

Nach diversen versuchten Kooperationen mit Investoren und Grossfirmen in Singapur gründete er schliesslich seine eigenen Bäckerei- und Konditoreifirmen, “Swissbake” und “Swisstreats”.

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