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Die Euro aus der Sicht von Philippe Senderos

Philippe Senderos (rechts) im Trikot von Arsenal. Keystone

Der von Köbi Kuhn für die Nationalmannschaft sicher gesetzte Verteidiger von Arsenal spricht mit swissinfo über den wichtigen Grossanlass und die künftigen Gegner der Schweiz.

Philippe Senderos war bereits an der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland dabei und will nun das Maximum aus dem zweiten wichtigen Turnier in seiner noch jungen Karriere herausholen.

swissinfo: Was bedeutet diese Euro für Sie?

Philippe Senderos: Das ist ganz klar ein ausserordentliches Ereignis, und während meiner ganzen Karriere wird es die einzige Fussball-Europameisterschaft sein, die in meinem Land ausgetragen wird. Deshalb will ich das Maximum herausholen, damit der Einsatz für die Schweizer Mannschaft so lange wie möglich andauert.

Für die Spieler ist es eine wunderbare Gelegenheit, sich als Gruppe zu festigen und etwas Grosses realisieren zu können. Seit der Generation von 1994 – jener mit Stéphane Chapuisat, mit dem ich das Glück hatte zu spielen – ist der Schweizer Fussball im stetigen Aufbau begriffen. Wir werden diesen Weg weiter verfolgen, und die Euro wird viel dazu beitragen.

Die Tatsache, dass wir vor einem Heimpublikum spielen, wird uns zusätzlich unter Druck setzen, aber auch beflügeln.

swissinfo: Wird es so sein wie an der Weltmeisterschaft 2006?

P.S.: An Welt- oder Europameisterschaften teilzunehmen, ist für einen Fussballspieler eine ganz tolle Sache. Ich hoffe, dass ich in Zukunft noch weitere solche Erfahrungen machen kann und ich denke, im Gegensatz zu einigen Beobachtern, dass unsere Leistung in Deutschland ziemlich brillant war.

Beim Penaltyschiessen auszuscheiden mag hart sein, aber während des ganzen Turniers kein Gegentor zu kassieren, ist eine Leistung für sich. Das bedingt ziemlich viel Charakterstärke. Im Sport muss man Niederlagen akzeptieren können. Die ersten Monate nach der Enttäuschung gegen die Ukraine waren schwierig, doch nun läuft alles wieder rund. Der Schweizer Fussball profitiert im Moment von seinem guten Image. Darauf bin sehr stolz und ich hoffe, dass mein Engagement in England dazu beiträgt.

Übrigens, die Mehrheit der elf Stammspieler der Schweizer Nationalmannschaft – oder sogar die 23 Spieler der Nationalmannschaft – stehen im Ausland im Einsatz. Ich glaube, dass die jungen Spieler, die ihre Chance in den anspruchsvollen ausländischen Ligen packen wollen, mit ihrer Mentalität für die Schweiz von grossem Nutzen sind. Komplexe gegenüber den grossen Fussballnationen sind nicht angebracht. Und das ist doch sehr positiv.

swissinfo: In den Gruppenspielen der Euro werden Sie auf Tschechien, die Türkei und Portugal stossen. Wie schätzen Sie diese Mannschaften ein?

P.S.: Das Eröffnungsspiel wird von grosser Bedeutung sein, denn es wird den Massstab für den weiteren Turnierverlauf setzen. Wir dürfen uns in dieser Begegnung keine Fehler leisten und wir wissen das. Bei jedem Spiel gehen wir mit der Gewissheit auf den Platz, dass wir es schaffen können. Wir sind da, um zu gewinnen, koste es, was es wolle. Diese Einstellung wird in der Schweiz nicht immer geschätzt, doch es braucht diese Gewinnermentalität, um den Traum zu verwirklichen.

Ich kenne den tschechischen Kapitän Tomas Rosicky sehr gut, wir spielen zusammen bei Arsenal. Wir verstehen uns bestens und wir machen regelmässig Witze über diese künftige Begegnung. Unsern Gegner Tschechien wissen wir sehr wohl einzuschätzen. Und wenn Jan Koller im Sturm spielt, kann es brenzlig werden.

Es hat etwas Symbolisches, im Turnier wieder gegen die Türkei zu spielen, nach den Ereignissen bei den Qualifikationsspielen für die Weltmeisterschaft in Bern und vor allem in Istanbul. Der Einsatz beider Teams wird hoch sein – eine Revanche liegt in der Luft.

Portugal schliesslich hat wunderbare Einzelspieler wie die in England engagierten Nani oder Christiano Ronaldo, beide muss man immer im Auge behalten. In der Schweiz gibt es eine grosse portugiesische Gemeinde, und ich hoffe doch, dass die Schweizer Fans ihre Tickets vor den Portugiesen gekauft haben…

swissinfo: Ihnen scheint es wichtig, für Ihr Land zu spielen. Ihren Einstand für die Schweizer Nationalmannschaft haben Sie am 25. März 2005 im Stade de France gefeiert. Was hatten Sie damals für ein Gefühl?

P.S.: Ich habe sehr gute Erinnerungen an meinen ersten Einsatz. Die Mannschaft hat mich herzlich aufgenommen, und meine Erfahrungen bei Arsenal kamen mir dabei zugute.

Köbi Kuhn setzte in diesem wichtigen Spiel sein Vertrauen in mich, und ich bin nicht sicher, wie viele Trainer dieselbe Kühnheit gehabt hätten. Für mich war es ein Traum gewesen, eines Tages in der Nati zu spielen, seither habe ich immerzu Lust nach noch mehr.

swissinfo, Mathias Froidevaux in London
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Geburtsdatum: 14. Februar 1985 in Genf.

Position: Mittelverteidiger.

Clubs: Servette Genf (2001-2003), Arsenal seit 2003 (erstes Spiel am 27. Oktober 2004).

Schweizer Nationalmannschaft: Europameisterschaft U17 im Jahr 2002 und erster Match mit der A-Mannschaft am 26. März 2005 in Paris gegen Frankreich (0:0), 24 Länderspiele und 3 Tore (Ende 2007).

Philippe Senderos war Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft an der Weltmeisterschaft in Deutschland.

Arsenal ist ein englischer Fussballclub, der 1886 von den Arbeitern der Rüstungsfabrik Royal Arsenal gegründet wurde. Deshalb werden die Arsenal-Spieler “Gunners” (Kanoniere) genannt.

Arsenal holte sich bisher 13 Meistertitel und 10 Cupsiegertitel. Auf europäischer Ebene gewann Arsenal 1994 den Cup der Cupsieger und 1970 den UEFA-Cup. 2006 verloren die “Gunners” im Champions League-Final gegen Barcelona mit 1:2.

Arsenal – zur Zeit Leader in der englischen Premier League – wird seit über zehn Jahren vom Franzosen Arsène Wenger trainiert. Er hat Philippe Senderos und Johan Djourou nach London geholt. Seit 2006 spielt Arsenal nicht mehr im Highbury Stadion, sondern im neuen Emirate Stadion, das 60’000 Zuschauer fasst.

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