Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Dimitri: Das Lächeln als Talent

swissinfo.ch

Dimitri als Mime, Dimitri als Clown. Dieses Jahr wird er 70-jährig. Eine Begegnung, um das neue Jahr mit einem Lächeln zu begegnen.

swissinfo traf den Künstler in Verscio bei Locarno, anlässlich der Vorstellung der italienischen Ausgabe seiner Autobiografie.

Mit seinem roten Schal und seiner Gitarre erscheint Dimitri und empfängt uns im Teatrino – kurz vor der Präsentation der italienischen Ausgabe seiner Autobiografie, vor dem Verkauf ans Publikum.

swissinfo: Man spricht häufig von Ihnen als einem Deutschschweizer Künstler, der ins Tessin übersiedelt ist. Wie fühlen Sie sich dabei?

Dimitri: Ich fühle mich als Kosmopolit und bin deshalb nicht an eine besondere Sprache gebunden. Geboren bin ich in Ascona, meine Vorfahren kamen aus Russland, und ich spreche deutsch und italienisch. Ich fühle mich international.

swissinfo: Wie positionieren Sie sich, als Mensch und als Künstler, zwischen den nationalen Kulturen?

D.: Meine Kunst beruht auf einer nichtverbalen Ausdrucksweise, auf einer Körpersprache, der Komik und Musik, also auf einer Art Universalsprache.

Diese wird an allen Ecken und Enden der Welt verstanden. So fühle ich mich nicht mit einer bestimmten Kultur verbunden. Ich fühle mich als Weltbürger.

swissinfo: Der Zirkus Knie hat Sie berühmt gemacht. Fühlen Sie sich deshalb in seiner Schuld? Obwohl Sie in Ihrem Buch schreiben, dass das Zirkuspublikum nie ins Theater kommen würde?

D.: Was diesen Aspekt betrifft, sollen von Beginn weg keine Zweideutigkeiten aufkommen. Das Zirkuspublikum ist sehr wohl auch im Theater willkommen.

Doch oft handelt es sich um ein Publikum, das weniger an intellektuellen Inhalten interessiert ist, sondern mehr Freude an volksnahem Spektakel hat.

Dank meinem Jahr beim Zirkus Knie konnte ich mich bekannt machen, und damit die Leute in mein Theater locken.

swissinfo: Ihr Lächeln ist Ihr Aushängeschild. Wie entstand es, und wie konnten Sie sich damit bekannt machen?

D.: Ich kann nicht sagen, wie mein Lächeln entstanden ist. Es mag ein Geschenk der Götter sein, der Natur oder meiner Mutter.

Das Talent dazu hat mir wohl das Schicksal geschenkt. Doch das genügt nicht. Man muss es entwickeln und am Leben erhalten. Man muss es ausnützen, pflegen und auf eine positive Art auch nutzen.

swissinfo: Was glauben Sie, wird in der Schweiz genügend gelacht?

D.: Ja. Ich glaube wirklich, dass das Publikum immer zum Lachen aufgelegt ist, einfach weil es das liebt. Ich glaube auch, dass das auf der ganzen Welt ähnlich ist. Die Leute lachen einfach gern.

Doch wenn wir beispielsweise die Schweiz mit einem Land in Südamerika vergleichen, sehen wir, dass die Südamerikaner trotz ihrer Armut und den ungleich schwierigeren Lebensbedingungen viel mehr lachen als die Schweizer.

Sie haben eine Fröhlichkeit, die wir Schweizer, obschon es uns besser geht, nicht kennen.

swissinfo: Welchen Platz nehmen die Liebe und der Humor in Ihrem Leben ein?

D.: Laut meiner Einschätzung gehören Humor und Liebe zusammen. Wenn es nämlich in der Komik, im Gag, keine Zuneigung für den anderen gibt, funktioniert das ganze nicht.

Oder es funktioniert zwar, aber der Effekt ist ein anderes Lachen, ein böses, sarkastisches, fast schon teuflisches… Ich übertreibe jetzt etwas, aber so was gibt es jedenfalls auch. Man muss, finde ich, immer mit dem Herzen lachen.

Ich möchte das Herz und den Geist der Leute treffen. Aus ihrer Stimme soll ein reines Lächeln oder Lachen kommen. Wie jenes der Kinder, unschuldig und wohlwollend.

swissinfo: Sie sind ja auch ein grosser Mime. Welche Beziehung hat ein Mime zu Worten?

D.: Man sagt ja, dass Mimen, wenn sie einmal zu sprechen begonnen haben, nicht mehr aufhören… Ungefähr so wie ich das im Moment mit Ihnen mache.

Doch Spass beiseite. Mein grosser Meister Marcel Marceau hatte mir beigebracht, dass durch die Mimik gewisse Szenen und Ausdrucksweisen viel intensiver, stärker, eindrucksvoller und ergreifender wirken.

Er hatte mir immer gesagt, dass die grossen Gefühle des menschlichen Wesens besser wortlos ausgedrückt werden. Das gilt für die Liebe, den Hass, den Schmerz und die Freude.

swissinfo: Was ärgert Sie? Auch im Bereich der Gefühle und des Verhaltens?

D.: Schlecht ertrage ich Hass, Aggressivität, Heuchelei, Krieg, die Absenz von Dialog und von Verständnis.

Auch das Fehlen von Respekt und von Toleranz gegenüber Leuten, die anders sind als wir, ertrage ich nicht.

swissinfo: Sie waren immer ein aktiver Mensch, ein unersetzlicher Weggefährte von Pater Cornelius Koch, ein Fürsprecher von Flüchtlingen und Benachteiligten. Wie schätzen Sie heute die humanitäre Politik der Schweiz ein?

D.: Die unnützen Kriege, die unsere Welt überziehen, machen mich sehr traurig. Sie treffen mich persönlich, und zeigen sich am Schicksal der Frauen, Männer, Kinder und ganzer Völkerschaften.

Deshalb möchte ich als Künstler einen kleinen Beitrag leisten, indem ich Petitionen, Proteste und Manifeste unterschreibe, und öffentlich für etwas einstehe.

Deshalb habe ich auch Cornelius Koch, dem Kaplan der Flüchtlinge, geholfen, wie ich konnte.

swissinfo: Wie schätzen Sie die Rolle und den Einsatz der Intellektuellen für die Zivilgesellschaft in diesem Land ein?

D.: Ich finde, Künstler und Intellektuelle in der Schweiz sind genügend aktiv. Sicher wirkt ihre Stimme nur wie ein Tropfen, der ins Meer fällt. Doch das Meer besteht aus lauter Tropfen.

Zum Beispiel denke ich an die Genfer Initiative. Sie setzt sich über die Zivilgesellschaft für die Wiederaufnahme des Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern ein. Ein Projekt, das von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey aufmerksam verfolgt wird.

swissinfo: Sie haben Calmy-Rey erwähnt. Viele Leute sehen im Lächeln von euch beiden etwas Gemeinsames…

D.: Ja, das stimmt. Es bestehen leichte Ähnlichkeiten. Nicht nur in der Art des Lächelns, auch in der Frisur. Als wir uns am Filmfestival in Locarno trafen, haben wir uns bestens unterhalten und darüber hinaus auch bestens verstanden.

swissinfo, Françoise Gehring
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Dimitri wird am 18. September 1935 in Ascona geboren.
1958 besucht er in Paris die Kurse von Marcel Marceau.
1962 heiratet er in Zürich Gunda.
1970 macht er mit dem Zirkus Knie eine Schweiz-Tournee.
1971 gründet er zusammen mit seiner Ehefrau das Theater Dimitri in Verscio.
2004 erhält die Schule den Status einer Fachhochschule.

Dank dem Locarneser Verleger Giò Rezzonico, der Dimitri schon seit Lebzeiten kennt, wurde die Auto-Biografie des Künstlers, die auf Deutsch und Französisch schon im Handel ist, auch auf Italienisch übersetzt. Sie wurde im Dezember 2004 im Tessin vorgestellt.

Vom Journalisten Hanspeter Gschwend redigiert, erschien die Biografie 2003 beim Benteli Verlag in Bern.

Auf rund 240 Seiten werden bekannte und weniger bekannte Episoden und köstliche Begebenheiten aus dem Leben von Dimitri erzählt. Das ganze wird mit vielen suggestiven Fotos untermalt.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft