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Stadt Zug macht sich fit für Blockchain-Abstimmungen

Zugs Stadtpräsident Dolfi Müller bei der Präsentation des Blockchain-Versuchs
Will mit Blockchain die Schweizer Abstimmungsdemokratie erneuern: Zugs Stadtpräsident Dolfi Müller. swissinfo.ch

Blockchain-Technologie für die Demokratie, sprich Abstimmungen: Das erprobt die Stadt Zug in einem Versuch. Die Regierung will die Technologie in den kommenden Jahren bei öffentlichen Abstimmungen einsetzen.

Der Versuch, der in Zug zwischen dem 25. Juni und dem 1. Juli über die Bühne geht, besteht zunächst aus einem unspektakulären Fragebogen. Die Einwohner können eine digitale Identität eröffnen und via diese “eID” ihre Meinungen äussern. Etwa, ob sie am jährlichen Stadtfest gerne ein Feuerwerk sehen möchten.

Mit dieser und anderen Fragen soll überprüft werden, ob das System funktioniert und wo allenfalls Fehler auftauchen.

Zugs Stadtpräsident Dolfi Müller hat aber mehr im Sinn: Seine Stadt, im Herzen des “Krypto Valley” gelegen, dem Schweizer Silicon Valley, soll künftig verstärkt auf die Blockchain-Technologie setzen, nämlich auch bei Abstimmungen. Das Merkmal von Blockchain: Daten können dezentral gespeichert und verteilt werden.

Vision

“Wer weiss, vielleicht kommt in fünf oder zehn Jahren Blockchain bei Abstimmungen zum Einsatz”, sagt Müller gegenüber swissinfo.ch. “Nicht alle glauben an diese Technologie oder gar an die elektronische Stimmabgabe, aber ich persönlich bin von ihrem Potenzial überzeugt.”

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Doch bevor die Zuger Behörden ernsthaft über eine Einführung der Blockchain-Abstimmung nachdenken können, muss sich diese erst beweisen. Deshalb der Versuch.

Verläuft der Test erfolgreich, könnte dies grosse Auswirkungen auf das System der direkten Demokratie in der Schweiz haben. Die Schweizer Regierung will nämlich, dass bis zu den nächsten Schweizer Parlamentswahlen von Oktober 2019 zwei Drittel aller Kantone E-Voting einsetzen. Dies aber nicht unbedingt über eine Blockchain.

Die Stadt als treibende Kraft

Zugs Stadtpräsident Müller glaubt, dass Blockchain eine höhere Sicherheit gegenüber anderen E-Voting-Systemen bietet. Einschliesslich eines besseren Schutzes vor Hackern und dem Missbrauch personenbezogener Daten.

Der dezentrale Charakter von Blockchain bedeute, dass es kein zentrales Einfallstor für Hacker gebe, um Wahlergebnisse zu manipulieren, so die Zuger Behörden am Montag bei der Vorstellung des Projekts.

Kontrolle über eigene Daten

Das System verspricht auch, die Anonymität der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger besser zu wahren. Denn es gebe Nutzern die vollständige Kontrolle über ihre Stimmdaten.

Dies beinhaltet auch die Möglichkeit, die eigene Spur zu löschen, die man mit der Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen hinterlässt. Dabei bleibe aber, so die Experten, das Gesamtergebnis erhalten.

Die Zuger Stadtbewohner können via das “Blockchain eID-System” mitmachen. Das im November letzten Jahres eingerichtete Netz zählt aktuell 240 registrierte Nutzer. Alle anderen Stimm- und Wahlberechtigten können während des Probelaufs ihre eigenen “eIDs” einrichten.

Dasselbe System kommt auch beim Zuger Fahrradverleih und in der Stadtbibliothek zum Einsatz. 

Noch ein langer Weg

Das grosse Aber: die Blockchain-Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und wurde kaum je unter realen Bedingungen getestet. Mit ihrer Initiative für die “Blockchain-Abstimmung” hat die Stadtregierung Kritiker auf den Plan gerufen. Diese befürchten, dass das hoch gelobte System der direkten Demokratie in der Schweiz beschädigt werden könnte.

“Wie in allen Gesellschaften gibt es aufgeschlossenere Menschen und konservativere Bürger”, sagt Dolfi Müller. “Wir hoffen, mehr Menschen davon zu überzeugen, offen für Neues zu sein.”

Das Zuger Abstimmungssystem wurde mit Hilfe der Fachhochschule LuzernExterner Link und des internationalen IT-Unternehmens LuxoftExterner Link, das von der Schweiz aus operiert, entwickelt.

Luxoft hat auch angekündigt, eine Schweizer “Blockchain for Government Alliance” zu gründen, eine Organisation zur Entwicklung und Förderung von Blockchain-Anwendungen für Regierungsstellen.

Die Allianz würde Ideen in die Open-Source-Domäne einbringen, um es den Leuten zu ermöglichen, Codes zu testen und Verbesserungen anzubieten.

Externer Inhalt
Video der Bundeskanzlei zur Sicherheit für E-Voting in der Schweiz

(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)

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