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Ehevermittlerin in Sachen Wein

Für Claudia Räber ist das Degustatieren von chilenischen Weinen Routine. swissinfo.ch

Der Wein und Lateinamerika haben Claudia Räber schon immer fasziniert. Beides hat die 33-jährige Schweizerin unter einen Hut gebracht.

Als Weinbrokerin in Santiago bestimmt sie mit, welche Tropfen aus chilenischen Gewächsen in der Schweiz und in Europa ins Glas kommen.

Auf das Bouquet, auf die Farbe kommt es an: Prüfend haftet der Kennerblick Claudia Räbers am Schwenker. Tief das Rot, frisch-fruchtig soll das Gaumenerlebnis sein.

Was die Weinfachfrau aus Merlischachen im Kanton Schwyz von Chile aus nach Europa schickt, muss lückenlos die Kriterien erfüllen, die den Wein aus Chile international so gefragt machen:

Überzeugende Komplexität, schöne Fülle, tiefe Farbe und ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Jeder Wein, den sie in die Welt hinaus schickt, hat sie zuvor selbst gekostet und für gut befunden.

Klein aber fein

Deshalb stehen im 10. Stock eines Appartmenthauses in der Landeshauptstadt Chiles täglich Batterien von Weinflaschen auf dem Tisch. Wein verköstigen ist für Cornelia Räber Routine.

Weniger die traditionellen, grossen Weingüter suchen die Dienste der Schweizer Brokerin. “Die Kleinen, die Neuen, die noch keine eigenen Export-Kontakte haben, kommen zu mir”, sagt Claudia Räber. Ihre Firma RWS (Räber Wine Selection) gehört zu den grössten fünf unabhängigen Vermarktern Chiles.

Auch für erfahrene Weinkenner wartet sie mit Überraschungen auf: Beim Rotwein zum Beispiel mit Carmenere: Einer alten, oft mit dem Merlot verwechselten Rebsorte französischen Ursprungs, die einzig in Chile überlebte.

Langfristige Partnerschaft

Chiles jungen Weinproduzenten hat die Brokerin einiges zu bieten: In den letzten Jahren, seitdem Claudia Räber auf eigene Rechnung arbeitet, ist besonders in der anspruchsvollen Weinnation Schweiz ein dichtes Netz an Importeuren herangewachsen, die stets auf der Suche nach Neuem sind.

Besonders stolz ist sie auf die Leistung, für drei chilenische Spitzenproduzenten langfristige Importverträge mit renommierten Schweizer Weinfachhändlern wie Baur au Lac, Schuler-St. Jakobskeller und Scherer S.A. eingefädelt zu haben.

Das Wesentliche an ihrem Job ist, für den Importeur in Europa den passenden Wein bzw. den Produzenten in Chile zu finden und beide Seiten auf eine vorteilhafte, langfristige Partnerschaft einzuschwören.

“Das ist wie eine Art Ehevermittlung”, sagt Claudia Räber. “Nur dass es statt um Menschen um Wein geht”. Einige Millionen Liter Roten und Weissen habe sie 2002 über die Ozeane zu Gourmets in Europa schippern lassen, umreisst die Frau den Umfang ihrer Geschäfte.

Kein Zweifel, dass das Business floriert: 2003 braucht sie einen dritten Angestellten. Ihr Geld verdient sie mit Vermittlungs-Provisionen, welche ihr die Weinhersteller in Chile bezahlen.

Vom Premium-Tropfen zum Bulkwein

Durch die Hände bzw. durch den Gaumen Claudia Räbers geht so ziemlich alles, was Chile an Wein keltert: Vom teuren Premium-Wein ausgesuchter “Boutique”-Weingüter über lokal abgefüllte Markenweine bis hin zu Offenweinen genossenschaftlicher Massenproduzenten.

Meistens werden diese von Grossverteilern in Europa eingeführt, in Eigenregie abgefüllt und unter Eigenmarken in den Handel gebracht. Die Massenware oder Bulkweine aus Chile, wie sie im Fachhandel heissen, sind nichts Minderwertiges:

“Was ihnen abgeht, ist der Reifungsprozess in französischen oder amerikanischen Eichenbarriques. Ansonsten sind es Reinsorten bzw. Varietal-Weine, die nach “state of the art”-Standards gekeltert sind.

Boomende Weinbranche

In den 80er-Jahren, als die Produktion des mit hohen Tages- und kühlen Nachttemperaturen gesegneten Weinlandes Chile die internationalen Märkte mit günstigen Tropfen erstaunlich hoher Qualität zu erobern begann, standen dem Aufschwung nicht nur günstige Wechselkurse und ein innovatives Marketing Pate:

Es war der bekannte spanische Weinproduzent Miguel Torres, der mit temperaturkontrollierter Gärung in Edelstahltanks und dem Einbezug einer neuen Generation von “flying Winemakers” (fliegende Oenologen) aus Frankreich einen regelrechten Boom an Chile- Weinen begründete.

Inzwischen sind Weinexporte ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Umgerechnet eine Milliarde Franken steuern die guten Tropfen zum Sozialprodukt bei, Tausende von Arbeitskräften finden in der Branche Beschäftigung.

Über Umwege zum Wein

Claudia Räber war 1996 als Vertragskraft einer Schweizer Medizinalfirma nach Chile gekommen. Erst nach anderthalb Jahren in Santiago, als das Unternehmen seine Lateinamerika-Vertretung auflöste und die ehemalige KV-Stiftin nicht wieder in die alte Heimat zurück wollte, schloss Claudia Räber engeren Kontakt mit der Weinbranche.

Zwei Jahre lang war sie für einen US-amerikanischen Weinbroker in Chile tätig, ehe sie ihr eigenen Wege ging. Heute beliefert ihre Broking-Firma neben Vertragspartnern in der Schweiz auch die grossen Importeure Englands, Russlands und Skandinaviens.

swissinfo, Ulrich Achermann

600’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland.
Seit 1990 ist die so genannte Fünfte Schweiz um 150’000 Personen gewachsen.
2002 hatten 3’700 Auslandschweizer ihren Wohnsitz in Chile.

Claudia Räber wurde 1969 geboren und wuchs in Merlischachen, Kanton Schwyz, auf.
Sie absolvierte in Küssnacht eine Banklehre.
Zu ihren Lieblingsweinen gehören: El Principal aus Chile und Weisswein aus dem Waadtland.
Dank Messen und Weinausstellungen in Europa hält sich Claudia Räber oft in der Schweiz auf, wenn auch immer nur für kurze Zeit.

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