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Ein Schweizer unter 20’000 Schwarzen

Rolf Moser im Eingang seines Township-Aufnahmestudios in Delft South. swissinfo.ch

Früher war er ein renommierter Modefotograf, seit sieben Jahren lebt er fast Tag und Nacht als einziger Weisser unter Schwarzen: Rolf Moser, gebürtiger Zuger, leitet in Südafrika im Township Crossroads bei Kapstadt ein privates Hilfsprojekt.

Mit dem Uxolo-Netzwerk hat er auch sein eigenes Leben verändert.

“Ich kenne zwei Leben: eines vor Südafrika und eines nach Südafrika”, lacht Rolf Moser. “Früher ein schnelles, heute ein bedächtiges Leben, aber eines mit viel Tiefgang. Mein Horizont hat sich völlig verändert, erweitert”, sagt er.

Der 44-jährige Moser arbeitete in der Schweiz als renommierter Modefotograf. Anfang 90er Jahre produzierte er eine Ausstellung zum Thema “packaging recycling”.

In Südafrika die Wahlen dokumentiert…

Die Schweizer Botschaft in Südafrika lud ihn daraufhin ein, die Ausstellung in Kapstadt zu zeigen.

Gleichzeitig dokumentierte er im April 1994 die ersten freien Wahlen im Land. “Dabei kam ich in Kontakt mit Schwarzen und lernte so direkt das historische Ende der Apartheid und den Übergang zur Demokratie kennen”, so Moser zu swissinfo. Dann reiste er in die Schweiz zurück.

…und hängen geblieben

1995 kehrte Moser für eine Mode- und Werbeproduktion nach Kapstadt zurück. Während der Arbeit lernte er in seinem Hotel einen Schwarzen kennen, den Barkeeper Lennox Mzolisi Rwanga, der im Township Crossroads wohnte.

“Eine Beziehung zwischen Schwarz und Weiss war zu dieser Zeit, trotz dem politischen Ende der Apartheid, immer noch etwas Ungewöhnliches. Dennoch wurden wir Freunde, und er hat mich im Januar 1996 zu sich nach Crossroads eingeladen.”

Das Township mit seinen rund 20’000 Bewohnern liegt beim Flughafen von Kapstadt. Crossroads bestand damals zu 70% aus Wellblechhütten, Armut und Gewalt waren Alltag.

Durch Lennox lernte Moser viele Leute kennen. “Ich war der einzige Weisse dort, ein Exot. Ich war erschüttert über die Lebensbedingungen der Leute. Ich sagte mir: Du musst etwas dagegen tun. Der Entscheid, in Südafrika zu bleiben und mein Leben zu verändern, war gefällt.”

Aufbau eines Netzwerks

1997 organisierte Moser in seiner Heimatstadt Zug eine Foto-Ausstellung über die Wahlen 94, verbunden mit einer Kleidersammlung für die Township-Bewohner in Crossroads.

Bald habe er gemerkt, dass eine derartige Hilfe zwar kurzfristig etwas bringe, aber langfristig nichts bewirke. “Wichtig ist, Beschäftigungs-Möglichkeiten für die Leute vor Ort zu schaffen. So kam ich auf die Idee des Uxolo Network.” Uxolo bedeutet in der einheimischen Xhosa-Sprache “Frieden”.

“Im September 1997 begannen wir mit einer Leder-Werkstatt. Wir produzierten mit drei bezahlten Angestellten Ledertaschen und Gürtel zum Verkauf auf den lokalen Märkten.”

Tourismus-Projekt

Nun baute Moser mit seinen Freunden ein Township-Tourismus-Projekt auf. Das ging nicht ohne behördliche Bewilligung. “Wir bezahlten die Ausbildung von tour guides. Im Jahr 2000 gründeten wir Yizobona Tours.” Yizobona heisst “komm und sehe”.

“Ein bis heute sehr erfolgreiches Unternehmen: Immer mehr Touristen wollen ein Township ‘von innen’ sehen”, so Moser. “Und weil die Angestellten des Projektes selber aus Crossroads kommen, ist die Begegnung zwischen Touristen und Township-Bewohnern nicht ‘zooartig’, sondern sehr menschlich.” Bei Yizobona Tours arbeiten heute vier ausgebildete Touristen-Führer und ein Fahrer.

Mit Musik gegen Kriminalität

Langfristig soll Uxolo Network nicht eine Hilfsorganisation, sondern ein Gewinn bringendes Business sein. In diesem Zusammenhang baute Rolf Moser auch ein Musik-Projekt auf. “Bei den Jugendlichen in den Townships ist sehr viel musikalisches Talent und Engagement vorhanden. Ich arbeite derzeit mit rund 200 Jugendlichen zusammen.”

Neben dem Musik-Aspekt zielt das Projekt auch auf die “youth at risk” – arbeitslose Jugendliche, die dem Risiko der Kriminalität ausgesetzt sind. Er habe schon einige Jugendliche von einer kriminellen Laufbahn abbringen können, erklärt Moser.

Stolz zeigt er dem swissinfo-Besucher das Uxolo-Aufnahmestudio in Delft South. Es befindet sich in einem kleinen typischen Township-Haus, das Moser 2002 von den Stadtbehörden gekauft hat. “Das war nicht einfach, denn es ist ja völlig exotisch, dass ein Weisser, und erst noch ein Schweizer, in einem Township ein Häuschen kaufen will.”

Dort wurden schon CDs produziert: Klassische afrikanische Gesänge von einem Chor, den Moser auf Tournee in die Schweiz bringen möchte, sowie CDs von einer Kwaito-Gruppe und drei Reggae-Gruppen. Die CD-Produktion bringe genügend Umsatz zur Weiterfinanzierung des Projektes, so Moser.

Überwundene Anfangsschwierigkeiten und Rückschläge

Zu Beginn seines neuen Lebens in Crossroads sei die Kriminalität ein grosses Problem gewesen, erzählt Rolf Moser weiter. “Es war relativ ungemütlich, sich hier als einziger Weisser zu bewegen. Es dauerte eine Weile, bis ich das Vertrauen der Schwarzen und somit Schutz von der Bevölkerung hatte. Heute bewege ich mich problemlos in Crossroads.”

Manchmal gibt es aber auch Rückschläge, die schwer zu ertragen sind und Moser an allem zweifeln lassen. “Eben wurden zwei Jugendliche, die ich kenne, erschossen”, sagt er. Solche Gewalttaten seien in den südafrikanischen Townships leider immer noch Alltag.

Weitermachen

Rolf Moser will seine Arbeit, sein Leben als einziger Weisser in Crossroads, weiterführen. “Ich habe noch so viel zu tun und fühle mich wohl dabei. Ich habe zwar eine Wohnung in Kapstadt, lebe aber fast Tag und Nacht im Township. Ich habe mich entschlossen, meine Existenz im Umfeld von Uxolo Network aufzubauen und hier zu bleiben.”

Er habe sich seit dem Bruch mit seinem früheren Modefotografen-Leben persönlich total verändert. Rolf Moser: “Ich habe hier gelernt, Geduld zu haben und den Leuten zuzuhören. Und ich glaube, dass ich hier etwas tue, das Sinn macht.”

swissinfo, Jean-Michel Berthoud, Kapstadt

1997: Rolf Moser gründet das Uxolo Network Community Project

1998: Uxolo Network wird von den Behörden offiziell anerkannt und registriert

2000: Gründung von Yizobona Tours

Das Township Crossroads mit seinen rund 20’000 schwarzen Bewohnern liegt beim Flughafen von Kapstadt, ca. 18 Kilometer südöstlich der südafrikanischen Stadt.

Crossroads hat eine bewegte, von Gewalt geprägte Geschichte. In den frühen 70er Jahren sah das südafrikanische Apartheid-Regime Crossroads als “Transit-Lager” vor für Schwarze, die später umgesiedelt werden sollten. Die Leute wehrten sich jedoch gegen diese Pläne und blieben dort.

1975 lebten 7000 Schwarze in 1027 Wellblechhütten. 1980 waren es bereits über eine halbe Million. 1983 bis 1986 kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen schwarzen Warlords.

Im August 1985 verhängte das Apartheid-Regime über Crossroads und über die meisten anderen Townships rund um Kapstadt den Ausnahmezustand. Armee und Polizei zerstörten Hunderte von “illegalen” Hütten. Allein 1986 wurden bei Unruhen 1000 Menschen getötet.

Die Bevölkerung von Crossroads litt bis 1993 weiterhin unter Gewalt. 1996 zeigte die südafrikanische Wahrheits- und Versöhnungs-Kommission auf, dass sämtliche gewaltsamen Auseinandersetzungen in Crossroads von der Apartheid-Regierung organisiert und geschürt worden waren.

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