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Immer mehr Krebskranke in armen Ländern

In den Ländern des Südens (hier Nicaragua) führt der Einsatz verbotener Pestizide zu erhöhtem Krebsrisiko. Keystone

Die Entwicklungsländer sind gleich doppelt von Krebs betroffen: Von jenem, der durch Armut verursacht wird und jenem, wie er in den Industriestaaten vorkommt. Interview mit dem Schweizer Onkologen Franco Cavalli zum Weltkrebstag.

40 Prozent der 12 Millionen Menschen, die jährlich weltweit an Krebs erkranken, könnten sich davor bewahren, wenn sie sich vor Infektionen schützen und ihre Lebensgewohnheiten ändern würden. Das ist die Botschaft der in Genf ansässigen Internationalen Vereinigung gegen Krebs (UICC) zum Welttag gegen Krebs vom Donnerstag und zur Kampagne “Krebs kann auch verhütet werden”.

Der weltweit renommierte Schweizer Onkologe Franco Cavalli ist Koordinations-Verantwortlicher für die internationalen Projekte der UICC, die er früher präsidierte.

swissinfo.ch: Ist das Thema des diesjährigen Welttages gegen Krebs eine Antwort auf einen sanitären Notfall oder auf die neusten Ergebnisse aus der Krebsforschung?

Franco Cavalli : Es geht vor allem um ein grosses Problem der öffentlichen Gesundheit in den Entwicklungsländern, die von einer Krebs-Explosion betroffen sind.

Weltweit sind 20 Prozent der Krebsfälle direkt oder indirekt auf chronische Infektionen zurückzuführen, eine Prozentzahl, die stark ansteigt in den armen Ländern. Im sub-saharischen Afrika entstehen fast 40 Prozent der Tumore im Zusammenhang mit chronischen Infektionen, während es bei uns rund 6 Prozent sind.

Dieser Zusammenhang zwischen Infektion und Krebs ist auch eine Folge der Entdeckung neuer Infektionen, die bei der Entwicklung der Krebskrankheit eine Rolle spielen.

swissinfo.ch: Sie sprechen von einer Krebs-Explosion in den armen Ländern. Welches sind die Gründe dafür?

F.C. : Nehmen wir den Gebärmutterhals-Krebs, der durch eine virale Infektion entsteht. Das ist die häufigste Krebsart bei Frauen in armen Ländern.

In den Industrieländern hingegen ist dieser Krebs am Verschwinden, dank der guten hygienischen Bedingungen und eines Gesundheitssystems, das diesen Krebs sehr früh erkennen kann.

In den Ländern des Südens nimmt dieser Krebs zu wegen der schlechten hygienischen Bedingungen und dem Fehlen der Frühdiagnose. Der grösste Teil der Frauen mit Gebärmutterhals-Krebs stirbt.

Heute sind diese Länder sowohl von allen Formen von Krebs betroffen, die im Zusammenhang mit Armut entstehen, wie auch mehr und mehr von Krebsarten, die in den reichen Ländern infolge der Lebensgewohnheiten vorkommen.

Weltweit werden jährlich 13 bis 14 Millionen neue Krebsfälle diagnostiziert. Eine Zahl, die sich 2030 auf 26 Millionen erhöhen könnte, wenn die gegenwärtige Tendenz anhält.

swissinfo.ch: Welches sind die häufigsten Krebsarten in den armen Ländern?

F.C. : Das variiert weltweit von Region zu Region. In Lateinamerika ist es bei den Frauen der Gebärmutterhals-Krebs und bei den Männern der Lungenkrebs (wie in Europa). Dann folgt der Magenkrebs, der in Europa dank der Kühlschränke abnimmt.

In Indien ist es bei den Männern der Mundkrebs, weil diese die Gewohnheit haben, Tabak zu kauen. In der Mongolei steht an erster Stelle der Leberkrebs, der durch den Virus Hepatitis B entsteht.

Bei nachhaltigen Lebensgewohnheiten und guten Umweltbedingungen könnten 40 bis 50% dieser Krebsarten verhindert werden.

swissinfo.ch: Steht die Schweiz in der Krebsforschung immer noch gut da?

F.C. : Die Schweiz steht sehr gut da auf der Ebene der Laborforschung, dank dem Schweizerischen Institut für experimentelle Krebsforschung (ISREC) in Lausanne. Das Institut gehört heute zur Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL).

Ebenfalls gut da steht unser Land im Bereich der therapeutischen Forschung. Allerdings wird der Fortschritt gehemmt durch die kantonale Struktur der Schweiz. Das ist übrigens eine Vorlage bei den eidgenössischen Abstimmungen vom kommenden 7. März.

Wenn der neue Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen von Volk und Ständen (Kantonen) angenommen wird, sollten die Rahmenbedingungen der therapeutischen Forschung besser werden.

Dagegen war bei der Entwicklungshilfe der Beitrag der Schweiz im Gesundheitsbereich lange Zeit bescheiden. Jetzt beginnt sich da etwas zu bewegen. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) finanziert zum Beispiel eine Pilotstudie der UICC über Gebärmutterhals-Krebs in Tansania.

Die Gesundheit wird immer mehr zu einem Thema in den internationalen Beziehungen. Das realisiert auch die Schweiz. Die Gesundheit ist ein grundsätzliches Problem für die Entwicklung des Südens und folglich auch für die Entwicklungshilfe.

Frédéric Burnand, Genf, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Jean-Michel Berthoud)

Krebs ist weltweit die Todesursache Nummer 1. Die Zahl der Fälle nimmt laut der Weltgesundheits-Organisation WHO zu.

Belief sich die Zahl der Todesfälle 2007 auf 7,9 Millionen, dürfte sie 2030 auf 11,5 Millionen steigen. Das wäre eine Zunahme von 45% – bei einer Weltbevölkerung, die wächst und immer älter wird.

Gemäss Experten könnte das Krebsrisiko mit Präventionsmassnahmen wie geringem Alkohol- oder Tabakkonsum, regelmässiger Bewegung und gesunder Ernährung um 40% verringert werden.

In der Schweiz erkrankt eine von drei Personen in ihrem Leben an Krebs.

Jedes Jahr werden gegen 36’000 neue Fälle diagnostiziert, davon gut 19’000 bei Männern und über 16’000 bei Frauen.

Rund 15’000 Menschen in der Schweiz sterben jährlich an Krebs.

Männer sind vor allem von Prostata- oder Lungenkrebs betroffen, bei den Frauen sind der Brustkrebs und der Darmkrebs vorherrschend.

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