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Schweizer Qualität stimuliert auch Medizintourismus

Immer mehr Ausländer kommen wegen schönheitschirurgischen Behandlungen wie Fettabsaugen in die Schweiz. Keystone

Sei es für ein jüngeres Aussehen oder nach Unfällen – immer mehr Ausländer interessieren sich für schönheitschirurgische Behandlungen in der Schweiz. Ein wichtiger Faktor sind dabei die Qualität und Diskretion, die sich die Patienten versprechen.

Das Image der Schweiz für die hohe Qualität von Luxusprodukten habe sich auch auf die plastische und die Wiederherstellungs-Chirurgie ausgedehnt, sagt Gregor Frei, Geschäftsführer des Vereins Swiss Health, dessen Zweck es ist, das Schweizer Gesundheitswesen zu vermarkten.

“Zugenommen hat nicht nur die Nachfrage nach plastischer Chirurgie, sondern auch nach Wiederherstellungs-Chirurgie nach Unfällen oder Brustkrebs-Behandlungen”, so Frei.

“Vor wenigen Monaten waren wir in China und haben festgestellt, dass die Schweiz eine gewisse Reputation hat in der ästhetischen Medizin und plastischen Chirurgie.”

Die Agentur “Rayan Partners” in Montreux, die sich auf die Vermarktung von Schweizer Instituten mit hoher Qualität spezialisiert hat, erhalte wöchentlich 15 bis 25 Anfragen von Kunden, die Fragen zur plastischen Chirurgie in der Schweiz stellten, sagt Direktorin Anna Kosmina. Die Zahl der Anfragen sei sogar doppelt so hoch, wenn man alle kosmetischen Behandlungen dazu zähle.

“Die Schweiz ist bekannt für ihre Qualität. In einem kleinen Land ist es einfacher, Qualität zu garantieren, weil die Angebote häufiger kontrolliert werden”, sagt Kosmina.

Kunst und Diskretion

Aber nicht nur die Qualität, sondern auch das Umfeld, in dem kosmetische Behandlungen durchgeführt würden, beeinflusse die potentielle Kundschaft. “Hier legt man Wert auf die ‘Kunst’ in der plastischen Chirurgie. Anders als zum Beispiel in den USA wird versucht zu verhindern, dass die Behandlung sichtbar ist. Ich würde nicht behaupten, dass alle Chirurgen diese Einstellung haben, aber viele bevorzugen ein Arbeitsresultat, das so natürlich wie möglich aussieht.”

8 bis 10 Prozent ihrer Kunden interessierten sich für plastische Chirurgie oder kosmetische Behandlungen, schätzt Jan Sobhani, Direktor der Agentur Swixmed in Zürich. Kulturelle Erwägungen spielten ebenfalls eine Rolle, weshalb die Kunden aus gewissen Ländern diese Dienstleistungen in der Schweiz nachfragten.

“Wenn Sie Amerikanerin wären und wie die American Beauty aussehen möchten, würden Sie nicht nach Europa reisen. Aber bei Russen, Europäern im Allgemeinen und Leuten aus arabischen Ländern gibt es eine gewisse Nachfrage, und das Know-how kann die Erwartungen erfüllen”, sagt Sobhani.

Ein grosser Teil ihrer Klientel werde vom privaten Bankensektor auf Swixmed aufmerksam gemacht. Rund 40 Prozent der Kunden würden die Beträge von Konten auf Schweizer Banken überweisen, sagt Sobhani. Einige wiesen darauf hin, dass sie mit der Schweiz eine Vertrauensbasis und eine enge Verbindung hätten.

Und wenn die Patienten mit komplexer Behandlung von ihren Verwandten oder Freunden besucht werden, interessierten sich diese häufig selber für kosmetische Angebote.

Ein wichtiger Faktor im Gesundheitsmarketing sei aber auch die Diskretion, sagen Frei und Kosmina übereinstimmend.

“Es hat mit der Kultur und der Mentalität zu tun. Hier bevorzugen die Leute die Natürlichkeit und Diskretion, und das überträgt sich auf die plastische Chirurgie”, sagt Kosmina. “Die Patienten lassen sich lieber dort behandeln, wo niemand sie kennt.”

Wachsender Markt

Weil die meisten Behandlungen von den Kunden direkt bezahlt werden, gibt es – abgesehen von gewissen Zahlen der Versicherungsfirmen oder Regierungsstellen – nur wenige statistische Angaben über das Wachstum der Branche.

Der Bericht 2011 von Euromonitor International schätzt, dass der Umsatz im Medizintourismus in der Schweiz 2011 um 20 Prozent auf 1 Milliarde Franken gewachsen ist. Laut Sobhani nimmt die Nachfrage aus dem Ausland nach plastischer Chirurgie im gleichen Ausmass zu wie jene nach allgemeinen medizinischen Leistungen.

Kunden aus Ländern wie China und Russland, in denen die Mittelklasse rasant zunimmt, aber auch aus anderen ehemaligen Sowjetrepubliken und Golfstaaten, interessieren sich sehr für Schweizer Schönheitschirurgie, sagt Frei.

Aber die Anzahl Kunden aus Ägypten, Syrien und Griechenland habe in den letzten zwei Jahren im Gleichschritt mit den sozialen und ökonomischen Umwälzungen stark abgenommen, sagt Kosmina.

Wer verlangt was?

Vor allem chinesische Kunden seien sehr begeistert von der Zelltherapie, die von exklusiven Medizin- und Wellness-Resorts wie jene der Klinik La Prairie in Montreux angeboten würden. Die Nachfrage von Ausländern nach kosmetischer Chirurgie und Behandlung “nimmt laufend zu”, schreibt Arian Repond, Sprecher der genannten Klinik auf entsprechende Fragen von swissinfo.ch.

Revitalisierungs-Behandlungen – bei welchen eine konzentrierte Lösung biologisch aktiver Substanzen, die aus der Leber junger Lämmer entnommen wurde, während zwei Tagen verabreicht wird – gehören bei den meist ausländischen Klinikkunden zu den beliebtesten.

“Für unser Programm kommen die meisten Patienten aus China, Russland, Lateinamerika und Europa”, sagt Repond. “Sehr oft besuchen sie auch unser Zentrum für ästhetische Medizin. Jede Nationalität hat spezielle Wünsche.”

Laut Sobhani haben chinesische Kunden Präferenzen für ästhetische Verfahren wie Augenkorrekturen, um ihren Augen eine runde Form zu verleihen, und ausgefallenere Wünsche für chirurgische Eingriffe werden bei Swixmed oft abgelehnt.

“Es gibt Standard-Verfahren, aber bei Saudis zum Beispiel stellen wir fest, dass sie grosses Interesse haben an Behandlungen zur Gewichtsreduktion, wie Fettabsaugen, während sich die Russinnen und Russen vorwiegend für Brust- oder Gesichtschirurgie interessieren.”

Der Umsatz des Medizintourismus in der Schweiz wird laut Schätzungen von heute 850 Millionen Franken bis 2015 auf rund 1 Milliarde Franken steigen.

Eine Studie des Gottlieb Duttweiler Instituts schätzt, dass jedes Jahr 30’000 Personen aus medizinischen Gründen die Schweiz besuchen und mehr als 1 Milliarde Franken für Behandlungen ausgeben.

Die Vereinigung der Schweizer Spitäler, die 370 öffentliche und private Institute umfasst, schätzt dass 1 bis 2 Prozent der Patienten aus dem Ausland kommen.

Die grösste private Gesundheitsklinik, die Hirslanden Klinikgruppe, rechnet in den nächsten 5 Jahren mit einem jährlichen Wachstum der Zahl ausländischer Patienten von 10 Prozent.

Die Klinik arbeitet mit Spitälern in Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammen, um Kunden aus dieser Region anzuziehen.

(Quelle: Euromonitor International “Health and Wellness Tourism in Switzerland”)    

(Übertragen aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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