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Massives Ja zur Verschärfung des Asylrechts

Essen auf dem Boden: Asylzentren sind überfüllt. Keystone

Das Schweizer Stimmvolk hat eine weitere Verschärfung des Asylgesetzes mit 79% Prozent der Stimmen gutgeheissen. Für die Befürworter ist das Ja ein nötiger Schritt hin zu kürzeren Asylverfahren. Für die Gegner ist es eine unnötige Verschärfung auf Kosten der Flüchtlinge.

Künftig können Asylgesuche nicht mehr auf einer Schweizer Botschaft im Ausland eingereicht werden, sondern nur noch in der Schweiz selber. Deserteure und Wehrdienstverweigerer werden nicht mehr automatisch als Flüchtlinge anerkannt, und Asylsuchende, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedrohen, werden in speziellen Zentren untergebracht.

Der Bund kann nun seine Bauten (vor allem Militäranlagen) ohne kantonale oder kommunale Bewilligungen zur Unterbringung von Asylsuchenden nutzen und die Asylverfahren sollen innert einer kürzeren Frist abgewickelt werden als bisher.

Mit dem klaren Ja ist das Stimmvolk den Empfehlungen von Bundesrat, Parlament und der politischen Mitte gefolgt. Das Parlament hatte die Gesetzesänderungen im Herbst 2012 für dringlich erklärt. Deshalb sind sie bereits in Kraft und werden nun bis Ende September 2015 gelten.

Ziel: kürzere Verfahren

Für den Bund ist die Vorlage ein wichtiger Schritt für die bereits angekündigte, tiefgreifende Revision des Asylgesetzes: Die vom Volk gutgeheissenen Bestimmungen erlauben es, in einer Testphase von zwei Jahren neue Asylverfahren in bundeseigenen Test-Asylzentren zu erproben mit dem Ziel, die zum Teil Monate oder Jahre dauernden Verfahren zu verkürzen.

Entscheide über Asylgesuche sollen in rund 100 Tagen in Bundeszentren fallen; dafür erhalten die Asylsuchenden kostenlosen Rechtsschutz. An den Verfahren beteiligte Personen und Stellen sollen am selben Ort untergebracht sein. Auf diese Eckwerte haben sich Bund und Kantone im Januar verständigt; eine Vernehmlassung wurde für 2013 angekündigt.

Das Ja vom Wochenende sei ein “Schritt auf dem Weg hin zu einer Beschleunigung der Asylverfahren”, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien in Bern. Es gebe einen breiten Konsens darüber, dass die Verfahren zu lange dauerten und das sei “auch für die Asylsuchenden ein Problem”.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Am Verdikt zur Volkswahl des Bundesrates gibt es nichts zu rütteln: 1’549’800 Stimmberechtigte lehnten die Initiative der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei ab, 480’400 stimmten zu. Auch alle Kantone schickten das Begehren bachab, mit Nein-Anteilen zwischen 67 und 82%. Die klarsten Signale stammen aus der Westschweiz. Im Jura betrug der Anteil der gegnerischen Stimmen 82%, gefolgt von Neuenburg…

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Westschweiz etwas weniger deutlich

Die Vorlage wurde in allen Kantonen deutlich angenommen, in der Deutschschweiz mit deutlich höheren Ja-Anteilen als in der Westschweiz. Besonders viele Ja-Stimmen kamen aus der Zentralschweiz und der Ostschweiz – in all diesen Kantonen sagten mehr als 80 Prozent der Stimmenden Ja.

Etwas skeptischer waren die Westschweiz und das Tessin: Die Genfer Stimmberechtigten sagten mit 61,3 Prozent Ja, die Stimmberechtigten im Jura mit 66,2 Prozent. Den höchsten Anteil Ja-Stimmen in der Romandie hatte das zweisprachige Wallis mit 76,8 Prozent. Im Tessin unterstützten 74,9 Prozent die Vorlage.

Migrationsdruck

Die breite Zustimmung widerspiegelt laut dem Vizepräsidenten der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei, Claude-Alain Voiblet die Stimmung in der Bevölkerung. Die vorherrschende Meinung im Volk decke sich in diesem Bereich mit der Politik seiner Partei.

Die gute Wirtschaftslage der Schweiz und der freie Grenzverkehr führten zu einem grossen Migrationsdruck, sagte Voiblet. “Das Volk lässt sich nicht hinters Licht führen. Es realisiert, dass das Asylgesetz missbraucht wird.” Das Abstimmungsergebnis sei ein “starkes Zeichen” an die Bundesbehörden.

Voiblet betonte, dass sich seine Partei nicht mit der nun angenommenen Asylgesetzrevision zufrieden geben werde. “Das ist lediglich eine erste Etappe. Wir werden weitermachen, denn es braucht Massnahmen gegen den Sozialtourismus.”

Verschärfungen mehrheitsfähig

Die sozialdemokratische Nationalrätin Silvia Schenker glaubt nicht, dass das deutliche Ja zur Asylgesetzrevision den Befürwortern von Verschärfungen zusätzliche Argumente liefert. “Weitere Verschärfungen werden so oder so kommen”, sagte Schenker.

Die Stimmung im Land sei nun einmal so, dass Verschärfungen mehrheitsfähig seien, sagte Schenker. Sie sei aber nach wie vor der Überzeugung, dass es richtig gewesen sei, das Volk über die Asylgesetzrevision abstimmen zu lassen. Schenkers Partei, die SP, hatte sich angesichts der geringen Erfolgsaussichten gegen eine Beteiligung am von den Grünen lancierten Referendum ausgesprochen. Das Resultat sei “nicht ganz überraschend”. Trotzdem zeigte sich Schenker enttäuscht über die Deutlichkeit des Resultats. “Uns ist es nicht gelungen, die rund 30% zusammenzubekommen, die sich bei früheren Abstimmung jeweils gegen Verschärfungen ausgesprochen haben.”

“Desaster”

Als “Desaster” für Asylsuchende und Flüchtlinge”, das “keine Gewinner” zurücklasse bezeichnet das Komitee gegen die Asylgesetzrevision das Resultat. Die Befürworter hätten die Verschärfung als Beschleunigungsvorlage verkauft, “statt zuzugeben, dass es im Kern um klare Verschärfungen ging. Dieses falsche Spiel verschleierte den Blick auf das Wesentliche: die Annahme dieser Revision verschärft die Situation für Asylsuchende”.

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