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Hans Küng – der Wilhelm Tell des Katholizismus

Kirchenkritiker und Bestsellerautor Hans Küng. Keystone

Er hat mehr als 50 Bücher geschrieben, viele davon Bestseller, und ist einer der bekanntesten Schweizer weltweit: Der Theologe Hans Küng. Am Mittwoch wurde er 80 Jahre alt.

Seine Kritik an der Unfehlbarkeit der Kirche kostete ihn die Lehrerlaubnis, hat ihn aber nicht zum Schweigen gebracht.

“Der ‘Gegenpapst’ verlässt das Katheder”, titelte die “Basler Zeitung” 1996, als der aus Sursee stammende Hans Küng nach 36 Jahren Lehrtätigkeit an der Universität Tübingen in Pension ging.

Gemeint war Küngs Kritik an der Unfehlbarkeit der Kirche, die ihn 1979 die “missa canonica”, die Lehrerlaubnis, kostete.

Tübingen ermöglichte ihm damals mit einem Trick die weitere Lehrtätigkeit: Sein Institut wurde einfach aus der Fakultät ausgliedert.

“Gegenpapst” war nicht gerade der Berufswunsch des Schuhmachersohnes. “Herr, lass mich in allen Dingen immer zum Papst sehen”, schrieb er als 21-Jähriger fromm in sein geistliches Tagebuch.

Vom Musterknaben zum Rom-Rebellen

Zunächst machte er auch glänzende Karriere im Schoss des Vatikans: Er wurde in die Päpstliche Elite-Institution Collegium Germanicum aufgenommen, eine Ehre, um die sich etwa gleichzeitig Karol Wojtyla erfolglos bemühte. Und 1962 berief ihn Papst Johannes XXIII. zum Konzilstheologen.

Doch bald einmal machte Küng sein Innerschweizer Stierengrind Scherereien. “Aus dem Land Wilhelm Tells habe ich natürlich eine gewisse Standfestigkeit mitbekommen, die Hierarchen oft missfällt”, sagt er heute. Schon 1957 veranlasste die Doktorarbeit, mit der er an der Sorbonne abschloss, den Vatikan zur Anlage eines Inquisitionsdossiers.

Die Universität Tübingen dagegen fand dieselbe Arbeit – für viele ein Grundlagenwerk der Ökumene – so beeindruckend, dass sie den erst 32-jährigen Küng nach drei Jahren Vikariat an der Luzerner Hofkirche zum Professor für Fundamentaltheologie machte.

Verfemt aber nicht mundtot

Neben seiner Lehrtätigkeit publizierte Küng Bücher, die weit über Fachkreise hinaus gelesen wurden. Darunter 1970 der Bestseller “Unfehlbar? Eine Anfrage”, der den jahrelangen Konflikt mit dem Vatikan eröffnete.

Der Bannstrahl der Kirche machte ihn 1979 keineswegs mundtot. Er stellt bis heute die Unfehlbarkeit des Papstes in Frage und setzt sich ein für die Abschaffung von Zölibat und für die Erlaubnis von Familienplanung und Priesterinnenweihe.

Papst und Gegenpapst vereint

Zum Erstaunen vieler wurde Küng 2005 von Papst Benedikt XVI. zur Audienz geladen. Allerdings wurden strittige Kirchenthemen beim Gespräch bewusst ausgeklammert, sagt Küng. Thema sei vor allem das Projekt der 1995 gegründeten Stiftung Weltethos gewesen. Küng hat es initiiert und leitet die Stiftung als Präsident.

Angesichts der Polarisierungen zwischen fanatischen Muslimen, Christen und Juden könnte Küngs Weltethos-Anliegen aktueller kaum sein. Statt auf Abgrenzung setzt er auf den allen Religionen gemeinsamen ethischen Kern für eine bessere Entwicklung der Menschheit. “Ohne Weltethos kein Weltfriede”, lautet seine Devise.

Mit dem Papst dürfte Küng auch über alte Zeiten geplaudert haben. Die beiden lehrten einst gemeinsam in Tübingen. Und wenn es regnete, nahm Küng den Velofahrer Ratzinger jeweils in seinem Alfa Romeo (allerdings ein unspektakulärer Giulia) mit – Papst und Gegenpapst im selben Schlitten.

swissinfo und Agenturen

Hans Küng ist 1928 in Sursee im Kanton Luzern geboren.
Studium der Philosophie und Theologie in Rom, 1955 Ordination zum katholischen Priester.
Ab 1960 Ordentlicher Professor Uni Tübingen.
1962/65: Offizieller Berater des 2. Vatikanischen Konzils, zusammen mit Joseph Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI.
1966: Küng holt Ratzinger nach Tübingen.
Bis 1996 Lehrstühle Uni Tübingen.
1995 Präsident Stiftung Weltethos.
Zahlreiche Gastprofessuren, zahlreiche Dr. h.c., zahlreiche Preise.

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