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Franzose lässt in der Schweiz Salat der Zukunft wachsen

Seit 2011, zuerst in Yverdon, arbeitet Benoît de Combaud an einem System, mit dem er den Anbau von Salat und anderer Pflanzen mit essbaren Blättern im Gewächshaus automatisieren will. Erst in der Schweiz konnte er sein Projekt zur Marktreife führen. swissinfo.ch

Benoît de Combaud ist Franzose, aber er hat sich für die Schweiz entschieden, um sein revolutionäres Verfahren für Hors-Sol-Salate zu entwickeln. Nach über fünf Jahren Forschung und Entwicklung ist seine Erfindung jetzt marktreif. Ein Treffen mit einem Agrotech-Innovator.

Benoît de Combaud ist ein vielbeschäftigter Mann. Doch auch wenn er noch allerletzte Einstellungen an seiner neuen Apparatur zur automatischen Salatbeförderung vornehmen muss und ein Treffen mit einem Spezialisten für Pflanzennahrung ansteht, findet der Ingenieur zwischendurch eine Stunde Zeit für uns.

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Wir sind in seinem Hauptquartier in Molondin, einem kleinen Bauerndorf im ländlichen Waadtland. Hier hat er seit 2012 seine Büros und Test-Gewächshäuser aufgebaut. Klar, dass wir hier nicht alles fotografieren oder filmen dürfen: Sein Unternehmen CombagroupExterner Link ist daran, das Startup-Kleid abzuwerfen und den grossen Schritt in die gnadenlose, von hartem Wettbewerb geprägte Welt der Lebensmittelindustrie zu vollziehen.

De Combaud ist trotzdem bereit, über einige der Geheimnisse der Kulturen seiner zu 100% biologischen Salate, die lokal produziert werden und wenig Platz brauchen, den Schleier zu lüften. Mit diesen hofft er, bald weltweit die Teller der Konsumentinnen und Konsumenten zu erobern.

swissinfo.ch: Wie kamen Sie auf die Idee, in den Markt der Hors-Sol-Salate einzusteigen?

Benoît de Combaud: Die Automatisierung der Landwirtschaft bietet zahlreiche Möglichkeiten, besonders was Gewächshaus-Kulturen betrifft. Doch während bei gewissen Kulturen – Paprika, Tomaten, usw. – Fortschritte gemacht wurden, hat sich der Salatanbau nicht vorwärtsbewegt.

Meine Idee ist, die Produktivität zu steigern und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Umwelt drastisch zu reduzieren. Und unter all den verschiedenen Arten von Hors-Sol-Kulturen, die alle den Vorteil haben, dass sich kein Erdreich erholen muss und man das ganze Jahr produzieren kann, erscheint mir die Aeroponik die vielversprechendste Technik.

swissinfo.ch: Was genau ist Aeroponik?

B.d.C.: Es geht darum, eine Nährstofflösung – ein Mix aus Wasser, Mineralsalzen und Sauerstoff – ganz fein und direkt über die Salatwurzeln zu zerstäuben. Der Salat entwickelt sich dann ohne Kontakt mit Erde oder Wasser. Diese Technik ist besonders effizient, sie existierte bisher aber nur im Labor.

Der Franzose Benoît de Combaud schätzt die Unterstützung, die Startups in der Schweiz geniessen. swissinfo.ch

Um in einem industriellen Massstab herzustellen, muss man zahlreiche Hindernisse überwinden: Wir haben eine Art Roboter mit Düsen entwickelt, der den Wurzeln entlangfährt und dabei einen stetigen Nährstoff-Nebel abgibt.

Gleichzeitig brauchten wir ein System von Robotern, welche die Salate je nach Wachstumsstadium verschieben. Jeden Tag werden Salate geerntet, was uns ermöglicht, die freigewordenen Plätze gleich wieder für neue Setzlinge zu nutzen.

Diese Rationalisierung erlaubt es, zehn Mal pro Jahr Salate zu produzieren, gegenüber einer Freiland-Kultur mit zwei Ernten. Damit und durch den geringeren Platzbedarf können wir die Produktion um den Faktor 35 erhöhen.

swissinfo.ch: Welche weiteren Vorteile birgt diese Technik?

B.d.C.: Auf einem Feld versickern etwa 90% der Nährstoffe im Boden und gehen deshalb verloren. Bei der Hors-Sol-Kultur, und besonders bei der Aeroponik, haben wir die Möglichkeit, das Wasser und die Mineralsalze zu rezyklieren. Deshalb brauchen wir viel weniger Ressourcen. Und weil wir uns in einem kontrollierten Umfeld befinden, können wir auf Pestizide verzichten, weshalb unsere Salate zu 100% biologisch sind.

swissinfo.ch: Wie weit sind Sie mit Ihrer Erfindung?

B.d.C.: Nach fünf Jahren Forschung und Entwicklung beginnen wir, unser System in mehreren europäischen Ländern zu verkaufen. Der Bau des ersten Gewächshauses zum kommerziellen Anbau wird im September in Frankreich beginnen.

Die Combagroup hat bereits mehrere Preise für ihr neuartiges Konzept gewonnen und wird regelmässig unter die 100 besten Schweizer Startups klassiert. swissinfo.ch

swissinfo.ch: Wer interessiert sich für Ihr System?

B.d.C.: Unsere Kunden sind Unternehmen, die sich auf die Verarbeitung von Salaten im Beutel spezialisiert haben, oder Gemüsegärtner, die nach Lösungen suchen, um lokal zu produzieren. Sie suchen nach einem sauberen Salat mit gleichbleibendem Gewicht und dicken Blättern. Die Aeroponik-Kultur erfüllt diese Erwartungen.

“Unternehmer werden in der Schweiz mit offenen Armen aufgenommen, besonders Innovatoren.”

Ausserdem können wir konkurrenzfähige Preise anbieten. Klar, es braucht am Anfang eine beträchtliche Investition, doch danach sind die Betriebskosten gering. Es ist ein Paradigmenwechsel: Auf einem Feld reicht es, Salat anzupflanzen, aber die Produktivität ist tief und die Kosten für Arbeitskräfte und Betriebsmittel sind hoch.

swissinfo.ch: Warum haben Sie sich für die Schweiz und besonders dieses kleine Waadtländer Bauerndorf mit knapp 200 Seelen entschieden, um ihre Technologie zu entwickeln?

B.d.C.: Ich habe in Paris und London studiert und Praktika in Singapur und Dubai absolviert. Das ist also schon eine grosse Veränderung, sich in Molondin wiederzufinden (lacht). Ich war der Meinung, in Frankreich sei es zu kompliziert, ein Unternehmen zu gründen, mir gefiel die Art und Weise nicht, wie dort mit Unternehmern umgegangen wurde.

Ich schwankte deshalb zwischen England, wo ich einen Teil meines Studiums absolviert habe, und der Schweiz. Schliesslich entschied ich mich für Letztere, die ich schon kannte, weil ich hier Familie habe. Unternehmer werden hier mit offenen Armen aufgenommen, besonders Innovatoren.

Ich fand hier buchstäblich fruchtbare Erde, um meine Ideen und mein Unternehmen zu entwickeln, weil ich Unterstützung erhielt durch den Kanton Waadt, die Eidgenossenschaft und ein ganzes Ökosystem, das im Dienste von Startups steht.

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swissinfo.ch: Sie betonen die ökologischen Vorteile Ihres Systems. Ist das nicht einfach ein Marketing-Argument für Produkte für den grossen Markt?

B.d.C.: Das ist kein Marketing! Der tiefe Wunsch der Combagroup ist, einen Salat zu produzieren, der weniger starke Auswirkungen auf die Umwelt hat. Wir gehen sehr weit für das Ziel, unsere Gewächshäuser möglichst nah am Endkunden aufzustellen, um den Transport der Salate so kurz wie nur möglich zu gestalten.

“Wir bieten einen lokal und ganzjährig produzierten Salat an, ohne Chemieeinsatz und mit vollständiger Rückverfolgbarkeit.”

Um auch im Winter zu produzieren, statten wir unsere Gewächshäuser mit der sparsamen LED-Technologie aus und heizen sie mit der Abwärme der Verpackungsanlagen. Dank dieser Anstrengungen wurden wir auch von der Schweizer Klimastiftung ausgezeichnet.

swissinfo.ch: Wie wollen Sie die Konsumenten davon überzeugen, Ihre Hightech-Salate zu essen?

B.d.C.: Heute werden bereits 90% aller weltweit produzierten Tomaten Hors-Sol angebaut, und das scheint nicht wirklich viele zu stören. Man muss wissen, dass Salate während der Wintermonate prinzipiell in Spanien und Süditalien produziert und per Lastwagen nach Nordeuropa transportiert werden.

Wir bieten einen lokal und ganzjährig produzierten Salat an, ohne Chemieeinsatz und mit vollständiger Rückverfolgbarkeit. Ist es nicht das, was sich die Konsumenten wünschen?

swissinfo.ch: Geschmacklich stellt man sich aber vor, dass Ihr Salat nicht an einen herankommt, der auf dem Boden und mit Sonnenlicht aufgewachsen ist?

B.d.C.: Denken Sie noch einmal nach! Die von uns produzierten Salate sind besonders lecker. Der Beweis dafür ist, dass viele Sterneköche nach Hors-Sol-Salat suchen. Zudem ist die Frische garantiert, denn der Salat kann gleichentags geerntet und gegessen werden, quasi vor Ort.

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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