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Kirche bittet Pädophilie-Opfer um Verzeihung

Bischof Bernard Genoud will das Thema Pädophilie in der katholischen Kirche endlich enttabuisieren. Keystone

Der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg hat sein Schweigen gebrochen und zu den sexuellen Übergriffen in seinem Bistum Stellung genommen. Er bittet die Opfer um Verzeihung.

Um mehr Transparenz zu schaffen, hat Bischof Genoud eine interdisziplinäre Kommission ins Leben gerufen. Sie soll Informationen zu möglichen sexuellen Übergriffen innerhalb der Kirche verifizieren.

“Es hat mich erschüttert, in den Medien über die Fälle von Pädophilie zu lesen”, sagte Bernard Genoud. Und weiter: “Viel zu oft und allzu lange schon wird Pädophilie in der Gesellschaft und in der Kirche tabuisiert.”

Dieses Schweigen habe zu dramatischen Situationen geführt. Um dagegen anzukämpfen, hat der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg eine interdisziplinäre Kommission eingesetzt. Diese soll alle Informationen über mögliche sexuelle Missbräuche innerhalb der Kirche sammeln und verifizieren.

Präsidiert wird das Gremium von der ehemaligen Untersuchungsrichterin des Saanebezirks, Françoise Morvant. Ziel ist laut Genoud auch, die Prävention zu verbessern, etwa durch eine bessere Ausbildung angehender Priester.

Bitte um Verzeihung

Der Bischof bat die Opfer um Verzeihung “für den Mangel an Transparenz, Klarheit, Kommunikation und Mut”. Gleichzeitig unterstrich Genoud aber auch, dass der Klerus grossmehrheitlich gesund sei. “Man darf nicht in jedem Priester einen Pädophilen sehen”, sagte er.

Am Mittwoch bestätigte das Bistum Lausanne-Genf-Freiburg Medienberichte, dass zwei Priester wegen Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern bei der Justiz angezeigt worden seien – einer im Kanton Freiburg, der andere im Kanton Genf.

In beiden Fällen stammte die Anzeige von der Diözese. Die Behörden in den beiden Kantonen leiteten Ermittlungen ein.

Pädophiler Kapuziner

Zudem beschäftigt der Fall eines pädophilen Kapuzinerpriesters die Behörden im In- und Ausland. Dieser hatte jüngst gestanden, in den 1980-er Jahren im freiburgischen Lully einen damals zehnjährigen Knaben missbraucht zu haben. In Frankreich kam es gemäss seinen Aussagen auch zu Übergriffen auf seinen minderjährigen Neffen.

Weil der Priester seit Herbst 2005 wieder in der Schweiz in einem Kloster in Delsberg lebt, hat auch die jurassische Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet.

Experten überprüfen Richtlinien

Eine Expertenkommission der Schweizer Bischofskonferenz prüft derzeit die bestehenden Richtlinien aus dem Jahr 2002. Diese sehen vor, dass Opfer in jedem Fall auf ihr Recht hingewiesen werden sollen, Strafanzeige zu erstatten.

Gleichzeitig werden die Täter zu einer Selbstanzeige aufgefordert. Kirchliche Amtsträger und Mitarbeiter sollen mindestens dann Strafanzeige erstatten, “wenn sich die nahe Gefahr von (namentlich pädophilen) Wiederholungstätern nicht auf andere Weise bekämpfen lässt”.

swissinfo und Agenturen

1998 Verurteilung eines ehemaligen Tessiner Pfarrers wegen sexuellen Handlungen mit Kindern.

1999 Bedingte Strafe für den ehemaligen Pfarrer von Chiasso wegen sexueller Handlungen mit Minderjährigen.

2000 Bedingte Strafe für einen Priester, der in Bern eine Frau bei Seelsorge-Gesprächen sexuell ausgebeutet hatte.

2001 Verurteilung eines pädophilen Priesters im Kanton Jura wegen Pornographie. Frühere Übergriffe auf Kinder waren bereits verjährt.

2003 Im Kanton St. Gallen wird ein katholischer Pfarrer wegen Missbrauchs von Kindern zu viereinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Prozess kamen auch pädophile Verfehlungen seines Vorgängers heraus.

In den USA sieht sich die katholische Kirche seit Jahren mit Vorwürfen konfrontiert, den sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester zu vertuschen.

Gemäss einer Studie im Auftrag der amerikanischen Bischofskonferenz sind in den letzten 50 Jahren mehr als 10’000 Kinder von Priestern sexuell missbraucht worden. Täter waren insgesamt rund 4400 Priester.

Der Erzbischof von Boston musste 2002 wegen des Vorwurfs zurücktreten, Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht zu haben.

2002 beschlossen die katholischen Bischöfe der USA einen Massnahmenkatalog gegen pädophile Priester.

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