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Klima: Schweiz schlägt gemeinsames Vorgehen vor

Im Kampf gegen die Klimaerwärmung sei die Besteuerung von Finanztransaktionen oder fossilen Energieträgern eine Utopie, sagt die Schweizer Umweltministerin Doris Leuthard. Keystone

Ab 2020 sollen die Industrieländer die Energiewende in Entwicklungsländern mit jährlich 100 Milliarden US-Dollar finanzieren. Wie aber sollen diese oft sehr komplex zusammengestellten Beiträge bemessen werden? 18 Geberländer haben sich auf einen Vorschlag von Bundesrätin Doris Leuthard geeinigt.

“Bis jetzt wurde die Frage der Finanzierung der Klimapolitik ein wenig vernachlässigt”, sagte Doris Leuthard am 7. September in Paris. Die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und KommunikationExterner Link (UVEK) nahm an jenem Abend an zwei aufeinanderfolgenden multilateralen Sitzungen zur Finanzierung des Klimaschutzes in Entwicklungsländern teil. Dies zeigt, dass dieses Thema zentral für den Erfolg – oder Misserfolg – der 21. WeltklimakonferenzExterner Link (COP21) im Dezember in Paris sein wird.

2009 hatten sich die Industrieländer in Kopenhagen dafür eingesetzt, die Energiewende in Entwicklungsländern ab 2020 mit jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu unterstützen. Dieses Ziel wurde bei weitem nicht erreicht. Laut Schätzungen der Nichtregierungs-Organisation Oxfam belief sich der Betrag 2013 auf 17 bis 20 Milliarden Dollar.

“Man hat von uns keine Zwischenbilanz verlangt”, wandte Leuthard ein. Das Ziel sei 2020. Zudem bezweifelt sie die Zahlen, die ihrer Meinung nach die Realität unterschätzten.

Erfolgreiche Wette

Und dort liegt genau das Problem: Bis heute war man sich nicht einig, wie gezählt werden soll. “Die heute verfügbaren Daten vermitteln kein vollständiges Bild der Beiträge”, schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu). Deshalb organisierte Doris Leuthard gemeinsam mit Caroline Atkinson, Beraterin von US-Präsident Barack Obama in Klimafragen, am 4. und 5. September ein Treffen der 18 GeberländerExterner Link, um gemeinsame Kriterien für die Evaluierung festzulegen.

Eine erfolgreiche Wette: Die teilnehmenden Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Japan und Grossbritannien konnten sich auf eine gemeinsame “Methodik” einigen. Ein Vorgehen, bei dem die Aktivitäten des privaten Sektors wie auch multilateral realisierte Finanzierungen auf “transparente” Weise zusammengefasst werden sollen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird Anfang Oktober ihre Bilanz der Finanzierung der Klimapolitik gemäss diesen Kriterien ziehen. Dann wird man sehen, ob die 100 Milliarden Dollar in Reichweite oder im Gegenteil ein unerreichbares Ziel sind. Kurz, “ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht”, fasste Leuthard zusammen.

Zahlenstreit macht wütend

“Die Vorgehensweise der Schweiz ist interessant”, schätzt Alix Mazounie, Verantwortliche für internationale Politik bei der französischen NGO “Réseau Action Climat”. “Der Streit um die Zahlen macht uns seit zwei Jahren wütend. Die herumgebotenen Beträge schwanken zwischen 3 und 175 Milliarden Dollar!”

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Das Problem sei, “dass die Geldgeber möglichst weit gefasste Kriterien anwenden, um einen Betrag zu erreichen, der 100 Milliarden nahekommt”, gibt Mazounie zu bedenken. “Doch die klimatischen Auswirkungen privater Investitionen sind ziemlich zweifelhaft und sehr schwierig zu messen. Besonders dann, wenn diese nicht über offizielle Kanäle gingen.”

Für Romain Benicchio, Hauptberater Politik bei Oxfam, wird die offizielle Politik in dieser Frage die entscheidende Rolle spielen. “Deutschland hat versprochen, seine Klimabeiträge bis 2020 von zwei auf vier Milliarden Dollar zu verdoppeln. Diesem Beispiel sollte man folgen.”

Zur Finanzierung der Energiewende haben einige europäische Länder, aber auch Gruppen von Entwicklungsländern, alternative Möglichkeiten vorgeschlagen: eine Besteuerung von Finanztransaktionen oder fossilen Energieträgern. “Utopisch”, antwortete die Bundesrätin. Für eine neue Steuer sei keine Mehrheit zu gewinnen.

Erwärmung auf 2 Grad beschränken

Bis jetzt haben nur 56 Staaten ihren “nationalen Beitrag” eingereicht, das heisst, ihre Vorschläge zur Bekämpfung der Klimaerwärmung. Das globale Ziel ist, die Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten. “Ich glaube, der Wille ist da, in Paris zu einer Einigung zu kommen”, schätzt Leuthard. “Machen wir uns aber keine Illusionen: Momentan steuern wir eher in Richtung einer Erwärmung um drei Grad.”

Die Bundesrätin hat es eilig, an einem Text arbeiten zu können, und sei es nur der Entwurf einer Schlusserklärung. “Wir Minister brauchen ein Arbeitsdokument, um die Dinge in der Hand zu behalten und Ideen gutzuheissen oder abzulehnen”, erklärte sie. “Wir haben den Chefunterhändlern und der französischen Regierung deshalb etwas Dampf gemacht.”

COP21, entscheidender Termin

Vom 30. November bis zum 11. Dezember 2015 findet in Paris die 21. Klimarahmenkonvention der Vereinten NationenExterner Link (COP21/CMP11) statt. Der Weltklimagipfel 2015 ist ein entscheidender Termin, denn das Ziel ist ein neues, für alle Länder gültiges, internationales Klimaabkommen, um die globale Klimaerwärmung auf unter 2 Grad zu halten.

Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (englisch “UNFCCC”) wurde 1992 am Weltklimagipfel in Rio de Janeiro angenommen. Es ist seit dem 21. März 1994 in Kraft und wurde von 196 “Parteien”Externer Link (die meisten Länder der Welt) unterzeichnet.

Das Rahmenabkommen ist eine universelle Grundsatzvereinbarung, welche die Existenz eines durch den Menschen hervorgerufenen Klimawandels anerkennt und den Industrieländern das Primat der Verantwortung überträgt, dieses Phänomen zu bekämpfen.

Die Vertragsstaatenkonferenz (COP), der alle “Parteien” angehören, ist das oberste Organ des Übereinkommens. Sie trifft sich jedes Jahr während der Weltkonferenzen, um Entscheide zur Respektierung der Bekämpfung der Klimaziele zu treffen. Die Beschlüsse werden einstimmig oder einvernehmlich gefasst.

(Übertragen aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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