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“Sammeln ist ein Lebensstil”

Krise? Der Kunsthandel boomte auch 2011. Reuters

In der Schweiz wohnen 13 der 200 reichsten Kunstsammler der Welt. swissinfo.ch hat sich im Vorfeld der 43. Kunstmesse Art Basel mit einem von ihnen unterhalten.

Er ist 48 Jahre alt, von Beruf Uhrendesigner und sammelt seit 10 Jahren Werke von jungen Künstlern. Für ihn ist das Sammeln eine “persönliche Angelegenheit”. Deshalb will Xavier (richtiger Name der Redaktion bekannt) seinen Namen nicht öffentlich bekannt geben.

swissinfo.ch: Wieso diese Diskretion?

Xavier: Für mich ist das Sammeln eine Liebesgeschichte, die mich zudem auch mit meiner Frau verbindet. Ich liebe das Wort Sammler überhaupt nicht. Es ist eine Leidenschaft.

Für uns ist das ein Lebensstil. Einmal habe ich mich an der Art Basel öffentlich geäussert. Anschliessend habe ich mehr als 100 Briefe von Galerien erhalten. Es war die Hölle.

swissinfo.ch: Gehen sie dieses Jahr an die Art?

X.: Ich weiss es nicht, denn man wird dort zuweilen in einer wenig eleganten Weise bedrängt. Hinter jeder Kollektion steht der Kunstmarkt, der zuweilen unerträglich und zu stark kommerzialisiert ist.

In meinem Beruf funktioniere ich sehr weltgewandt, aber ich liebe diese Messen nicht. Doch vielleicht habe ich plötzlich Lust, dennoch nach Basel zu gehen, etwa um einen befreundeten Künstler zu treffen, oder vielleicht schaue ich mir einen der Preview-Tage an. Zuweilen ist dieser Zirkus ganz amüsant.

 

Ich gehöre nicht zum Kreis jener, denen man eine Limousine zur Verfügung stellt. Ich arbeite nicht mit den grossen Galerien zusammen, und als Kunde bin ich untreu.

Wir haben ein präzises Budget, aber das Geld interessiert uns nicht. Unsere Leidenschaft gilt den jungen Künstlern, deren Arbeiten wir gerne verfolgen und die wir persönlich kennen. Wir haben grossen Respekt vor ihnen.

swissinfo.ch: Nach welchen Kriterien kaufen Sie?

X.: Meine Frau und ich sind beide in kreativen Berufen tätig. Ich bin Designer, sie unterrichtet Kunstgeschichte. Wir haben beide einen eklektischen Geschmack. Unsere Kollektion ist bunt zusammengewürfelt, denn wenn wir irgendwohin gehen, machen wir einen Rundgang durch die Galerien.

Wir haben vor allem Zeichnungen, Malereien, wenige Fotos und einige kleine Installationen. Wir wohnen in einer Wohnung und haben nicht unendlich viel Platz.

Es stimmt, dass zeitgenössische Kunst nicht immer leicht zugänglich ist. Aber es passieren viele Dinge. Ein bisschen Verrücktheit ist manchmal positiv. Wir sind sehr offen und haben keine bestimmten Regeln, was wir kaufen oder nicht.

swissinfo.ch: Welche Art von Künstlern sammeln Sie?

X.: Sie kommen von überall her. Wir haben Schweizer, aber auch viele Amerikaner. Wir treffen dabei leidenschaftliche Leute, und wir lieben den Austausch. Die Jungen tun uns gut, sie stimulieren uns, denn unsere Gesellschaft ist sehr verbürgerlicht. Die Jungen Künstler stellen Fragen, die uns jung halten.

swissinfo.ch: Wie gehen Sie mit dem Platzproblem um?

X.: Es stimmt, dass sich ganz verschiedene Dinge anhäufen. Wir haben überall etwas: an den Wänden, in Kisten. Ich habe auch ein Depot bei meinen Eltern. Manchmal verliert man die Übersicht, man öffnet eine Kiste und entdeckt Sachen, die man vergessen hat. Doch die Erinnerung kommt umgehend, denn jedes Stück erinnert mich an einen Teil meines Lebens.

Wir stellen die Wohnung ständig um, lassen sie neu streichen und hängen die Bilder anders auf. Das bewegt sich ständig. Wir haben auch Werke, die bleiben dort, wo sie sind.

Ich hänge an den Bildern, bin aber kein Materialist und beschenke oft auch meine Freunde. Es gibt auch Dinge, die gefallen uns mit der Zeit nicht mehr. Das sind aber nur ganz wenige.

swissinfo.ch: Dennoch: Wenn ein Künstler an Wert gewinnt, macht Ihnen das doch Freude?

X.: Natürlich. Wir haben Werke von Künstlern, die Karriere machen – das ist faszinierend, aber nicht vor allem aus finanziellen Gründen. Es ist mehr der menschliche Aspekt, der uns Freude macht. Wenn Künstler von ihrer Arbeit leben oder sogar sehr gut leben können, dann umso besser.

Auf der anderen Seite gibt es viele Opfer der kommerziellen Maschinerie, und gewisse Künstler gehen allmählich zu Grunde.

1970 gründete eine Gruppe von Galeristen um Ernst Beyeler die Art Basel.

Die Messe umfasst  verschiedene Formen der bildenden Kunst: Bilder, Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Fotos, Performances und Videos.

Die 43. Ausgabe findet vom 14. bis 17. Juli statt.

Mehr als 300 Galerien (von 1000 angemeldeten) aus 36 Ländern stellen 10’000 Werke von mehr als 2500 Künstlerinnen und Künstlern aus.

Daneben gibt es auch Ausstellungsreihen mit jungen Künstlern.

(Übertragung aus dem Französischen: Andreas Keiser)

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