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Luzern jodelt

Am Eidgenössischen Jodlerfest darf nur mitsingen, wer den Test besteht. Keystone

Vom 26. bis 29. Juni findet in Luzern der wichtigste Volksmusikanlass der Schweiz statt: das Eidgenössische Jodlerfest. 12'000 Aktive und rund 200'000 Besucher sind vor Ort. Aber auch die Auslandschweizer-Jodler sind so zahlreich vertreten wie noch nie.

Wohl fast jeder Schweizer, jede Schweizerin, wurde im Ausland schon mal gefragt, ob er oder sie denn jodeln könne. Die wenigsten dürften es geschafft haben.

Echt schweizerisch (und nicht österreichisch) jodeln ist schwierig und nur wenige können es wirklich.

Wer allerdings am letzten Juniwochenende nach Luzern ans Eidgenössische geht, wird tatsächlich den Eindruck kriegen, die ganze Schweiz würde jodeln.

Doch in Luzern wird nicht einfach gesungen und gefestet. Zuerst muss nämlich der so genannte “Wettvortrag” erfolgreich hinter sich gebracht werden. Ein Versagen dämpft in der Regel die Festfreude gewaltig.

Strenge Jury

Vor kritischem Publikum und noch kritischeren Juroren tritt der Einzeljodler, die Gruppe oder der Jodlerclub im Vortragslokal an und singt seinen Wettvortrag.

In Luzern stehen mit dem Kultur-und Kongresszentrum (KKL), dem Theater oder den diversen Kirchen herausragende, wenn nicht einmalige Vortragslokale zur Verfügung.

Franz Markus Stadelmann ist der Leiter der Musikkommission. Er sagt gegenüber swissinfo: “Drei Juroren bewerten den Vortrag nach harmonischer Reinheit, Tongebung und Aussprache sowie Rhythmus und Dynamik.”

Pro Bewertung gibt es maximal 10 Punkte, und jeder Juror gibt noch weitere maximal 10 Punkte für den Gesamteindruck. Demnach, so Stadelmann, könnten total 60 Punkte gesammelt werden. Das sei dann aber ein absoluter Topvortrag.

“Zwischen 60 und 54 Punkte gibt es die so erstrebenswerte Auszeichnung ‘Sehr gut’ oder ‘Klasse 1’. Dann geht es runter mit gut, befriedigend oder halt dann unbefriedigend.”

Zahlreiche Auslandschweizer

“Natürlich hoffen wir auf ein ‘Sehr gut'”, sagt Peter Stapfer vom Jodlerclub Heimattreu aus dem kanadischen Calgary. Der Club hat 24 aktive Sängerinnen und Sänger und wird mit dem Jodellied “Schnittertanz” von Robert Fellmann in Luzern antreten.

“Es ist uns wichtig, dass wir am schweizerischen Umfeld gemessen und bewertet werden”, sagt Stapfer und freut sich auf das Jodelfest und vor allem auch auf die anderen Auslandschweizer-Vereine. “Die aus New Glarus, aus Australien und Neuseeland und all die andern.”

Mit 24 Wettvorträgen aus Kanada, Australien, USA, Neuseeland, Japan, Frankreich, Deutschland, und Italien ist die Fünfte Schweiz so zahlreich in Luzern vertreten wie noch nie.

Ganz der Tradition verpflichtet

Am Eidgenössischen in Luzern wird im herkömmlichen Jodellied eine ländlich-bergige und gottesfürchtige “Naturschweiz” besungen. Nicht selten entsteht der Eindruck, Gott selber sei Schweizer.

Die aktuellen Probleme der Landwirtschaft, wie etwa Bauernsterben, Milchpreis oder Einkommen der Bauern finden in den Texten der Lieder keinen Niederschlag.

Das wäre wohl zu modern. Genau so wie Versuche, die Jodel mit Dudelsack vermischen oder gar sampeln.

Der Jodler-Übervater Adolf Stähli (1925 – 1999) hat in zahlreichen Veröffentlichungen jede Verwässerung der Tradition im Jodelgesang bekämpft.

Und so haben es Änderungen – ob zu recht oder unrecht – schwer. In diesem Jahr ist zum Beispiel zum ersten Mal die Zahl der Sänger im Jodlerclub am Wettvortrag nach oben offen. Erst war sie auf 16, dann auf 22 beschränkt.

Die Traditionalisten schütteln ob der neuen Regel den Kopf. “Da stehen dann dreissig auf der Bühne und zehn singen”, spotten sie.

Einmalige Stimmung

Doch das alles tut der einzigartigen Stimmung eines Eidgenössischen Jodlerfestes keinen Abbruch. Zu hoffen ist, dass wenigstens der Wettergott Schweizer ist. Denn ein Eidgenössisches steht und fällt mit dem Wetter.

Nur, wenn es schön ist und die Nächte mild sind, kann in der ganzen Stadt an allen Ecken und Enden gejutzt werden.

Dann breitet sich eine einmalige Stimmung aus. Von überall her tönen die ganz unterschiedlichen Jodelgesänge durch die Gassen.

Der tolle Sound wird sich über Luzern breiten. Aktive wie Passive werden Hühnerhaut kriegen. Genau nach der Devise unseres Altrockers Polo Hofer, der mal gesagt hat: “Gesang ist gesund”.

swissinfo, Urs Maurer

Eine Rekordzahl von 12’000 aktiven Jodlerinnen und Jodlern, Fahnenschwingern sowie Alphornbläserinnen und Alphornbläsern wird in Luzern teilnehmen.

Erwartet werden 200’000 Besucherinnen und Besucher.

Das Budget beträgt 5,7 Mio. Franken. Gedeckt durch Einnahmen, Sponsoren und Beiträge der öffentlichen Hand.

Hauptattraktionen sind die Wettvorträge in einmaligen Vortragslokalen, die Musik-, Licht-, Feuer- und Sternenshow “das Seebecken jodelt” und der traditionelle Festumzug am Sonntag.

Dazu gibt es 35 Jodlerbeizen, 3 Bars und 80 Jodlerstände. Die grösste Bar der Schweiz über die Seebrücke wird 120 Meter lang sein.

Signale über grössere Distanzen zu übermitteln war die ursprüngliche Funktion des Jodelns. Die Ursprünge gehen wohl auf prähistorische Zeiten zurück.

Der Jodel ist ein text- und wortloses Singen. In der Schweiz verkörpert der “Naturjutz” diese Form.

Das Jodellied hat in der Regel drei Textstrophen. Nach jeder Strophe folgt der Jodel.

Das Wort Jodeln kam Ende des 18. Jahrhunderts auf und bezeichnete herumziehende, singende Tiroler.

1910 wurde auf Initiative des bernischen Jodlervaters Oskar Friedrich Schmalz die Schweizerische Jodlervereinigung gegründet, aus der 1932 der Eidg. Jodlerverband hervorging.

Seit 1924 findet in der Regel alle drei Jahre ein Eidg. Jodlerfest statt.

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