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Was ist ein guter Lohn in der Schweiz?

Was bedeutet ein Lohn von 6000 Franken?

Un impiegato di banca ritratto di schiena seduto davanti al computer mentre si stira.
6000 Franken im Monat? Wer die Lebenshaltungskosten in der Schweiz nicht kennt, könnte meinen, im Lotto gewonnen zu haben. Keystone

Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten erscheint das Schweizer Lohnniveau sehr hoch. Bei einem näheren Blick auf die Haushaltsbudgets und Ausgaben lässt sich jedoch erkennen, dass die hohen Einkommen gar nicht so hoch sind, wie sie scheinen.

Wenn Schweizer im Ausland in Diskussionen über Löhne verwickelt werden, versuchen sie zumeist, das Thema zu wechseln. Oder es werden Lügen aufgetischt. Denn wie lässt sich erklären, dass umgerechnet 5000 oder 6000 Euro Lohn in der Schweiz nicht direkt mit einem Einkommen von 1000 oder 2000 Euro in einem Euro-Land verglichen werden kann?

Um die Einkommensverhältnisse zu verstehen, lohnt es sich, ein Budget aufzustellen. swissinfo.ch tut dies mit Angaben des Bundesamtes für Statistik zu Haushaltseinkommen und – ausgabenExterner Link.

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Wie die Schweizer ihr Geld ausgeben

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Ein Schweizer Haushalt verfügt über ein durchschnittliches Einkommen von 7124 Franken. Das zeigen die aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Statistik.

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Herr Mustermann ist unser Durchschnittsschweizer. Er ist alleinstehend, 30 Jahre alt, kaufmännischer Angestellter in einem Finanzunternehmen. Und er verdient das mittlere Einkommen einer alleinstehenden Person, das heisst 6250 Franken (5450 Euro).

Es handelt sich um einen hypothetischen Mittelwert, denn in Wahrheit kann es bei diesem Job grosse Schwankungen geben. Der Lohn ist beispielsweise regionenabhängig. In Zürich werden höhere Löhne bezahlt als in Lugano.

Gemäss dem LohnbuchExterner Link der Schweiz könnte Herr Mustermann in Zürich 7000 Franken verdienen, in Lugano käme er mit dem gleichen Job auf nur 6000 Franken.

Vorsorge, Miete, Steuern

Am Ende des Monats werden auf dem Konto von Herrn Mustermann aber nicht 6250 Franken gutgeschrieben. Denn vom Bruttolohn werden automatisch die Anteile für die Alters- und Hinterbliebenen-Versicherung (AHV) abgezogen, ausserdem die Arbeitslosenversicherung, die nicht-berufliche Unfallversicherung sowie die Pensionskasse – insgesamt zirka 550 Franken. Auf dem Konto von Herrn Mustermann landen 5700 Franken.

Von diesem Betrag muss er seine Einkommenssteuern bestreiten. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern – Deutschland oder Italien – werden die Steuern nicht direkt vom Lohn abgezogen. In unserem Beispiel ist ein Steuerbetrag von 850 Franken pro Monat zu budgetieren. Allerdings muss präzisiert werden, dass die Steuern je nach Kanton, manchmal sogar je nach Gemeinde, stark schwanken können.

Nun muss an die Ausgaben rund ums Wohnen gedacht werden: Miete, Strom, Heizung, Wasser, Abfallgebühren und vieles mehr. Der Mietzins beträgt vielleicht 1250 Franken für eine kleine Wohnung. Der Mietzins kann leicht um 500 Franken steigen, sobald die Wohnung ein wenig grösser ist. Und in Städten wie Zürich oder Genf kann eine Wohnung von 3 1/2-Zimmern (drei Zimmer und Wohnküche) schnell mehr als 2000 Franken im Monat kosten.

Krankenkassenprämien als Brocken

Zu den monatlichen Fixkosten gehören auch die Krankenkassenprämien. Die Krankenversicherung ist obligatorisch. Und die Prämien belasten das Haushaltsbudget empfindlich. Für eine alleinstehende Person sind 330 Franken pro Monat durchaus normal. Im Falle eines Ehepaars – bei Herrn Mustermann ist dies nicht der Fall – verdoppelt sich diese Summe (es gibt keinen Gruppenrabatt!). Und für jedes minderjährige Kind müssen nochmals mindestens 100 Franken pro Monat veranschlagt werden. Für eine Familie mit zwei Kindern kann die Summe der Krankenkassenprämien 1000 Franken pro Monat erreichen.

Dann gibt es weitere Versicherungen. Im Gegensatz zu vielen Schweizern hat Herr Mustermann sich nicht für und gegen alles versichert. Er begnügt sich mit einem Minimum: Haftpflicht (obligatorisch für einige Fälle) und Fahrzeugversicherung. Doch auch dies macht nochmals 100 Franken aus.

Unter den Fixkosten müssen schliesslich Ausgaben für Telekommunikation subsumiert werden. Die Gebühren für Radio und Fernsehen, Kabel- oder Satellitenanschluss, Mobiltelefon. Da kommen leicht 150 Franken im Monat zusammen.

Variable Spesen

Nachdem Herr Mustermann alle Fixspesen und Rechnungen beglichen hat, bleiben ihm – grob geschätzt – noch 3000 Franken übrig. Eine schöne Summe, könnte man meinen. Doch bisher wurden noch keine Ausgaben für Verkehr und Mobilität berücksichtigt, die sich auf 460 Franken im Monat belaufen (Benzin, Amortisation eines Autos, Reparaturen, Tickets für öffentliche Verkehrsmittel). Schon wieder schmilzt der Betrag im Portemonnaie zusammen.

Schliesslich müssen auch Körper und Geist am Leben erhalten werden. Der Einkauf in einem Schweizer Supermarkt ist wesentlich teurer als in Deutschland, Frankreich oder Italien. Der Preis für Fleisch ist in der Schweiz 152 Prozent höher als im Mittel der EU-Länder. Bei Kleidern ist die Schweiz um 34 Prozent teurer.

swissinfo.ch
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Armut in der reichen Schweiz

Lebensmittel sind bereits teuer. Doch wer auswärts essen geht, muss sich auf eine besonders gesalzene Rechnung gefasst machen. Für eine Pizza, ein Bier und einen Kaffee in einem Restaurant kann man schnell 30 Franken ausgeben. Der Preisvergleich im Big Mac IndexExterner Link zeigt auf, dass dieser Burger in Italien für 4,80 Dollar verkauft wird und für 5,30 Dollar in den USA. In der Schweiz sind es 6,74 Dollar, der höchste Preis in dieser Vergleichsliste. Für Restaurants und Unterhaltung kommen schnell 700 Franken pro Monat auf den Zähler.

In dieser hypothetischen Rechnung fehlen aber noch weitere Ausgaben. Für Geschenke oder Einladungen zum Abendessen gibt eine alleinstehende Person im Mittel 215 Franken pro Monat aus. Da Herr Mustermann ein Geizhals ist, haben wir diesen Ausgabenposten nicht ins Budget genommen. Auch allfällige Unterhaltszahlungen für Kinder, die mit der Ex-Ehefrau leben, oder Policen für die Lebensversicherung wurden nicht berücksichtigt (im Mittel 360 Franken).

Herr Mustermann kann sich glücklich schätzen. Er hat eine gute Arbeitsstelle. Nach Abzug aller fixen und variablen Kosten bleiben ihm noch 850 Franken in der Tasche. Doch wenn sich auch nur eine Variable ändert – beispielsweise eine höhere Miete für eine etwas grössere Wohnung oder Unterhaltszahlungen für Kinder – kann es bei einem Lohn von 6250 Franken im Monat schon knapp werden. Grosse Sprünge lassen sich jedenfalls nicht machen.

Dazu kommt: Ein konsistenter Teil der Bevölkerung träumt vom Salär, das Herr Mustermann bezieht. Denn sie kommen nicht auf ein Bruttoeinkommen von 6250 Franken/Monat. Von acht Millionen Einwohnern in der Schweiz werden rund eine halbe Million als arm eingestuft. Eine weitere Million Einwohner sind armutsgefährdet.

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(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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