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Trotz Schminke keine Maske

Der 31-jährige Morgan Danach verwandelt sich regelmässig nach getaner Arbeit in eine Dragqueen. Seit Jahren setzt sich der Zürcher für die Aids Prävention und für mehr Akzeptanz der Homosexuellen in der Schweiz ein.

Ein Paradiesvogel war er schon immer. “Ich bin die Dinge immer etwas anders angegangen als andere. Und natürlich sehe ich auch nicht aus wie ein Schweizer Durchschnittsbürger.”

Geboren in Sri Lanka, wurde er von seinen Adoptiveltern gleich nach der Geburt in die Schweiz geholt. “Eines Tages werde ich mir sicher mein Herkunftsland anschauen gehen. Aber dafür möchte ich mir ein paar Wochen Zeit nehmen, und bis jetzt haben mir dafür die Zeit und das Geld gefehlt.”

People of SwitzerlandExterner Link ist ein multimediales Projekt der Freelance-Journalistinnen Jennifer Greenland und Nora Hesse. Menschen aus allen Schweizer Städten, Dörfern und Tälern erzählen in den vier Landessprachen oder auf Englisch aus ihrem Leben. Wie fühlt es sich an, hier zu leben? Was inspiriert sie? Was macht ihnen Angst? Und was würden sie ändern? swissinfo.ch präsentiert die Porträts in loser Folge als Videoblog.

Morgan wuchs in der Stadt Zürich auf. “Ich war ein Kind, das stundenlang draussen gespielt hat”, lacht er. Als er in die Teenagerjahre kam, machte er eine kaufmännische Lehre im Buchhandel. Und er brachte bereits seinen ersten Freund nach Hause.

Wenn knutschen unnatürlich wirkt

“Meine Eltern haben sehr gut darauf reagiert, als ich ihnen sagte, dass ich schwul bin”, erinnert sich Morgan. Obwohl Zürich schon damals als sehr offen galt, fühlte es sich für ihn nicht so locker an. “Wenn ich damals meinen Freund auf offener Strasse küsste, haben uns alle komisch angeschaut. Heute ist das anders, die Leute sind toleranter geworden. Aber wir haben auch alle sehr viel bewirkt und viel dafür geleistet, dass diese Situation heute so ist.”

Morgan engagiert sich seit Jahren für die Aids-Hilfe, leistet Freiwilligenarbeit und legt Flyers für Partys auf. Auf diesem Weg kam er auch auf den Geschmack, sich zu verkleiden und zu schminken.

Weder Mann noch Frau

Als er sich einst für eine Mottoparty als Frau verkleidete, merkte er, dass sein Auftreten gut ankam. “Ich habe begonnen, meine Kleider selber zu schneidern und Schminke auszuprobieren.” Heute hat er regelmässig Auftritte und Events, an denen er als Dragqueen auftritt.

“Ich verstelle mich nicht. Ich habe als Dragqueen genau die gleichen Ansichten wie als Privatperson. Aber ich spiele natürlich mit dem und habe vielleicht etwas weniger Hemmungen als sonst.”

Oft seien auch die Partygänger sehr locker im Umgang mit ihm. Nur selten gibt es Leute, die ihn in der S-Bahn schräg anmachen. “Dann fahre ich halt erste Klasse”, lacht er.

Und es gab auch schon Momente, wo er von einem Mann angemacht wurde, der dachte, er sei eine Frau. “Da spiele ich keine Spiele und sage ziemlich schnell, was abgeht. Schliesslich wollen wir alle keine Überraschung am Morgen danach!”

Kraft der Natur

“Ich bin weniger im Ausgang als früher. Manchmal mag ich mich nicht ewig schminken. Und andererseits verbringe ich inzwischen meine Abende fast lieber zu Hause mit meinem Freund und meinen Katzen.”

Oder er fotografiert die Schweizer Natur. “Ich bin sehr gerne draussen und denke immer wieder: Wir haben es so schön hier. Darum fotografiere ich regelmässig Berge und Seen und würde gerne längerfristig mehr Zeit mit dem Fotografieren verbringen.” Den Schweizern wünscht er manchmal etwas mehr Lebensfreude. “Zum Beispiel frühmorgens in der Bahn. Anstatt miteinander zu reden, starren alle in ihre Zeitung oder machen ein trauriges Gesicht. Dabei ist das Leben doch so schön!”

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