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Schweizer Startups von US-Unternehmervirus infiziert

swissnex hat den Auftrag, Beziehungsnetze zu knüpfen. RTS

Einmal im Jahr werden 20 innovative Schweizer Startups in die USA eingeladen. Sie lernen die dortige Startup-Szene kennen und erhalten Einblick in Themen wie Investorensuche, Unternehmensentwicklung  und Rechtslage. Zum ersten Mal stand 2014 neben Boston auch New York auf dem Programm.

Ein Sommerabend in New York. Die 20 Jungunternehmer, darunter eine Frau, präsentieren ihre Unternehmen vor vier Venture Capital Investoren – kurz und möglichst prägnant sein ist das Ziel, es geht darum, das Interesse von potentiellen Investoren oder so genannten Business Angels zu wecken. Im Saal ein bunt gemischtes Publikum.

Vertreten in der Gruppe sind Startups aus den Bereichen Bio- und Medizin-Technologie, Ingenieurswesen, IT sowie Umwelttechnologie. Das Startup-Ausbildungscamp wird von swissnexExterner Link organisiert – dem Wissenschafts- und Innovationsnetzwerk – in Zusammenarbeit mit venturelabExterner Link, das im Jahr 2004 als nationales Trainingsprogramm für innovative Hightech-Startups lanciert wurde. Pro Jahr bewerben sich heute mehr als 100 Startups für eine Teilnahme an dem Programm.

Amerikanischer Unternehmervirus

Während die Region Boston vor allem für Unternehmen aus dem Bereich Biowissenschaften von Interesse ist, entwickelte sich die Finanzmetropole New York in den vergangenen Jahren zu einer High-Tech-Szene, einem Magneten für Startups aus Industrien wie Medien, Mode, Design oder Werbung, wo viel Venture-Kapital zu finden ist.

Die Schweizer StartupsExterner Link haben grosse Pläne, möchten global eine Rolle spielen. Bei ihrem Aufenthalt in den USA sollen sie Erfahrungen sammeln und Kontakte knüpfen können, die für junge High-Tech- Unternehmer wichtig sind, die in den US-Markt vorstossen möchten.

“Man sieht manchmal, dass Schweizer Firmen sehr bescheiden sind. Sind sie dann einmal etwas eingetaucht in die Unternehmerwelt in Boston und seit diesem Jahr auch in New York, sieht man, wie das Eis bricht – und sie etwas vom lokalen Unternehmervirus angesteckt werden”, erklärt Felix Moessner, der Leiter von swissnex Boston.

“Sie sind motiviert, kehren vielleicht auch etwas risikofreudiger in die Schweiz zurück, als es dort oft die Norm ist. Ich glaube, dass sie hier etwas Wichtiges, Antreibendes lernen können”, sagt Moessner.

Potential zum Durchbruch

Jason E. Klein, einer der anwesenden Investoren, erklärt gegenüber swissinfo.ch: “Es tönt, als ob die Erfolgsbilanz dieser Gruppe bisher wirklich sehr, sehr gut ist. Es wurden viele gute, innovative Ideen präsentiert.” Es sei interessant, zu sehen, was das Land zu bieten habe, Vielfalt und Originalität.

Natürlich sei es schwierig, nach nur einigen Minuten abzuschätzen, ob eine Idee tatsächlich umsetzbar oder einzigartig sei. “Doch nach diesem ersten Einblick würde ich sagen, es hat hier Startups, die sich auf innovative, grosse Ideen zu fokussieren scheinen, die Potential zu einem Durchbruch haben. Kein Zweifel.”

Natürlich könne er nach diesen wenigen Minuten nicht sagen, ob er in eines dieser Startups investieren würde – “so etwas passiert nur am Fernsehen”, sagt Klein lachend.

Wie werden Ideen verkauft?

Zu lernen, wie man in den USA möglichen Investoren wie Klein sein Business präsentiert, wie man einen “Pitch” macht, ist ein Ziel dieser Bootcamps. Vincent Forster, Gründer und CEO von Versantis, steht am Ende der Veranstaltung als Sieger da – eruiert aufgrund von Twitter- und Facebook-Einträgen. Er will ein Mittel für Patienten mit Stoffwechselvergiftungen oder Vergiftungen mit Medikamenten auf den Markt bringen.

Ein Projekt, das in den USA auf viel Interesse stossen kann, denn das Problem der Überdosierung mit Medikamenten, vor allem mit opioidhaltigen Schmerzmitteln, erreichte in den vergangenen Jahren Zuwachsraten, die von der FDA, der Arzneimittelbehörde, bereits als epidemisch bezeichnet wurden.

Wertvolle Kontakte knüpfen

swissnex

swissnex ist ein Instrument der eidgenössischen Politik in der Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Innovation.

Die swissnex-Häuser haben den Auftrag, in ihrer Gastregion ein enges Beziehungsnetz zu Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen zu knüpfen und dieses für interessierte Schweizer Institutionen nutzbar zu machen.

Die erste swissnex-Niederlassung wurde im Oktober 2000 in Boston eröffnet, San Francisco kam im Juni 2003 dazu. Seit Sommer 2013 hat swissnex Boston auch einen Aussenposten in New York.

Seit 2004 gibt es eine swissnex-Niederlassung in Singapur, 2008 folgte ein swissnex-Haus in Shanghai, 2011 in Bangalore (Indien).Jüngst nahm swissnex Brazil im April 2014 in Rio de Janeiro den Betrieb auf, mit einem Aussenposten in Sao Paulo.

(Quelle: SBFI)

Im Gespräch mit swissinfo.ch zieht er eine positive Bilanz seines Aufenthalts. “Wir sind eine fantastische, sehr heterogene Gruppe. Und es ist ein wirklich gutes Programm. Ich hatte verschiedene persönliche Treffen mit Ärzten und Investoren, die Interesse zeigten an meinem Projekt.”

Wichtig sind ihm neben der Suche nach Geldgebern die Kontakte zu medizinischen Kreisen, denn die klinischen Tests sollen nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa und in den USA durchgeführt werden.

Er habe viel gelernt was den Umgang mit Investoren beim “Pitching” angehe, sagt Forster. “Man sieht bei allen einen klaren Unterschied zwischen dem ersten und dem letzten Tag. Wir machten bei unseren Präsentationen alle Fortschritte. Es ist eine sehr wertvolle Erfahrung.” Aussagen, die auch andere Teilnehmer des Bootcamps teilen.

Andere Kultur

Auch Keith Gunura spricht über das “Pitching”. “Es ist eine ganz andere Kultur als in der Schweiz, oder gar in Europa überhaupt, wo man viel konservativer vorgeht. In der Schweiz ist es kaum üblich, sich mit einer Idee zu brüsten und zu sagen, wir werden die ‘weltweit Besten’ sein oder so.”

“Die Investoren hier sagten uns, wir müssten an unseren Verkaufs-Argumenten arbeiten, ‘wir wollen, dass Ihr uns Euren Traum vorstellt, uns für Eure Idee begeistert, einen Aha-Effekt auslöst’, sagt Gunura.

Es gehe Investoren von Startups hier offensichtlich nicht in erster Linie um Zahlen. “Vielleicht könnten wir diesen Ansatz auch in der Schweiz vermehrt nutzen, vielleicht steigt ja auch das Interesse dort, wenn sie dich als Person mögen, deinen Enthusiasmus schätzen. Über Zahlen kann man immer noch sprechen.”

Ziel erreicht

Auch Gunura lobt das Programm. Sie hätten Leute mit vielen und unterschiedlichsten Erfahrungen getroffen. “Die Gesprächspartner waren sehr direkt, sachlich, haben nichts beschönigt.” So auch ein Anwalt aus der Schweiz, der über das amerikanische Rechtssystem gesprochen und alles sehr deutlich dargelegt habe.

Eines von Gunuras Zielen war es, Einblick in die Anforderungen für einen Markteintritt in den USA zu erhalten, auch was die Regulierung spezifischer Produkte angeht. Seine Firma Noonee entwickelte einen “stuhllosen Stuhl”, der vor allem für Menschen gedacht ist, die bei der Arbeit stundenlang stehen müssen, zum Beispiel in einer Fabrik am Fliessband.

Zudem hatte er sich erhofft, Leute zu treffen, die bei einem allfälligen Markteintritt als Türöffner wirken könnten. “Und das ist passiert. Ich kam in Kontakt mit einer Firma, die an unserem Produkt interessiert ist – für ihre Mitarbeiter. Auch an einer eventuellen Produktion sind sie interessiert und boten uns weitere Unterstützung an”, freut er sich.

venturelab

venturelab wurde 2014 als nationales Trainingsprogramm für innovative Hightech-Startups lanciert. Das IFJ Institut für Jungunternehmen führte im Auftrag der Kommission für Technologie und Innovation KTI (Innovations-Förderagentur des Bundes) mehr als 3100 venturelab-Kursmodule mit über 27’000 Teilnehmenden in allen Landesteilen durch.

Das Trainingsprogramm in den USA, “venture leaders”, war in den letzten 13 Jahren für viele Schweizer Startups ein Sprungbrett, um sich im globalen Wettbewerb erfolgreich behaupten zu können.

Finanziert wird “venture leaders” durch eine öffentlich-private Partnerschaft. 

(Quelle: venturelab)

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