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Picasso, Meister der Metamorphose

Pablo Picasso - Une anatomie: trois femmes - 28. Februar 1933 - Bleistift, 19,7 x 27 cm - Musée National Picasso Paris (Photo RNM - Droits réservés) RMN

Die Ausstellung "Picasso surreal" in der Fondation Beyeler bei Basel gibt Einblick in eine wenig bekannte Werkphase des spanischen Meisters.

Zu sehen sind insgesamt mehr als 200 Werke, darunter selten gezeigte Skizzenbücher, die nicht zuletzt Zeugnis ablegen von Pablo Picassos Schöpfungskraft.

Die Ausstellung der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Musée National Picasso in Paris. Kuratorin ist Anne Baldassari, Konservatorin am Picasso-Museum in der französischen Hauptstadt.

“Pablo Picasso ein Surrealist?”, mag sich manch eine fragen. Mit der Ausstellung “Picasso surreal” greift die Fondation Beyeler tatsächlich eine wenig bekannte Schaffensperiode im Leben des Malers und Bildhauers auf, der die Kunst des 20. Jahrhunderts wie kein anderer prägte.

War Picasso ein Surrealist?

Zu den grossen Namen des Surrealismus in der bildenden Kunst gehören etwa Salvador Dalí, René Magritte, Max Ernst, Hans Arp oder Juan Miró. Aber Picasso, war der auch ein Surrealist? “Dies ist eine faszinierende Frage, gerade weil es nicht leicht ist, eine definitive Antwort zu finden”, sagt Catherine Schott, Sprecherin der Fondation Beyeler, gegenüber swissinfo.

Picasso liess sich nie vereinnahmen von der 1924 von André Breton ins Leben gerufenen Bewegung des Surrealismus und wollte auch nicht als surrealistischer Künstler bezeichnet werden. Er hatte aber enge Kontakte zu der Bewegung und deren Ideen, wie die Schau in Riehen aufzeigt.

Der Forderung der Surrealisten, das Unterbewusste als einzig wahre Quelle künstlerischer Eingebung anzuerkennen, wollte Picasso sich hingegen nie hingeben. “Picasso hat sich öfters gar lustig gemacht über die Sprache oder die ‘automatische’ Malerei der Surrealisten”, erklärt Catherine Schott weiter.

“Ich bin immer in der Wirklichkeit geblieben”

Picasso selbst hatte zur Frage nach seiner Nähe zum Surrealismus unter anderem erklärt: “Ich bin kein Surrealist. Ich bin nie von der Wahrheit abgewichen. Ich bin immer in der Wirklichkeit geblieben.”

Allerdings erklärte er auch: “Ich bemühe mich immer darum, die Natur nicht aus den Augen zu verlieren. Mir geht es um Ähnlichkeit, um eine tiefere Ähnlichkeit, die realer ist als die Realität und so das Surreale erreicht. So habe ich auch den Surrealismus verstanden, aber dieser Begriff wurde ganz anders verwendet.”

Bereits 1917 hatten Picasso und der Dichter Guillaume Apollinaire selber den Begriff “sur-réal” geprägt: Sie charakterisierten damit das neuartige gestalterische Konzept eines Ballets, dessen Bühnenbild und Kostüme Picasso geschaffen hatte. Breton selber bezeichnete Picasso wiederholt als Vorläufer des Surrealismus.

Vom Kubismus zum Surrealismus

Die Schau folgt Picassos Schaffen chronologisch – und beginnt mit Bildern aus Picassos kubistischer Epoche als Vorstufe des Surrealismus. Neben Bildern und Skulpturen sind auch zahlreiche Zeichnungen und Entwürfe zu sehen.

Sie sind Zeugen der bestimmenden Themen in der surrealistischen Epoche Picassos: Dazu gehören Serien wie die Köpfe, die Ateliers, die Badenden, die sitzenden Frauen, die Anatomien von 1933, aber auch die Kreuzigungen oder Picassos Auseinandersetzungen mit dem Fabelwesen des Minotaurus.

Schlüsselwerke der dunklen Jahre Europas

Ebenfalls Teil der Ausstellung sind Schlüsselwerke aus der Zeit zwischen 1935 und 1939, als Picassos Surrealismus zusehends “politisches Engagement und poetische Revolution” verband, wie es die Fondation Beyeler umschreibt.

In der an Themen und Formen reichen Ausstellung liegen Schönheit, (manchmal albtraumhafte) Erotik, Mythen, Bewegung, Leichtigkeit aber auch Gewalt, Schrecken und Angst nahe beieinander. Zu sehen oder zu erahnen etwa in den zerlegten, neu zusammengesetzten Körpern, den Gesichtern mit verschobenen Augen, Mündern, Nasen, die oft als “typisch” für Picasso wahrgenommen werden.

Zum Beispiel “Der Kuss”, ein Hauptwerk von 1925: Das Bild lässt den Atem stocken. Was immer hinter dem Begriff Liebe stecken kann, das Bild, in dem Augen, Mund und Vagina sich gegenseitig verschlingen, ist Ausdruck für das Geschlechterdrama.

Grafische Kabinette

Besonders interessant findet die Betrachterin die Skizzenbücher, denn diese öffnen den Blick auf die unglaubliche Schaffenskraft Picassos, der offensichtlich vor nichts halt machte, das ihm unter die Augen kam. Die Skizzenblätter und Manuskripte zeugen vom Experimentieren mit Dingen, (menschlichen) Figuren, Schriften und Materialien und vom immer neu Zusammengesetzten.

So schlagen sich auch der spanische Bürgerkrieg und das Aufkommen des Faschismus in Picassos Werk nieder. Zu entdecken sind unter anderem auch Skizzen, die schliesslich 1937 zum weltbekannten “Guernica” führten.

Das Original wird nicht mehr ausgeliehen, es bleibt in Madrid und fehlt daher in Riehen. Im Untergeschoss der Ausstellungsräume ist jedoch eine Kopie des Anti-Kriegsbilds zu sehen. Nur das eine, auch als Kopie imposante Bild im sonst leeren Raum, die Betrachterin ist die einzige, die an diesem Morgen den Weg ins Erdgeschoss fand.

Picasso, ein Surrealist? Picasso, ein Ausnahmetalent, Meister der Metamorphose.

swissinfo, Rita Emch

Die Ausstellung “Picasso surreal” in der Fondation Beyeler dauert noch bis zum 12. September.
Zu sehen sind rund 200 Werke (Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Druck-Grafiken, Skizzen) aus der Schaffensperiode zwischen 1912 und 1945.
Die Idee zur Ausstellung kam vom Hausherrn Ernst Beyeler selber. Zur permanenten Sammlung der Stiftung gehören mehr als 30 Werke von Picasso. Ernst Beyeler hatte den Künstler 1957 persönlich kennen gelernt.

Der Surrealismus war eine künstlerische und literarische Bewegung des 20. Jahrhunderts.

Sie liess sich inspirieren vom psychoanalytischen Begriff des Unbewussten. Ziel war es, das Unbewusste darzustellen, indem Realität und Traum miteinander, ineinander verschmelzen.

Grössere Bekanntheit erlangte die Bewegung 1924 mit dem von André Berton veröffentlichten “Ersten Manifest des Surrealismus”.

Picasso bezeichnete sich selber nie als Surrealist, auch wenn er neben Breton auch mit andern Exponenten der Kunstrichtung regelmässig Kontakt hatte.

Bereits 1917 hatten Picasso und der Dichter Apollinaire im Zusammenhang mit einer Balletaufführung den Begriff “sur-réal” geprägt.

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