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Schweizer Hilfe bei Erschliessung der kanadischen Rockies

Standbild aus dem neuen Dokumentarfilm "Swiss Guides in the Canadian Rockies – Beyond Adventure". Bruno Engeler Archives. Courtesy of Swiss Consulate General in Vancouver

Sie haben Namen wie Walter, Ernest und Christian und sie sind alle mehr als 3000 Meter hoch. Wie 15 Berggipfel in den Rocky Mountains zu ihren Schweizer Namen kamen, ist Teil der Geschichte, die dieses Jahr im Westen Kanadas gefeiert wird.

Um 1850 herum wurde der Goldgräber und Geschäftsmann George Stelli der erste Schweizer Siedler in der kanadischen Provinz British Columbia. Einige Jahrzehnte später war die Schweizer Gemeinschaft im Westen Kanadas so gross geworden, dass sie ein eigenes Konsulat erhielt, das vor 100 Jahren in Vancouver seine Tore öffnete.

Die wohl bemerkenswertesten Schweizer Immigranten damals waren drei Dutzend Bergführer. Sie wurden vom Eisenbahn-Unternehmen Canadian Pacific Railway (CPR), das für eine Kette von Hotels in den Rocky Mountains zuständig war, in die Region gebracht – zum Ankurbeln der noch jungen Tourismusindustrie.

Der Einfluss der Schweizer Bergführer war so gross und nachhaltig, dass Berggipfel nach ihnen benannt wurden.

Das Whyte Museum in Banff, das sich dem kulturellen Erbe der Gebirgszüge widmet, hat die Bedeutung der frühen Schweizer Aktivitäten dort jüngst mit einer Sonderausstellung unterstrichen. Diese Bergführer hätten geholfen, eine “Wertschätzung für die kanadischen Rocky Mountains und für eine Umwelt zu kultivieren”, die es sowohl zu erhalten als auch zu verehren gelte, hiess es in der Ausstellung.

Nach Angaben des Schweizer Generalkonsulats in Vancouver belaufen sich die Kosten für die Promotions-Aktivitäten zum Jubiläumsjahr 2013 auf bis zu 100’000 Franken.

Präsenz Schweiz, für Auftritte der Schweiz im Ausland zuständig, übernimmt die Defizitgarantie für ungefähr die Hälfte der Kosten, für den Rest kommen private Sponsoren auf.

“Sie waren verantwortlich für die Entwicklung einer Bergsteiger-Kultur in Kanada”, erklärt der Filmemacher Josias Tschanz, und er fasst die Anstrengungen von Pionieren wie Christian Haesler, Ernst Feuz und Walter Perren zusammen. Die drei gehörten zur Gruppe der Schweizer Bergführer, die nicht weniger als 50 der ersten 56 Erstbesteigungen von 3000-Meter-Gipfeln in den Rockies vollbrachten.

Im Rahmen der 100-Jahrfeiern der Schweizer Vertretung realisierte Tschanz im Auftrag des Generalkonsulats in Vancouver einen Dokumentarfilm über die Schweizer Bergführer.

Während seiner Filmarbeiten entdeckte Tschanz, dass es in den 50 Jahren, in denen die Schweizer Bergführer von der Eisenbahn angestellt waren, keinen einzigen tödlichen Bergunfall gegeben hatte. Tschanz glaubt, dies sei das Resultat exzellenter Technik und der Tatsache, dass sie “sehr schweizerisch waren, wirklich gut organisiert”.

Neue Generation von Einwanderern

Der Dokumentarfilm von Tschanz ist nur eines der Jubiläumsprojekte, die das Generalkonsulat in Auftrag gab. Zu den Veranstaltungen 2013 gehören unter anderem Konzerte von Schweizer Chören und Jodelclubs, öffentliche Vorträge, bei denen die Demokratien der Schweiz und Kanadas verglichen werden und Lesereisen junger Schweizer Autoren.

Das Bewusstsein für die Schweiz zu erhöhen ist nicht das einzige Ziel des Generalkonsulats, wie Projektkoordinatorin Stefanie Wunderlin sagt. Es gehe auch darum, die “wunderbare Freundschaft” zwischen der Schweiz und Kanada hervorzuheben.

Eines der grösseren Projekte im Auftrag des Generalkonsulats ist ein Buch mit dem Titel “Swiss Immigration to Canada” (Schweizer Immigration nach Kanada), das später dieses Jahr veröffentlicht werden soll.

Kanada ist seit dem 17. Jahrhundert ein Ziel von Migranten und Migrantinnen aus der Schweiz.

1875 eröffnete die Schweiz ihr erstes Konsulat in Kanada (Montreal), die diplomatischen Beziehungen mit Kanada wurden 1945 aufgenommen.

Das Jahr 2013 markiert die 100 Jahre offizieller Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Westen Kanadas.

Die Autorin Ilona Shulman Spaar erklärt gegenüber swissinfo.ch, einer der Gründe für die Migration in den Westen Kanadas sei heute oft die Suche nach Abenteuer. Vor einem Jahrhundert sei es die Suche nach einem besseren Leben gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte war es eine Win-Win-Situation für beide Länder: In der Schweiz gab es nicht genügend Arbeitsplätze, und Kanada verfolgte gezielt Siedler aus Europa, um den Platz der jungen Nation im Westen des Landes zu festigen. Es war eine Region, die von Rebellion heimgesucht wurde, und die junge kanadische Regierung war besorgt, Siedler aus Amerika, die von Süden kamen, könnten die Region überrennen.

“Dies war eine Zeit, in der die Einwanderung nicht auf private Initiative erfolgte, die Regierungen Kanadas und der Schweiz halfen den Schweizern aktiv beim Auswandern”, erklärt Spaar.

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Schweizer Chalet

Während die Schweizer Bergführer das Bergsteigen weiter entwickelten und selber zur Touristenattraktion wurden – für ihre Unterkunft wurde ein Dorf mit Pseudo-Schweizer Chalets gebaut – begann eine grössere Schweizer Gemeinde in der Region Fuss zu fassen.

Die wachsende Zahl der Siedler aus der Schweiz veranlasste eine kanadische Zeitung zu schreiben: “Die Schweizer sind robuste und unabhängige Menschen, wie die Geschichte zeigt. Sie wollen nicht verwöhnt und nicht bevormundet werden, aber sie schätzen Rat und Ermutigung […]”. Und das Schweizer Konsulat würde schliesslich eine viel grössere Verantwortung tragen, als sich nur um seine eigene Gemeinde zu kümmern.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Von Guten Diensten ist die Rede, wenn eine dritte Partei ihre Vermittlung in einer Streitsache oder bei einem Vertragsabschluss zwischen zwei Konfliktparteien anbietet. Generell bezeichnet der Begriff jede Initiative, die den Frieden oder die internationale Kooperation fördert. Als neutraler Staat hat die Schweiz die Guten Dienste als einen Eckpfeiler ihrer Aussenpolitik definiert. Die Guten Dienste…

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Gute Dienste

Im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs nahm die neutrale Schweiz ihre Guten Dienste wahr und vertrat die Interessen Deutschlands in Bezug auf Kriegsinternierungs-Lager im Westen Kanadas.

So besuchte der Schweizer Konsul deutsche Gefangene und inspizierte die Lager, um ein Bild der Bedingungen zu erhalten, unter denen die Gefangenen gehalten wurden.

Zu den Berichten, die auf den Besuchen des Konsuls fussten, sagt Spaar: “Es war sehr detailliert: Wie viel Nahrung sie erhielten, welche Kleider sie trugen, und auch was für soziale Unterhaltungsmöglichkeiten es in den Lagern gab.”

Jegliche Verstösse gegen die Haager Konvention – ein internationales Abkommen zum Kriegsrecht – wurden den Lager-Behörden gemeldet. Es habe aber oft lange gedauert, bevor auf solche Meldungen reagiert wurde, wenn überhaupt. “Die Lager-Verantwortlichen mussten nach Ottawa berichten, und Änderungen erfolgten erst nach zwei Monaten oder sogar erst nach einem halben Jahr.”

Auch im Zweiten Weltkrieg hatten die Konsuln dieselbe Rolle. Sie beharrten damals darauf, dass weit abgelegene Arbeitslager vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und Offiziellen des kanadischen YMCA (damals “Christlicher Verein Junger Männer”) besucht wurden.

Schweizer Gemeinde 2012: 38’959 Personen

Schweizer Exporte 2012: 3239 Millionen Franken

Veränderung gegenüber dem Vorjahr: + 16.8%

Schweizer Importe 2012: 639 Millionen Franken

Veränderung gegenüber dem Vorjahr: +17.9%

(Quelle: Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA)

Skifahren

Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts hatten sich viele der ursprünglichen Schweizer Bergführer dauerhaft in Kanada niedergelassen, und viele weitere folgten. Sie wandten sich nun vermehrt dem Skifahren zu, einer rasch wachsenden Sportart.

“Es gibt ein bekanntes Bild von Rudi Gertsch [schweizerisch-kanadischer Heliski-Pionier] beim Sprung über ein Teehaus in Banff. Bruno Engeler [der letzte von der CPR angestellte Bergführer] hatte das Bild geschossen, und es war dieses Foto, dass viele Skifahrer in Kanada inspirierte – wie etwa Rob Boyd, der Weltmeister wurde”, erklärt Tschanz zu dem Teil seines Films, bei dem es um den Einfluss der Schweizer Bergführer auf das Skifahren geht.

Der in Zermatt geborene Walter Perren gilt zum Beispiel als Vater der modernen Bergrettung in Kanadas Nationalparks. Und der Berner Peter Schaerer spielte eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Lawinensicherheits-Systems in Kanada.

“Ich fühle einen tiefen Sinn von Stolz, dass sie dies in den Rockies tun konnten und Kanada eine solch grossartige Bergkultur geben konnten” erklärt der Filmemacher, der als Teenager mit seiner Familie in den Westen Kanadas kam, nachdem sein Vater beschlossen hatte, dem Ruf der Wildnis zu folgen und in einem abgelegenen Teil British Columbias zu leben.

Millionen von Touristen besuchten die Resorts in den Rockies jedes Jahr, und viel davon gehe auf den “Einfluss der Schweizer Bergsteiger” zurück, sagt Tschanz.

Der erste Kinofilm von Tschanz, “Neutral Territory”, war autobiografisch und zeigte seine Entscheidung, die kanadische Lebensweise voll und ganz anzunehmen, und den sich daraus entwickelnden Streit mit seinem Vater, einem Mann, der sich an Schweizer Traditionen klammerte.

Nach Angaben von Spaar ist das oft der Fall: “Ich bin überrascht, dass viele Schweizer, die hierher kamen, immer noch so stark an ihrer Kultur festhalten.”

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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