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“Britische Söldnerfirma ist Gefahr für Neutralität”

Die Söldnerfirma Aegis erhielt einen Sicherheitauftrag im Irak von mehr als 430 Millionen Dollar. Keystone

Dass die britische Söldnerfirma Aegis Defence Services einen Holdingsitz in Basel eingerichtet hat, stösst in der Schweiz auf breite Kritik. Das widerspreche der Schweizer Neutralität, warnt Strategieexperte Albert A. Stahel.

Aegis Defence Services ist eine der grössten Privatarmeen der Welt: Rund 20’000 Söldner sind bei der britischen Söldnerfirma unter Vertrag. Sie sind vor allem im Irak und in Afghanistan und im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums im Einsatz.

Während die Ausfuhr von Rüstungsgütern dem Kriegsmaterialgesetz untersteht, ist das Anbieten von militärischen Dienstleistungen, wie Söldnerfirmen es tun, in der Schweiz nicht gesetzlich geregelt.

Laut Aegis werden in oder von der Schweiz aus keine Geschäfte abgewickelt. “Das ist Unsinn”, sagt Albert Stahel, Leiter des Instituts für Strategische Studien an der Universität Zürich, gegenüber swissinfo.ch. “Bei dieser Firma handelt es sich um eine Holding. Und diese ist ganz klar mit anderen Unternehmenseinheiten in Grossbritannien vernetzt.”

Für den Strategieexperten ist klar: “Wenn Sicherheitsunternehmen wie Aegis in Konflikte in Iran, Irak oder Afghanistan verwickelt sind, ist das nicht mit der Schweizer Neutralitätspolitik vereinbar.”

Laut Stahel könnten auch Schweizer Bürger in Afghanistan in Schwierigkeiten geraten, wenn bekannt wird, dass dort eine Sicherheitsfirma mit Sitz in der Schweiz im Einsatz ist.

Der Bund soll möglichst schnell eine rechtliche Grundlage schaffen, um private Söldnerfirmen mit Sitz in der Schweiz kontrollieren zu können. Dies sollte nicht allzu schwierig sein, so Stahel.

“Mangelnde Voraussicht”

Dieser Meinung ist auch der freisinnige Nationalrat Peter Malama. Als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission will er das Thema in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats einbringen.

Der Bundesrat hatte im 2008 entschieden, dass in der Schweiz ansässige private Sicherheitsfirmen, die in ausländischen Konflikt- und Krisengebieten tätig sind, nicht einer Registrierungs-und Bewilligungspflicht unterstellt werden.

Der Verzicht auf eine gesetzliche Regelung wurde insbesondere mit der geringen Bedeutung des Schweizer Marktes begründet. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesamtes für Justiz schätzte das Risiko von Zwischenfällen, die sich auf die Aussen- und Sicherheitspolitik oder die Neutralität der Schweiz schädlich auswirken könnten, als gering ein.

Nach Ansicht von Malama fehlte es dem Bundesrat in dieser Frage an Voraussicht. “Von einem ethischen und politischen Standpunkt aus bin ich sehr besorgt um die Ankunft solcher Firmen in der Schweiz, deren Ziel es ist, in Konflikt-Regionen militärische Ressourcen zu finanzieren”, sagte er gegenüber der Westschweizer Tageszeitung Le Temps. Malama sieht darin eine Gefahr für das humanitäre Image der Schweiz sowie die Neutralität.

Basler Regierung wusste von nichts

Die Entscheidung, einen Holdingsitz in Basel einzurichten sei insbesondere auf die geographische Lage, die Stabilität des Steuersystems zurückzuführen, begründete die PR-Firma von Aegis den Umzug nach Basel.

Die Basler Regierung war nicht darüber informiert, dass die Söldnerfirma in Basel einen Holdingsitz einrichtet, wie sie sagt. In der Schweiz gelte die eidgenössische Handels- und Gewerbefreiheit und die freie Sitzwahl.

Der Regierungsrat lege Wert auf die Feststellung, dass dies kein Ergebnis der kantonalen Ansiedlungspolitik, sagte der zuständige baselstädtische Regierungsrat Christoph Brutschin. Er verstehe jedoch die Kritik an der Ankunft dieser Firma, wie er gegenüber swissinfo.ch sagte.

“Es ist wichtig, dass auf Bundesebene so bald wie möglich eine Regelung für solche Dienstleistungen geprüft wird”, so Brutschin.

Jessica Dacey, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Corinne Buchser)

Aegis Defence Services ist eine Sicherheits- und Risikomanagment-Firma mit Büros in Afghanistan, Bahrain, Irak und in den USA.

Auf ihrer Webseite steht, dass die Firma weltweit einen Kundenstamm hat. Dieser beinhaltet Regierungen, Agenturen und andere Institutionen. Sie ist ebenfalls registriert als UN-Vertragspartner und handelt in deren Auftrag. Sie ist auch die wichtigste Sicherheitsfirma der US-Regierung.

Die Firma steht unter Leitung des ehemaligen britischen Offiziers Timothy Spicer, der
unter anderem in Nordirland, auf den Falklands und im Irak-Krieg diente.

Gegründet wurde die britische Söldnerfirma im Jahr 2004. Sie erhielt einen der grössten Sicherheitsaufträge der USA in Irak, für mehr als 430 Millionen Franken. Die weiterhin in London operativ tätige Aegis ist eine der grössten Privatarmeen der Welt. Schätzungsweise 20’000 Söldner sind hauptsächlich im Irak und in Afghanistan tätig – insbesondere im Dienst des US-Verteidigungsministeriums.

Die Firma war 2005 in einen Skandal verwickelt. Im Oktober 2005 wurden einige Videos ins Internet gestellt, die zeigen, wie ein Mitarbeiter eines privaten Militärdienstleisters auf Fahrzeuge schiesst, von denen keine konkrete Gefahr ausgeht.

Die Videos wurden inoffiziell mit der Aegis Defence Services Webseite verlinkt. Sowohl die US-Armee als auch Aegis initiierten Untersuchungen, doch blieben beide Untersuchungsberichte unveröffentlicht.

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