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“Kein Fortschritt in den Beziehungen mit der EU”


Am WEF in Davos ist Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga gestern Nachmittag mit der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammengekommen. Im Zentrum standen die zähen Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen. Positiv war wenigstens die Atmosphäre.

Wie das Treffen aus Sicht der Schweiz und der EU zu werten ist, analysieren SRF-Bundeshausredaktor Christoph Nufer und Sebastian Ramspeck, SRF-Korrespondent in Brüssel.

Das Treffen der beiden Präsidentinnen Von der Leyen und Sommaruga hatte symbolische Bedeutung. Mehr nicht. Nach langem Schweigen sprechen die EU und die Schweiz wieder miteinander – auf höchster Ebene und mit neuen Köpfen.

Drei offene Punkte

Seit Juni 2019 herrschte nach einem Briefwechsel zwischen dem damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und dem damaligen Bundespräsidenten Ueli Maurer auf höchster Ebene Funkstille. Die Schweiz verlangte Klärungen in drei offenen Punkten: flankierende Massnahmen, Unionsbürgerrichtlinie und staatliche Beihilfen. Wegen den Wahlen 2019 und der anstehenden Initiative gegen die Personenfreizügigkeit sperrte die Schweiz das Thema Rahmenabkommen dann aber selber in den Tiefkühler.

Bundespräsidentin Sommaruga betonte heute mehrmals die gute Atmosphäre, die angeblich geherrscht habe beim ersten Treffen. Und sie versuchte hervorzustreichen, dass es neben den “Differenzen” und “unterschiedlichen Positionen” durchaus auch andere Themen zur Kooperation gebe, zum Beispiel den Kampf gegen den Klimawandel und die Schweizer Mitarbeit bei der Migrationspolitik.

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Weiterhin kein Fortschritt

Atmosphärisch ist der Neustart heute offenbar geglückt. Trotzdem ist man einer Lösung beim Rahmenabkommen noch keinen Schritt weiter. Bis nach dem 17. Mai – also nach der Abstimmung über die Initiative gegen die Personenfreizügigkeit – wird das Thema Rahmenabkommen in Bundesbern im “Tiefkühler” bleiben.

Danach wird in Brüssel und in Bern erwartet, dass der Bundesrat mit Lösungen kommt und sagt, was er noch besprechen bzw. nachbessern will beim Rahmenabkommen. Die Ungeduld nimmt in Brüssel aber auch in Bern zu. Konkret droht der Schweizer Medizintechnikindustrie bereits Ende Mai Ungemach, wenn es keine Lösung gibt beim Rahmenabkommen. 

Streitpunkt Lohnschutz

Hoch geheim und hinter geschlossenen Türen arbeiten derzeit die Sozialpartner (Gewerkschaften und Arbeitgeberverband) hinter der Kulisse an Lösungen für die wohl strittigste Frage: der Lohnschutz. Nichts dringt heraus, was kein schlechtes Zeichen ist.

Fazit: Ein erster Kontakt mit der neuen EU-Kommission auf höchster Ebene ist gemacht, mehr nicht. Nach der Mai-Abstimmung muss die Schweiz sagen, was sie zum Rahmenabkommen noch nachbesprechen will.

Die Sicht aus Brüssel

Sie kam, unterhielt sich – und schwieg. Nach ihrem ersten Treffen in der Schweiz verzichtete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, entgegen den Gepflogenheiten, auf einen gemeinsamen Auftritt mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Weil es aus der Sicht Von der Leyens nichts zu sagen gab – zumindest nichts Neues und auch nichts, was in EU-skeptischen Ohren in der Schweiz als positiv hätte gewertet werden können.

EU wartet unverändert weiter

Seit Juni 2019 wartet die EU-Kommission darauf, dass der Bundesrat darlegt, welche Klarstellungen oder Zugeständnisse ihn dazu bringen könnten, das Rahmenabkommen mit der EU zu unterzeichnen – was ja offiziell nach wie vor das Ziel der Landesregierung ist. Antworten darauf gab es freilich auch heute nicht; die neue Kommissionspräsidentin wartet weiter.

Anders als ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker verzichtet Von der Leyen zwar auf öffentliche Belehrungen und spitze Bemerkungen. Doch die knappe Medienmitteilung, welche die EU-Kommission nach dem Treffen zirkulieren liess, lässt keine Zweifel offen: Ob beim Rahmenabkommen oder beim Abkommen über technische Handelshemmnisse, ob mit Blick auf die Kohäsionszahlungen oder die Anerkennung der Schweizer Börse: An der Position der EU hat sich nichts geändert.

Atmosphäre gut – alles gut?

Das Gespräch habe in “sympathischer Atmosphäre” stattgefunden, bilanzierte Sommaruga nach dem Treffen an ihrer kurzen Medienkonferenz. Nach einer ähnlichen Aussage des damaligen Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann 2016 sagte sein Gesprächspartner Jean-Claude Juncker: Von einer guten Atmosphäre würden Politiker reden, die es gerade nicht so gut miteinander hätten.

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