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Rätselhafte Verbindung in die Schweiz

Der rot-grüne Anzug täuscht. Frauke Petry und ihre "Alternative für Deutschland" (AfD) politisieren stramm rechts. Keystone

Erhält die "Alternative für Deutschland" (AfD) indirekte Wahlkampfhilfe aus der Schweiz? Die Partei gibt sich ahnungslos. Doch das Nachrichtenmagazin "Spiegel" ist auf verdächtige Verbindungen gestossen und nimmt die "Swiss-Connection" eine Woche vor der Berlin-Wahl ins Visier.

Die Zeiten, in denen man die AfD für ein vorübergehendes Phänomen der deutschen Parteienlandschaft halten konnte, sind vorüber. Im Gegenteil: Mit jeder Landtagswahl etablieren sich die Rechtspopulisten fester im Gefüge. Zuletzt errang die AfD Ende August in Mecklenburg-Vorpommern im Nordosten Deutschlands über 20,8 Prozent der Stimmen. Sie wurde damit auf Anhieb noch vor Angela Merkels CDU zweitstärkste Kraft nach der SPD.

Nun schaut die Republik gespannt nach Berlin. In der Hauptstadt stehen am kommenden Sonntag (18.9.) Wahlen zum Abgeordnetenhaus an. Es ist in den drei deutschen Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen/Bremerhaven das Pendant zu den Landtagen der sogenannten Flächenländer. Rund 15 Prozent der Stimmen, so prognostizieren Umfragen, könnte die AfD in Berlin erzielen. Damit würde die Partei anschliessend in neun der 16 Länderparlamenten sitzen.

Doch zehn Tage vor der Wahl erregt eine besondere Schiffstour auf der Spree im Berliner Regierungsviertel den Argwohn der Medien. Auf der gecharterten “Spree Comtess” fand eine Art Wahlkampfveranstaltung für die AfD statt. Es war indes nicht die Partei, die an Bord gebeten hatte, sondern der “Verein der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheit”. Und der wiederum pflegt enge Verbindungen in die Schweiz.

Anonym finanzierte Plakatkampagnen

Nicht zum ersten Mal legte sich besagter Verein im Wahlkampf für die AfD ins Zeug, und das angeblich ohne Wissen und Tun der Partei selbst. Unter anderem liessen die AfD-Unterstützer vor den Landtagswahlen millionenfach eine Gratiszeitung in Wählerhaushalte verteilen. In diesem “Extrablatt” wurde mit fremdenfeindlichen Stereotypen wie “Sex-Mob in Schwimmbädern” Stimmung gegen Asylsuchende gemacht und zur Wahl der AfD aufgerufen.

In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin finanzierte der Verein 200’000 Euro teure Plakatkampagnen. Woher aber bekommt er sein Geld für diese AfD-freundlichen Aktionen? Stammen die Mittel aus dem In- oder Ausland? Wer steckt hinter den Werbegeldern? Diese Frage blieb bisher unbeantwortet.

Reportern des “Spiegel” fiel während der Spreefahrt jedoch eines auf: Der Schweizer Polit-PR-Profi Alexander Segert spielte den ganzen Abend über eine tragende Rolle, empfing Gäste und verliess das Boot mit den Gastgebern. Seither steht die These im Raum, aus der Schweiz fliesse durch Segert und den deutschen “Verein der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheit” Geld in die AfD.

“Seit der Spreefahrt gibt es eine Spur – sie führt in die Schweiz”, so der “Spiegel”. Segert zeichnete dort mit seiner Agentur Goal AG für Kampagnen der Schweizerischen Volkspartei (SVP) verantwortlich, darunter jenes bekannte Plakatmotiv, in dem ein weisses Schaf ein schwarzes von der Schweizer Landesflagge tritt. Die Goal AG hatte auch den Dampfer in Berlin für die Spreefahrt gechartert.

AfD: “Deutschland hat mehr Schweiz nötig”

“Sollen über die Schweiz Spuren zu potentiellen Gönnern vertuscht werden, die nicht mit der AfD in Verbindung gebracht werden wollen?”, mutmasst der “Spiegel”. Dabei wäre nicht nur die Anonymität der Geldgeber anzuprangern. Es könnte sich um illegale Parteispenden handeln.

Parteienfinanzierung aus dem Ausland ist in Deutschland wie in den meisten anderen Ländern untersagt. Der Verein gab auf Anfrage des Schweizer “Blick” an, das Geld stamme von besorgten deutschen Bürgerinnen und Bürgern, die anonym bleiben möchten.

Die AfD bestreitet derweil jede Verbindung zu ihren Gönnern in dem Verein, macht jedoch kein Hehl aus ihrer Begeisterung für die Schweizer Politik. Auf einer Mitgliederversammlung der “Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz” (AUNS) trat die Parteivorsitzende Frauke Petry als Rednerin auf und bekräftigte, Deutschland habe dringend mehr Schweiz nötig. Eine Zusammenarbeit zwischen AfD und SVP sei durchaus vorstellbar, so Petry.

Die Ähnlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen. Beide Parteien sprechen ihre Wähler mit den Themen innere Sicherheit und Flüchtlingspolitik an, warnen vor dem Islam und der “Überfremdung im eigenen Land”, positionieren sich gegen die EU und appellieren an jene wachsende Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, denen die Folgen der Globalisierung Unbehagen bereiten. Die Schweizer sind den Deutschen AfD-lern allerdings einen grossen Schritt voraus: Sie waren nie Mitglied der EU – der die “Alternative für Deutschland” am liebsten sofort den Rücken kehren würde –, und haben bereits eine Begrenzung der Zuwanderung beschlossen.

Wähler in allen sozialen Schichten

Noch hat die AfD nicht die politische Schlagkraft der SVP erreicht. Sie bemüht sich derzeit in Berlin, den Spagat zu bewältigen, die gutbürgerliche konservative Wählerschaft ebenso anzusprechen wie den vermeintlich “kleinen Mann”. Das zeigt sich auch in der Auswahl der Berliner Bezirke, in denen die AfD im Vorfeld der Senatswahl besonders kräftig um Stimmen wirbt.

Im äusseren Westen Berlins sind es jene etablierten Konservativen, denen Angela Merkels Politik zu sehr in die linke Mitte gerutscht ist. Diese Gruppe wird zudem mit dem Versprechen hofiert, die Erbschafts- und Vermögenssteuer abzuschaffen. In vielen der Bezirke Ost-Berlins setzt man hingegen auf den Frust der vermeintlich “Zukurzgekommenen”, denen die AfD verspricht, anders als die Regierung ihre Nöte endlich ernst zu nehmen.

Dabei stösst die AfD durchaus in eine Lücke: Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern fehlte Deutschland bisher eine vermeintlich bürgerliche Partei im rechtskonservativen Spektrum. Für die zahlreichen Wähler, die mit Angela Merkels Flüchtlingspolitik und ihrem fortwährenden “Wir schaffen das” sowie der propagierten Willkommenskultur nicht einverstanden sind, bietet die AfD eine willkommene Plattform, ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.

Unbehagen gegen Rechts

Anderseits ist in Deutschland aus historischen Gründen das Unbehagen gegenüber rechtsideologischem Vokabular und Denken weit ausgeprägter als in anderen europäischen Staaten. Das durfte auch die AfD-Vorsitzende Frauke Petry erleben, als sie in diesen Tagen versuchte, den Begriff “völkisch” wieder als hoffähig zu deklarieren. Sofort schlug ihr eine Welle des Protestes entgegen. Völkisch, so belehrten sie Kritiker rasch, entstamme dem nationalsozialistischen Vokabular. Man kann davon ausgehen, dass auch Petry dies weiss. Für viele sind solche verbalen Versuchsballons ein Beleg dafür, dass in der AfD mehr rechtes Gedankengut steckt als sie zugibt.

In den nächsten Wochen wird sich die AfD erneut auch der Frage stellen müssen, wo ihre finanziellen Unterstützer sitzen. Sollte es tatsächlich eine Schweiz-Connection geben, wäre das peinlich für die Parteioberen: Im Parteiprogramm der AfD plädiert die Partei nämlich für eine Kontrolle der “verdeckten Parteienfinanzierung, die gänzlich aus dem Ruder gelaufen” sei.


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