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23 Kohäsions-Millionen für die Roma

Roma-Mädchen in Rumänien: Viel zu lachen gibt es nicht im eigenen Land. Anderseits hat die EU 10 Milliarden Euro für die Roma budgetiert. Keystone

Für Rumänien und Bulgarien ist ein schweizerischer Erweiterungsbeitrag von 257 Mio. Fr. vorgesehen. Die bilateralen Rahmenabkommen wurden Anfang Woche unterzeichnet. 23 Mio. davon sind für Minderheiten, vor allem Roma, gedacht. Die EU budgetiert allein für die Roma rund 10 Mrd. Euro.

Wie die Länder der EU beteiligt sich die Schweiz an der Solidarität mit Mittelosteuropa und an der Erweiterung des gemeinsamen Marktes in dieser Region. 2006 hatte das Schweizer Stimmvolk Ja gesagt zur sogenannten Kohäsionsmilliarde zugunsten von Infrastrukturprojekten in den zehn 2004 beigetretenen Ländern.

2007 sind auch Rumänien und Bulgarien zur EU gestossen. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung in den beiden Ländern zählt zu den niedrigsten in Europa. Und Minderheiten wie die Roma und Sinti sind vor Diskriminierungen kaum geschützt. Seit dem EU-Beitritt und der damit verbundenen Personenfreizügigkeit sind viele Angehörige dieser Minderheit nach Westeuropa gezogen.

In Italien haben die Probleme mit eingewanderten Romas seit längerem zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen und in Frankreich jüngst zu Rückschaffungs-Aktionen nach Rumänien und Bulgarien geführt, die in der EU auf Ablehnung stossen.

Ausschaffungen versus 10-Mrd-Euro-Programme

Andererseits hat die EU bedeutende Mittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds allein für die Integration der Roma geplant: “Für die kommenden 6 bis 7 Jahren sind allein 10 Mrd. Euro für die Roma budgetiert, gesamteuropäisch”, sagt Thomas Kugler, Projektbeauftragter der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) im Aussendepartement.

Die beiden Länder sollen mit den Kohäsions- und Fördergeldern der EU – und den Mitteln der Schweiz – gezielt ihre Probleme in Bezug auf die Einbindung der Roma angehen können. Nicht zuletzt, um die Migration nach Westen unnötig zu machen. Bis 2014 unterstützt die Schweiz Rumänien insgesamt mit 181, Bulgarien mit 76 Mio. Franken, 14 resp. 8,9 Millionen davon sind für Projekte zur Einbindung von Minderheiten vorgesehen.

Auf Grund der bereits lange bestehenden Erfahrungen mit Rumänien und Bulgarien hat die Schweiz die Verwendung ihrer Beiträge bereits sehr konkret ausformuliert, wie man auf dem Internetportal zum schweizerischen Erweiterungsbeitrag nachlesen kann.

Gesuchte Projekterfahrung

“Eine Herausforderung besteht darin, dass Rumänien bei der Umsetzung von Projekten, welche aus EU-Mitteln finanziert werden, erst wenig Fortschritte erzielen konnte, “, so Kugler gegenüber swissinfo.ch. Grund: Die Kapazität der Regierung , konkrete Projekte vorzubereiten und zu verwalten, müsse noch ausgebaut werden

Auch von den EU-Mitteln von rund 10 Mrd. Euro, welche für Projekte zur Einbindung der Roma vorgesehen sind, sei bisher nur sehr wenig umgesetzt worden. Das Problem sei also weniger das Geld als die konkrete Verwendung dieser Mittel. Kugler könnte sich vorstellen, dass Schweizer Nichtregierungsorganisationen (NGOs), welche bereits erfolgreich Projekte zur Einbindung von Roma realisiert haben, ihre Erfahrungen nutzbringend bei der Umsetzung von Projekten einbringen könnten.

Wegen der französischen Roma-Politik seien Rumänien und Bulgarien jetzt stark unter Druck geraten, was wohl dazu führen würde, dass erhöhte Anstrengungen zur Einbindung der Roma in beiden Ländern unternommen werden.

Heterogene Roma-Gemeinschaften

“Es ist schwierig, die Situation der Roma zu verallgemeinern”, sagen die DEZA-Programmbeauftragten. So seien nicht alle Roma sozial, wirtschaftlich und politisch marginalisiert. Hunderttausende seien weitgehend in die rumänische Mehrheitsgesellschaft integriert und würden sich dabei oft auch nicht als Roma zu erkennen geben. Deshalb sei es auch so schwierig, zu berechnen, wie viele Romas es überhaupt gebe.

Gleichzeitig bestehen aber in weiten Teilen der Roma-Minderheit erhebliche Probleme, etwa im Bildungsbereich oder bezüglich des Zugangs zu Gesundheitseinrichtungen.

Die Roma-Gemeinschaften seien ausserdem sehr heterogen und hätten häufig wenig bis keinen Kontakt untereinander. Das Leben von Roma in Siebenbürgen, wo die wirtschaftliche Lage einigermassen solide ist, unterscheidet sich wesentlich vom materiellen Elend der Roma in der Walachei. Dies führe dazu, dass es keine einheitliche Lösung zur besseren Einbindung von Roma in die Mehrheitsgesellschaft gebe, sondern auf die jeweilige Situation zugeschnittene, erfolgversprechende Ansätze.

Der im Rahmenabkommen erwähnte Minderheitenfonds wird vor allem Projekte zur Einbindung von Roma finanzieren, da diese Gruppe zahlenmässig sehr gross ist und – anders als etwa die ungarischsprachige Minderheit – wirtschaftlich sehr schlecht gestellt ist. “Insgesamt zählt das Land 19 Minderheiten”, so Roland Leffler, Programmbeauftragter für die neuen EU-Mitgliedsstaaten bei der DEZA.

Drei verschiedene Fonds

Aktivitäten zur Einbindung von Minderheiten können grundsätzlich aus drei verschiedenen Fonds finanziert werden : Minoritäten, Zivilgesellschaft und Partnerschaft. Während die Mittel des Minoritätenfonds vollumfänglich zur Förderung der Einbindung von Minderheiten verwendet werden – vor allem in den Bereichen Gesundheit, Grundschulbildung – , unterscheiden sich die beiden anderen Fonds hinsichtlich ihrer thematischen Ausrichtung.

Beim Zivilgesellschafts-Fonds stehen Massnahmen in den Bereichen Umwelt und Soziales, beim Partnerschaftsfonds die Förderung von Partnerschaften zwischen Institutionen der Schweiz und des Partnerlandes im Vordergrund. Dabei können aber auch Minderheiten wie die Roma in den Genuss dieser Aktivitäten kommen, über Investitionen für Siedlungen mit starkem Minderheitenanteil zum Beispiel.

Projektbegleitung durch intermediäre Instanzen

Die oben genannten Bereiche werden wie noch weitere Themenbereiche, in denen zahlreiche, relativ kleine Aktivitäten umgesetzt werden, in Form so genannter thematischer Fonds zusammengefasst. Diese thematischen Fonds werden von intermediären Instanzen unter Schweizer Leitung koordiniert und verwaltet, welche im Rahmenabkommen “Swiss Intermediate Bodies” genannt werden.

Die DEZA beginne nun, so die DEZA-Programmbeauftragten, mit der Suche nach Organisationen und Institutionen, welche als intermediäre Instanzen diese thematischen Fonds – darunter auch den Minderheitenfonds – koordinieren und begleiten können.

Diese intermediären Instanzen haben eine Art treuhänderische Funktion als Zwischenglieder, denn sie handeln im Auftrag des Bundes und müssen deshalb unvoreingenommen sein. Auf keinen Fall dürften sie selbst in den Projekten involviert sein. Im Weiteren haben sie die Aufgabe, die Qualität und gute Mittelverwendung im Bereich der so genannten thematischen Fonds sicherzustellen, welche kleinere Aktivitäten in einem Gesamtpaket bündeln. Diese sollten entweder Schweizer Institutionen oder internationale Institutionen mit einem Ableger in der Schweiz sein.

Auf Projektebene seien zurzeit rund ein halbes Dutzend Schweizer NGOs dabei, mit rumänischen Partnern konkrete Projekte auszuarbeiten, welche durch den Minderheitenfonds finanziert werden können. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass sich verschiedene Schweizer Hilfswerke zu Konsortien zusammenschlössen.

Am Dienstag hat die Schweiz mit Bulgarien und Rumänien die bilateralen Rahmenabkommen unterzeichnet.

Die Abkommen regeln Inhalt und Umsetzung des schweizerischen Erweiterungsbeitrags an diese Länder (“Kohäsionsgelder”).

In Rumänien werden Programme und Projekte im Umfang von 181 Mio., in Bulgarien im Umfang von 76 Mio. Franken bis Dezember 2014 unterstützt. Entsprechende Auszahlungen erstrecken sich über zehn Jahre bis 2019.

Die bilateralen Rahmenabkommen legen die Prinzipien der Zusammenarbeit fest und definieren die konkreten Themenbereiche und Abläufe.

Dazu gehören die Bereiche Sicherheit und Reformen, Unterstützung der Zivilgesellschaft, Integration von Minderheiten, Umwelt und Infrastruktur, Privatsektorförderung, Forschung und Bildung sowie Unterstützung institutioneller Partnerschaften.

Rumänien erwirtschaftete 2008 ein Bruttoinlandprodukt (BIP) von rund 214 Mrd. Dollar, bei einer Bevölkerung von 21 Mio.

Bulgarien erwirtschaftete 2008 ein BIP von 52 Mrd. Dollar, bei einer Bevölkerung von 7,6 Mio.

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