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Schweiz will Sicherheitsfirmen an die Kette legen

Die Schweizer Regierung will Söldnerfirmen im eigenen Land nicht dulden. AFP

Der Bundesrat will Söldnerfirmen in der Schweiz verbieten und eine Meldepflicht für Sicherheitsdienstleistungen im Ausland einführen. Ein von der Regierung vorgeschlagenes Bundesgesetz regelt Pflichten, Bewilligungen, Kontrollen und Sanktionen. Die Schweizer Rechtsprechung könnte Schule machen.

“Der vorliegende Gesetzesentwurf hat nicht nur eine innerstaatliche Bedeutung. Mit ihm leistet die Schweiz auch ein Stück Pionierarbeit auf der internationalen Ebene”, sagte die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga, als sie vor kurzem  die Botschaft zum Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) vorstellte.

Marco Sassoli, Professor für internationales Recht an der Universität Genf, ist grundsätzlich der Auffassung, “dass der Gesetzesentwurf zwar nicht perfekt, aber durchaus vorbildlich ist”.  Die Regulierung der Aktivitäten von Söldner- und privaten Sicherheitsfirmen sei heute eine der grossen Sorgen des internationalen Menschenrechts, sagt der Experte.

In der Tat haben die Aktivitäten von Söldnerfirmen in Krisengebieten stark zugenommen. Doch diese Entwicklung wurde nicht durch einen juristischen Rahmen begleitet.  Obwohl die Schweiz Initiativen zur Regelung von Sicherheitsdiensten im Ausland unterstützte,  hatte sie bisher selbst noch nicht in diesem Bereich noch keine Gesetze erlassen.

Mit dem Gesetzesentwurf, der Ende Januar 2013 vorgestellt wurde, soll diese rechtliche Lücke geschlossen werden.  Mit dem Gesetz will der Bundesrat dazu beitragen, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu schützen, die schweizerische Neutralität zu wahren und die Einhaltung des Völkerrechts zu garantieren.

Das neue Bundesgesetz regelt im Übrigen auch den Einsatz von privaten Sicherheitsunternehmen durch Bundesbehörden. Dieser Einsatz ist etwa zum Personenschutz oder zur Bewachung von Liegenschaften erlaubt.

In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hat der Bundesrat im Februar 2012 präzisiert, dass die Eidgenossenschaft jährlich rund 120 Aufträge an private Sicherheitsunternehmen vergibt. Das Finanzvolumen dieser Aufträge beläuft sich auf rund 25 Millionen Franken.

Verbote und Zweifelsfälle

Das neue Gesetz verbietet in der Schweiz ansässigen Sicherheitsunternehmen, “unmittelbar an Feindseligkeiten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Ausland teilzunehmen”.  Sie dürfen auch keine Tätigkeiten ausüben, die schwere Menschenrechtsverletzungen begünstigen.

Unter das Verbot fallen namentlich die Rekrutierung, Ausbildung und Vermittlung von Personal im In- und Ausland. Es erfasst auch Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die im Ausland tätige Unternehmen kontrollieren (Holding-Gesellschaften).

Nationalrat Josef Lang, Vizepräsident der Grünen, hält den Gesetzesentwurf  für unzureichend. Lang hatte das Gesetz durch eine von ihm eingereichte parlamentarische Motion angeregt. Dabei forderte der Politiker schlichtweg ein Verbot von Sicherheitsfirmen, die in Kriegs- und Krisengebieten tätig sind.  

Die Grünen unterstützten diese Haltung. “In den heutigen Kriegen, beispielsweise in Afghanistan, ist es doch nicht mehr möglich, zwischen direkter und indirekter Teilnahme an Konflikten zu unterscheiden”, sagt  Lang. Es sei unmöglich zu verifizieren, was diese Söldnerfirmen bei einer kämpferischen Auseinandersetzung  genau machten.

Ähnliche Überlegungen kommen von der politisch entgegengesetzten Seite. “Wenn die Schweizer Behörden zum Schluss kommen, dass es keine unmittelbare Beteiligung an einem bewaffneten Konflikt gibt, wird dies auf Grundlage einer aktuellen Situationsanalyse entschieden; doch in Konfliktsituationen können sich die Verhältnisse in kürzester Zeit ändern”, heisst es in einer Mitteilung der rechts-nationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP).  

Für Rechtsprofessor Sassoli wäre eine Regelung allerdings übertrieben, die über eine unmittelbare Partizipation an bewaffneten Auseinandersetzungen gemäss der Genfer Konvention hinaus reicht. Der Gesetzesentwurf nimmt denn auch direkt auf diese Bestimmung Bezug.

Der Verband Schweizerischer Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU) ist von der Botschaft zum Bundesgesetz über im Ausland erbrachte Dienstleistungen nicht vollständig überzeugt. Doch eine offizielle Stellungnahme wird der VSSU erst nach einer vertiefenden Analyse des Gesetzesvorschlags und einer Diskussion im Vorstand abgegeben.

Zustimmung erhielt die Botschaft bisher von der politischen Mitte, namentlich den Freisinnigen (FDP.Die Liberalen), der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP). Kritik an einigen Punkten des Vorschlags kam von der Linken (Grüne und SP) sowie der Rechten (SVP). 

Meldepflicht statt Bewilligung

Marco Sassoli als Experte für internationales Recht äussert sich hingegen kritisch zum Entscheid der Regierung, Sicherheitsdienstleistungen im Ausland nicht generell einer Bewilligung zu unterstellen. Jedes Unternehmen, das im Ausland Sicherheitsdienstleistungen erbringen will, muss dies zwar vorgängig der zuständigen Behörde melden. Innert 14 Tagen teilt die Behörde dem Unternehmen mit, ob sie ein Prüfverfahren einleitet, weil die geplante Tätigkeit im Widerspruch zu den Zielen des Gesetzes stehen könnte.

Auf ein generelles  Bewilligungssystem hat die Exekutive verzichtet, weil ein solches System mit einem erheblichen bürokratischen und finanziellen Aufwand verbunden wäre. Zudem könnte die Erteilung einer Bewilligung als Garantie der Schweizer Behörden missverstanden werden.

“Um zu verstehen, ob ein Unternehmen unmittelbar an einem bewaffneten Konflikt teilnimmt, braucht es in jedem Fall eine vertiefende Analyse. Ich frage mich daher, ob es wirklich so viel teurer wäre, diese Überprüfung präventiv zu machen”, hält Sassoli fest.

Der Vorschlag der Regierung stösst bei der Sozialdemokratischen Partei (SP) auf entschiedene Ablehnung:  “Es braucht ein wirksames Bewilligungssystem statt einer vagen  Meldepflicht.”

In ihrer Botschaft präzisiert die Schweizer Regierung, dass das Marktpotential privater Dienstleistungen im Militär- und Sicherheitsbereich mit weltweit vielen hunderttausend zum Einsatz kommenden Personen gross sei.

Das weltweite Marktvolumen der nächsten zehn Jahre privater Sicherheitsleistungen in Krisen- und Konfliktgebieten wird auf 100 Milliarden Dollar geschätzt.

Das französische Verteidigungsministerium geht in Schätzungen gar von einer  Grössenordnung von 400 Milliarden Dollar und von einer Million involvierten Personen aus.

Eine detaillierte Erhebung zu Militär- und Sicherheitsfirmen in der Schweiz existiert nicht. In einem Bericht aus dem  Jahr 2010 geht das Bundesamt für Justiz davon aus, dass es rund 20 Privatunternehmen mit Sitz in der Schweiz gibt, die in Krisen- und Konfliktgebieten tätig sind.

Internationaler Verhaltenskodex

Eindeutig positiv beurteilt Sassoli die vom neuen Gesetz vorgeschriebene Pflicht, dass im Ausland tätige Sicherheitsunternehmen sich dem internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister anschliessen müssen. Damit anerkennen diese Firmen die Achtung der Menschenrechte bei der Umsetzung ihrer Arbeit.

Dieser Kodex wurde auf Initiative der Schweiz und verschiedener Branchenverbände Ende 2010 lanciert. Doch er wurde von Frankreich beziehungsweise dem Verteidigungsausschuss der Nationalversammlung kritisiert. In Paris ist man überzeugt, dass grosse Sicherheitsfirmen dank dieses Kodex über Schlupflöcher verfügen und eigenen Regeln diktieren können. So könnten sie letztlich auch eine verbindlichere UNO-Konvention verhindern.   

“Sicherlich ist dieser Verhaltenskodex nicht revolutionär. Und über wichtige Fragen wie die direkte Beteiligung an Feindseligkeiten schweigt er sich aus. Doch man sollte anerkennen, dass es schwierig ist, neue internationale Konventionen zu verabschieden. Die Anerkennung eines Verhaltenskodex ist besser als nichts”, so Rechtsprofessor Sassoli.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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