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Rentenumwandlungssatz und Tieranwälte an der Urne

Der Umwandlungssatz hat einen direkten Einfluss auf die Höhe der Altersrenten. Keystone

Die Herabsetzung des Umwandlungssatzes bei der beruflichen Vorsorge, die Tierschutzanwalt-Initiative und der Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen: Zu diesen drei Vorlagen äussern sich am Wochenende die Schweizer Stimmberechtigten.

Wie hoch sollen künftig die Renten sein? Auf diese Frage konzentrierte sich die öffentliche Debatte im Vorfeld der Abstimmung. Das Stimmvolk entscheidet darüber, ob der sogenannte Umwandlungssatz bei der beruflichen Vorsorge für Neurentner bis ins Jahr 2016 sukzessive auf 6,4% zu senken sei oder nicht.

Heute beträgt dieser Satz 7% für Männer und von 6,95% für Frauen. Das heisst: Aus einem Alterskapital von 100‘000 Franken ergibt sich eine Jahresrente von 7000, respektive 6950 Franken. Je tiefer der Umwandlungssatz, desto tiefer die Rente.

Die Befürworter eines tieferen Umwandlungssatzes argumentierten mit der höheren Lebenserwartung der Bevölkerung und der Solidarität unter den Generationen.

Die Gegner kritisierten den geplanten “Rentenklau” und bezeichneten die Vorlage als “Bückling vor den Pensionskassen”, die mit einer Senkung vor allem auch die zu hohen Löhne ihrer Manager zu finanzieren versuchten.

Gebrochenes Versprechen

Eine neuerliche Senkung des Umwandlungssatzes sei unnötig. Die Alterung der Gesellschaft sei bereits bei der im Jahr 2003 beschlossenen Anpassung berücksichtigt worden.

“Mit einer erneuten Senkung werden die Rentenversprechen gebrochen. Das ist fatal, denn die Leute müssen von den Renten leben können“, sagt der Präsident des Gewerkschaftsbundes, Paul Rechsteiner, gegenüber swissinfo.ch.

Reserven für kommende Generationen

“Wenn man berücksichtigt, dass sich die Lebenserwartung alle zehn Jahre um weitere zehn Jahre erhöht, dann wird einem klar, dass das gleiche angesparte Kapital länger ausreichen muss”, sagt der Freisinnig-liberale Nationalrat Pierre Triponez gegenüber swissinfo.ch.

Triponez räumt ein, dass eine Senkung zur Folge hätte, dass die Neurentner der kommenden Jahre mit tieferen Renten würden leben müssen, warnt jedoch vor “zu hohen Renten“, weil “dann die künftigen Generationen zu wenig Reserven haben“.

Im Frühjahr 2009 haben Gewerkschaften und die Konsumenten-Medien erfolgreich das Referendum gegen die Vorlage ergriffen. Bei der Abstimmung zu dem im BVG verankerten Mindestumwandlungssatz handelt es sich um eine Referendumsabstimmung. Für ein Ja genügt deshalb das einfache Volksmehr. Das Ständemehr ist nicht nötig.

Umstrittene Tieranwälte

Eine Mehrheit von Volk und Ständen ist jedoch Voraussetzung für ein Ja zu den beiden anderen Vorlagen, zum Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen und zur Tieranwalt-Volksinitiative. Diese wurde vom Schweizer Tierschutz lanciert und fordert die landesweite Einführung von Tieranwälten.

Das würde bedeuten, dass in Strafverfahren wegen Tierquälerei oder anderen Verstössen gegen das Tierschutzgesetz ein Tierschutzanwalt die Interessen der misshandelten Tiere verträte.

Vorbild ist der Kanton Zürich, der das weltweit einmalige Amt des Tierschutzanwalts bereits 1992 eingeführt hat. Der Anwalt hat bei einem Gerichtsverfahren alle Rechte eines Geschädigtenvertreters, wie Akteneinsicht oder die Teilnahme bei den Verhören.

Föderalistischer Vollzug

Das geltende Tierschutzrecht gibt den Kantonen die Kompetenz, einen Tierschutzanwalt zu ernennen oder andere Massnahmen zur besseren Wahrnehmung der Rechte der Tiere zu ergreifen.

Deshalb, und weil bereits das neue Tierschutzgesetz eine weitere Verschärfung zugunsten der Tiere mit sich bringe, lehnen Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments die Initiative ab.

Die Interessen misshandelter Tiere müssten besser geschützt werden, argumentiert hingegen das Initiativkomitee. Denn: Tatverdächtige könnten sich durch einen Anwalt vertreten lassen, betroffene Tiere jedoch nicht.

Die Befürworter bemängeln den von Kanton zu Kanton unterschiedlichen Vollzug des Tierschutzgesetzes. So hat der Kanton Zürich im vergangenen Jahr 190 Tierschutz-Straffälle ausgewiesen. In den Kantonen Wallis und Genf gab es lediglich je einen einzigen Fall.

Gratwanderung Forschung am Menschen

Der Würde des Menschen Rechnung tragen und gleichzeitig die medizinische Forschung nicht zu stark einengen: Das will der neue Verfassungsartikel über eine schweizweit einheitliche gesetzliche Regelung für die Forschung am Menschen.

Die grosse Mehrheit des Parlaments und der Bundesrat sind sich einig, dass die heutige Regelung lückenhaft und uneinheitlich sei und dass der neue Artikel der Würde der Menschen genügend Rechnung trage und gleichzeitig die Forschung nicht zu stark einschränke.

Der Verfassungsartikel hält vier Grundsätze fest, an die sich das Ausführungsgetz halten muss. So darf eine Person nur dann in ein Forschungsprojekt einbezogen werden, wenn sie dazu ihre Einwilligung erteilt. Bei Personen, die wegen ihres Gesundheitszustandes oder wegen ihres Alters nicht in der Lage sind, einen solchen Entscheid zu treffen, liegt der Entscheid beim gesetzlichen Vertreter, also im Fall eines kleinen Kindes bei den Eltern.

Einzig SVP dagegen

Geistig schwer behinderte oder demenzkranke Personen dürfen nur dann in ein Projekt einbezogen werden, wenn die angestrebten Erkenntnisse nicht mit einwilligungsfähigen Personen gewonnen werden können. Jedes Forschungsprojekt muss von einer unabhängigen Instanz – in der Regel von einer Ethikkommission – überprüft werden.

Von den grossen Parteien und Organisationen lehnt einzig die Schweizerische Volkspartei (SVP) den neuen Forschungsartikel ab. Die SVP stellt sich auf den Standpunkt, die im Artikel enthaltenen Grundsätze gehörten nicht in die Verfassung, sondern in ein Ausführungsgesetz. Die Partei verzichtete allerdings darauf, im Vorfeld der Abstimmung in die Debatte einzugreifen.

Andreas Keiser, swissinfo.ch

Beträgt heute 7% für Männer und von 6,95% für Frauen. Das heisst: Aus einem Alterskapital von 100‘000 Franken ergibt sich eine Jahresrente von 7000, respektive 6950 Franken. Je tiefer der Umwandlungssatz, desto tiefer die Rente.

Das Parlament hat im Dezember 2008 beschlossen, den Umwandlungssatz für Neurentner bis ins Jahr 2016 sukzessive auf 6,4% zu senken.

Bereits im Jahr 2003 hatte das Parlament beschlossen, den Satz bis 2014 sukzessive von 7,2 auf 6,8 Prozent zu reduzieren.

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