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Roger de Weck neuer SRG-Generaldirektor

SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Bernard Münch (links) mit dem neuen SRG-Generaldirektor Roger de Weck an der Medienkonferenz vom Dienstag in Bern. Keystone

Der 56-jährige de Weck folgt auf Armin Walpen, der Ende Jahr in den Ruhestand tritt. Der neue SRG-Chef steht vor schwierigen Aufgaben: Das nationale Fernseh- und Radiounternehmen, zu dem auch swissinfo.ch gehört, steht unter finanziellem und politischem Druck.

De Weck ist der achte Generaldirektor seit der SRG-Gründung im Jahr 1931. Seine Wahl gilt als Überraschung. Der Moderator der Fernsehsendung “Sternstunden” war Chefredaktor der deutschen Wochenzeitung Die Zeit und beim Zürcher Tages-Anzeiger und Mitglied der Tamedia-Konzernleitung.

Er ist Präsident des Institut de hautes études internationales et du développement (Graduate Institute) in Genf und freier Publizist. Seit 2001 ist er freier Publizist und arbeitet für Fernsehen, Radio und Presse im In- und Ausland.

“Ich freue mich auf die grosse Aufgabe, in die ich meine Erfahrungen aus unterschiedlichen Medien einbringen kann. Führung ist für mich die Fähigkeit zuzuhören, die verschiedenen Aspekte und Ansichten offen zu diskutieren, dann aber klar zu entscheiden und den Entscheid ohne Verzug umzusetzen”, erklärte Roger de Weck.

Weiter fügte er an: “In unserem viersprachigen Land hat die SRG den staatspolitischen Auftrag, zum eidgenössischen Zusammenhalt und zur politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung beizutragen. Das ist Service public und service au public. Eine Verpflichtung, die ich mit Respekt annehme und der ich mit Sorgfalt und Konsequenz gerecht werden will.”

Grosse Herausforderungen

Auf Roger de Weck warten schwierige Herausforderungen: Die SRG steht mitten in einem Restrukturierungsprozess und unter wachsendem Druck, Einsparungen vorzunehmen und gleichzeitig effizienter zu werden.

Für Nick Lüthi, Chefredaktor des Medienmagazins Klartext, ist das “eine Schlacht, die nicht gewonnen werden kann”, wie er gegenüber swissinfo.ch sagt.

De Weck wird auch für eine mögliche Gebührenerhöhung und eine Lockerung der Werbeauflagen, insbesondere im Online-Bereich, lobbyieren müssen.

Zudem muss der neue Generaldirektor die SRG auch gegen Angriffe von Privatmedien verteidigen. Diese beschuldigen die SRG, in einem Wettbewerbsumfeld an ihren Privilegien festzuhalten.

Die grösste Herausforderung für den neuen SRG-Chef ist laut Nick Lüthi indessen hausgemacht: nämlich das so genannte Konvergenz-Projekt zur Fusion und engen Zusammenarbeit zwischen Radio und Fernsehen.

“Das Ziel des Projektes ist es, den sich verändernden Medienkonsumgewohnheiten des Publikums anzupassen, das die SRG mit Gebührengeldern mehrheitlich mitfinanziert”, so Lüthi.

Die SRG verzeichnete 2009 ein Defizit von 47 Millionen Franken. Bis Ende 2011 wird ein Finanzloch von 450 Millionen Franken erwartet.

Lüthi betont, dass die SRG endlich eine glaubhafte Online-Strategie definieren müsse. “Im vergangenen Jahr wurde viel Zeit mit Online-Projekten für Radio und Fernsehen vertan, wobei swissinfo.ch mit einer unsicheren Zukunft im Regen stehen gelassen wurde.”

Ein Übermensch

Für den prominenten Autoren und Medienexperten Karl Lüönd kann nur ein “Übermensch” den Job des SRG-Generaldirektors gut erledigen. “Es stehen harte Zeiten bevor. Er wird alles Glück der Welt brauchen”, sagt Lüönd gegenüber swissinfo.ch.

Für Nick Lüthi hingegen ist der Job letztlich nicht sehr anders als jede Spitzenposition in einem Grossunternehmen. Natürlich sei die SRG ein Betrieb, der in einem speziellen schweizerischen Umfeld von vier verschiedenen Sprachregionen arbeiten müsse. Deshalb erfordere der Job ein klares Verständnis für das föderalistische System der Schweiz und die unterschiedlichen Mentalitäten.

Auch müsste auf die Bedürfnisse der Minderheiten eingegangen und die verschiedenen Erwartungen erfüllt werden, ohne sich dabei zum Sklaven einer Gruppe zu machen, so Lüthi. “Dazu braucht es eine ausgewogene Persönlichkeit mit einem gewissen Grad an Bescheidenheit und einem Flair für transparente Kommunikation.”.

Direktor, nicht General

Im Jobprofil der SRG wurden Manager-Qualitäten betont, dies gewissermassen als Bruch mit der Vergangenheit, als der Posten des SRG-Generaldirektors von der Landesregierung bestimmt wurde.

Die Wahlprozedur wurde jetzt abgeändert: Das endgültige Sagen hatten der SRG-Verwaltungsrat und ein Gremium von Delegierten des Regionalrates.

In einem Editorial der Neuen Zürcher Zeitung warnte Medienredaktor Rainer Stadler vor der Wahl, die politische und kulturelle Diversität der Schweiz sei kaum geeignet für jemanden mit Ambitionen und dem Stil eines militärischen Führers.

“Die SRG kann von einem Direktor geführt werden, nicht von einem General”, witzelte Stadler.

Symbol für Service Public

Der SRG-Verwaltungsrat setze mit de Weck auf “ein Symbol für die Idée suisse”, sagte Medienwissenschafter Roger Blum nach der Wahl. Als gebürtiger Romand mit Arbeitserfahrung bei Deutschschweizer Medien integriere de Weck die Landesteile.

De Wecks Wahl sei bemerkenswert in Zeiten, in denen der Service Public angefeindet werde, hielt Blum fest. Der 56-Jährige werde den Service Public verteidigen.

So glaubt Roger Blum nicht, dass de Weck swissinfo.ch einstellen wird. Ebenso wenig werde der designierte SRG-Generaldirektor die italienischsprachigen Sender einfach streichen. “De Weck wird eher auf teure Sportsendungen verzichten”, prognostiziert der Medienwissenschafter.

Rechte enttäuscht – Linke zufrieden

Je rechter die Partei, desto unzufriedener: Die Wahl des neuen SRG-Generaldirektors Roger de Weck kommt bei der Sozialdemokratischen Partei (SP) und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) gut an. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) hingegen spricht von einer “politischen Wahl” und zeigt sich enttäuscht. Skeptisch ist die Freisinnig-Demokratische Partei ( FDP).

“Überrascht” über die Wahl erklärte sich de Wecks Kontrahent, Nationalrat Filippo Leutenegger. Zu seiner Wahlniederlage wollte der FDP-Kandidat nicht viel sagen: “Ich wünsche Roger de Weck alles Gute für die anspruchsvolle Aufgabe.”

Der neu gewählte SRG-Generaldirektor geniesst Rückendeckung von Medienminister Moritz Leuenberger. Er begrüsse die Wahl de Wecks, teilte der SP-Bundesrat am Dienstag mit.

Urs Geiser, Jean-Michel Berthoud, swissinfo.ch und Agenturen

Die SRG betreibt 8 Fernseh- und 18 Radiosender und sendet in den vier offiziellen Landessprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Romanisch sowie auch in Englisch.

Dazu kommt die 9-sprachige Internetplattform swissinfo.ch.

Die SRG SSR idée suisse ist ein privatrechtlich organisiertes, nach den Grundsätzen des Aktienrechts geführtes Medienunternehmen, dessen Auftrag auf der Bundesverfassung, dem Radio- und Fernsehgesetz sowie der Konzession basiert und das dem Service public verpflichtet ist.

Das Unternehmen finanziert sich aus Gebühren, durch Werbung und Sponsoring.

Die SRG beschäftigt 6100 Angestellte, was einem Vollzeitstellenangebot von knapp 5000 entspricht.

Seit der SRG-Gründung 1931 haben 7 Generaldirektoren das Unternehmen geleitet. Die letzten drei waren CVP-Männer.

1931-1936: Maurice Rambert, Radio-Initiant in Lausanne, wird erster Generaldirektor der SRG.

1936-1950: Alfred W. Glogg führt als Generaldirektor durch die schwierigen Kriegsjahre. Unter ihm wird die SRG stärker zentralisiert.

1950-1972: Marcel Bezençon. In seiner Amtszeit werden das Fernsehen und die zweiten Programme der SRG-Radios eingeführt.

1972-1981: Stelio Molo, Tessiner FDP-Mann. Er setzt sich besonders für die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen von politischer Einflussnahme ein.

1981-1987: Leo Schürmann, CVP-Nationalrat, erster Preisüberwacher 1973/74 und Mitglied des Nationalbank-Direktoriums. In seiner Amtszeit führen die SRG-Radios dritte Programmketten für ein junges Publikum ein (als Antwort auf die Zulassung von Privatradios 1983), das Fernsehen startet den Teletext.

1987-1996: Antonio Riva, Tessiner CVP-Mann. In seiner Amtszeit wird die SRG reorganisiert, dritte respektive vierte TV- und Radioketten werden eingeführt.

1996-2010: Armin Walpen, Oberwalliser CVP-Mann, Jurist mit Karriere beim Bund. Unter ihm erhält die SRG den Zusatz “idée suisse”, Schweizer Radio International wird vom Kurzwellensender zur Internetplattform swissinfo.ch, die Radio- und TV-Digitalisierung startet.

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