Um die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten zu können, will der Bundesrat eine Ausnahmeregel anwenden: Er macht ausserordentliche Asylausgaben geltend. Kritik kommt von links wie rechts.
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SRF, swissinfo.ch und Agenturen (Tagesschau vom 29. Juni 2016)
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Der Bundesrat könne die Zahl der Asylgesuche nicht beeinflussen, sagte Finanzminister Ueli Maurer am 29. Juni vor den Medien in Bern. Verglichen mit anderen Ländern sei Schweiz als Asylland nicht besonders attraktiv. Die Zahl der Gesuche sei aber wie in anderen Ländern stark angestiegen.
Genau dafür sei die Ausnahmeregelung vorgesehen: für aussergewöhnliche und vom Bund nicht steuerbare Entwicklungen. Bei der Einführung der Schuldenbremse sei die Kosovo-Krise als Beispiel genannt worden.
Überschuss statt Defizit
Konkret beantragt der Bundesrat dem Parlament, 400 Millionen Franken als ausserordentlichen Zahlungsbedarf zu verbuchen. Damit würde im ordentlichen Haushalt ein struktureller Überschuss von rund 100 Millionen resultieren.
Ohne diese Massnahme würde das Defizit im Voranschlag 2017 600 Millionen Franken betragen, bei Ausgaben von 69,4 Milliarden und Einnahmen von 68,8 Milliarden. Die Schuldenbremse lässt ein Defizit von nur rund 350 Millionen Franken zu. Der Höchstbetrag für die Ausgaben ist gemäss Schuldenbremse an die Einnahmen gebunden, wobei konjunkturelle Einflüsse berücksichtigt werden.
Schuldenbremse lockern
Langfristig will der Bundesrat neue Spielräume schaffen. Er hat das Finanzdepartement beauftragt, ihm Vorschläge zu Einsparungen bei den gebundenen Ausgaben vorzulegen – jenen Aufgaben also, die aus gesetzlichen Bestimmungen folgen.
Schliesslich will der Bundesrat die Regeln der Schuldenbremse überprüfen, ohne aber die in der Bundesverfassung verankerte Bestimmung grundsätzlich in Frage zu stellen. Das Finanzdepartement soll bis Ende des Jahres einen Bericht dazu vorlegen.
Kritik von allen Seiten
Rechte und bürgerliche Parteien kritisieren das Auffangen der Asylkosten durch eine Ausnahmeregel. “Der Bundesrat schlägt den Weg der Schuldenwirtschaft der EU ein”, titelt die Schweizerische Volkspartei (SVP) in einer Mitteilung. Und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP.Die Liberalen) kritisiert: “Es darf nicht sein, dass durch ausserordentliche Ausgaben die Schuldenbremse stetig aufgeweicht wird.”
Mildere Worte findet die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP). Doch auch sie will die Verwendung der Überschüsse im Parlament diskutieren. Ebenso wehrt sich die Partei dagegen, dass andere Bereiche wie Armee, Bildung oder Landwirtschaft für diese ausserordentlichen Ausgaben herhalten müssen.
Aus Sicht der Sozialdemokratischen Partei (SP) ist die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat für die “unseriöse und einseitige Finanzpolitik” verantwortlich. Doch auch SVP-Finanzminister Maurer bekommt sein Fett ab: “Seit er im Amt ist, laufen die Finanzen aus dem Ruder.”
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Staatsschulden: Schweizer sind Europameister im Sparen
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Die Schweiz ist eines der wenigen Länder Europas, welche die Haushaltsdisziplin respektieren. Die EU hatte diese vor zwanzig Jahren angenommen, von ihren Mitgliedern wird sie aber wenig angewendet. Die Schweizer Staatsschuld entspricht knapp 33% des BIP. Jene der 28 EU-Staaten liegt durchschnittlich bei über 85%. Dennoch legt die Schweizer Regierung jedes Jahr ein Sparprogramm für die öffentlichen Ausgaben vor. Eine besonnene Finanzpolitik oder Sparwut?
"Die Schweiz geht in Richtung Bankrott", prognostizierte das Wochenmagazin Facts 1997, nach einer Serie von Milliarden-Defiziten in der Staatskasse. Die Zeitschrift ging einige Jahre später Pleite, während es den Schweizer Finanzen gut geht. Alles bestens. Zusammen mit Norwegen, wo die Einnahmen aus Erdöl die Steuererträge alimentieren, ist die Schweiz gar das einzige Land Europas, das seit Ausbruch der letzten grossen Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 seine öffentlichen Schulden senken konnte. Und dies sogar, ohne auf die Umsetzung teurer Infrastrukturprojekte zu verzichten, wie den Gotthard-Basistunnel, den längsten Eisenbahntunnel der Welt, der am 1. Juni eingeweiht worden ist.
Die Schweiz, die kein EU-Mitglied ist, gehört zu den wenigen Ländern, die von Anfang an "die Kriterien der Konvergenz" des Abkommens von Maastricht erfüllen. Mit dem Vertrag von 1992 wurde die Basis für die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einführung des Euros gebildet.
Länder, die der Einheitswährung beitreten wollen, müssen sich verpflichten, ihre Staatsverschuldung auf unter 60% ihres Bruttoinlandprodukts (BIP) zu beschränken.
Gewisse Länder verstiessen jedoch bereits bei ihrem Beitritt zum Euro gegen derlei Vorgaben: Etwa Griechenland mit 107%, Italien mit 109%, Belgien mit 114%. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise sahen sich weitere EU-Länder gezwungen, ihre Ausgaben massiv zu erhöhen, um den Bankensektor zu stützen und die Konjunktur anzukurbeln.
Heute übersteigt die Staatsverschuldung der wichtigsten Wirtschaften der Euro-Zone, aber auch jene Grossbritanniens, die Schwelle von 60%.
Die öffentlichen Finanzen der Schweiz konnten in diesen Jahren jedoch von einer unerwarteten wirtschaftlichen Stabilität profitieren, was auch der Steuerkasse zu Gute kam.
Die Schweizer Wirtschaft, die nur 2009 einen Rückgang erlebte, kam rasch aus der internationalen Krise heraus: Die Nachfrage der Konsumenten hielt stand, die Exporte brachen nicht ein, trotz Rückgang der Nachfrage auf den EU-Märkten, und die Arbeitslosenrate blieb bei 3-4%.
Die Schweizerische Nationalbank spielte dabei eine wichtige Rolle, etwa bei der Rettung der UBS und indem sie über Jahre der Aufwertung des Frankens entgegenwirkte. Die Schweiz stand auch beim Verhältnis der Staatsausgaben zum BIP besser da als andere europäische Länder, die von einem wuchtigen Staatsapparat belastet waren.
Ausschlaggebend für einen gesunden Staatshaushalt war auch die so genannte "Schuldenbremse". Diese war 2003 von der Eidgenossenschaft eingeführt worden, um eine Schieflage der Staatsfinanzen und einen Schuldenanstieg zu vermeiden, wie das in den 1990er-Jahren passiert war.
Dieser Mechanismus zielt darauf ab, Einnahmen und Ausgaben im Lauf eines Konjunkturzyklus' auszugleichen: Wenn sich die Wirtschaft abschwächt, sind Defizite begrenzt zugelassen, während in Jahren der Hochkonjunktur Überschüsse erwirtschaftet werden müssen. Ähnliche Modelle wurden auch in den vielen Kantonen eingeführt.
Dank der Schuldenbremse konnte das Gleichgewicht des Staatshaushalts schnell wieder hergestellt werden: Die Gesamtschuld (öffentliche Verwaltung und soziale Sicherheit) ging so von 50,7% im Jahr 2003 auf 33,1% im 2015 zurück.
Im letzten Jahrzehnt wiesen die Konten der Eidgenossenschaft – ausgenommen 2014 – immer Milliardenüberschüsse aus. Ein Resultat, das auf europäischer Ebene praktisch einzigartig ist.
Die Sanierung der Finanzen wird von allen politischen Kräften unterstützt, da sie nicht nur die Ausgaben zur Zahlung der Schuldzinsen ermöglicht, sondern auch die Resistenz des Landes angesichts neuer Krisen stärkt. Für einige Parteien und auch für gewisse Ökonomen hat die Sparpolitik jetzt aber das Mass überschritten: Im letzten Jahrzehnt hat die Eidgenossenschaft auch in konjunkturell schwachen Jahren Überschüsse erzielt. Trotz dieser Gewinne legt die Regierung Jahr für Jahr neue Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben auf den Tisch.
Die Linke fordert, dass die finanziellen Mittel des Bundes in einem Konjunkturtief hauptsächlich zur Stärkung des Sozialstaates eingesetzt werden sowie zur Unterstützung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Gemäss den Mitte- und Rechtsparteien braucht die Wirtschaft keine staatliche Unterstützung, sondern zusätzliche Steuererleichterungen.
Trotz guter Entwicklung bei den Bundesfinanzen gehört die Finanzpolitik seit Jahren zu den umstrittensten Themen im Parlament. So auch in diesem Jahr. Im Rahmen der neuen Unternehmenssteuerreform hat die Mehrheit der Parlamentarier aus dem Mitte- und Rechtslager eine ganze Reihe von Steuererleichterungen in Milliardenhöhe für Unternehmen gutgeheissen. Für die Linke ist diese Reform ein Angriff auf die Staatskasse. Sie will dagegen das Referendum ergreifen. Gleichzeitig hat Finanzminister Ueli Maurer bereits drei Sparpläne für die kommenden Jahre vorgelegt, die insbesondere die Sozialversicherungen, die Bildung sowie die Entwicklungshilfe betreffen. Verschont werden jedoch die nationale Verteidigung, die Landwirtschaft sowie das Verkehrswesen. Diese Sparpläne sorgen für grosse Konflikte unter den Parteien.
Wie die übrigen Länder Europas ist auch die Schweiz mit zwei Kostenfaktoren konfrontiert, welche die öffentlichen Ausgaben in die Höhe treiben könnten: die Alterung der Bevölkerung und die Explosion der Gesundheitskosten. In den nächsten 30 Jahren werden laut dem neusten Bericht des Finanzdepartements 150 Milliarden Franken benötigt, um den Aufwand für die Folgen der demografischen Entwicklung zu finanzieren.
Ohne Sparmassnahmen oder höhere Steuereinnahmen wird die Staatsverschuldung bis 2045 auf 59% des BIP ansteigen. Reformen bei der Kranken- und der Sozialversicherung sind allerdings schon seit rund 20 Jahren auf dem Tapet, ohne dass sich die Parteien auf einen Kompromiss hätten einigen können.
Eine Lösung ist allerdings dringend nötig, denn die demografische Entwicklung stellt eine Zeitbombe dar, die das Gleichgewicht der Staatsfinanzen massiv bedrohen könnte.
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Das Schweizer Stimmvolk hat 2001 Ja gesagt zur Einführung einer Schuldenbremse für die Ausgaben des Bundes. 2003 ist sie in Kraft getreten. Ein Jahrzehnt später sind die Staatsschulden – die während den 1990er-Jahren und zu Beginn der Jahre 2000 ein beängstigendes Niveau erreicht hatten – gegenüber dem Höchstwert im Jahr 2005 um 20 Milliarden Franken…
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Rekord bei den Autoverkäufen, ein Überschuss bei den Bundes-Finanzen, weniger als 3% Arbeitslose: Im Vergleich zu anderen westlichen Staaten, die mit schweren wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben, steht die Schweiz gut da. Stéphane Garelli ist Professor am Institute for Management Development (IMD) und an der Universität Lausanne. swissinfo.ch: Ist die Schweiz wirklich ein Sonderfall? Auch Deutschland…
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