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Schweiz hat zu wenig Fonduewein

Der Käse fürs Fondue ist bereit. swissinfo.ch

80% der Rohstoffe müssen aus der Schweiz kommen, damit ein Produkt mit dem Schweizerkreuz ausgezeichnet werden darf. Das verlangt die neue Swissness-Vorlage. Für einige traditionelle Marken könnte dies zum Problem werden. Gerber Fondue ist eine davon.

“Der Käse, den wir verwenden, ist ein reines Naturprodukt aus der Schweiz”, sagt Ruedi Köpfli, der Geschäftsführer der Emmi Fondue AG in Langnau. “Käme die Forderung durch, dass 80% der Zutaten aus der Schweiz stammen müssten, würden wir das zur Zeit nicht erfüllen, wegen dem Weinanteil.” Die für die Fondueproduktion nötige Menge sei in der Schweiz nicht erhältlich.

Zur Frage der Swissness sagt Köpfli nichts. Die Konzernkommunikation von Emmi hält dazu schriftlich fest, dass “die Hersteller von Fertigfondue für ihre Produkte Industriewein von konstanter und absolut gleichbleibender Qualität benötigen.

Es braucht Wein aus identischen Warenlosen aus gleicher Provenienz, er muss neutral sein, rein, wenig Fruchtaroma haben, viel Säure und ein hoher Alkoholgehalt. Zudem muss eine 100%-ige Liefersicherheit gewährleistet sein.”

Emmi ist der Meinung, dass die Botschaft des Bundesrates zum Markenschutzgesetz, wonach mindestens 80% der Rohstoffe aus der Schweiz stammen müssen, zu strikt ausgelegt sei.

Gerber-Fondue

Emmi hat die Fondue-Produktion in Thun in den Räumlichkeiten der ehemaligen Tiger-Käse-Fabrik zusammengelegt. Dort produzieren 250 Festangestellte alle Fonduemischungen von Emmi, rund die Hälfte für die Schweiz und die Hälfte für den Export. Die Mischungen werden auf Bestellung hergestellt. Einige Marken, das Kaltbach-Fondue beispielsweise, sind in der Schweiz nicht erhältlich.

Heute wird das bekannte Gerber Fondue gemischt. Es ist im In- und Ausland die wohl bekannteste Fertigfondue-Marke. Auch bei diesem Produkt macht der Emmentaler den grössten Teil der Käsemischung aus. Die genauen Rezepte der Fondue-Mischungen gibt Heinz Glauser, der Leiter der Produktion in Langnau, natürlich nicht bekannt. Die Rezepte seien seit 50 Jahren gleich.

Im Keller wird der fürs Fondue vorgesehene Käse zwischengelagert. Riesige Mengen Emmentaler, Greyerzer und viereckig geformte Käselaibe, die extra für Emmi hergestellt werden.

Der Emmentaler müsse ungefähr 5 Monate gelagert werden, so habe er die richtige Konsistenz, um zu Fondue verarbeitet zu werden, sagt Heinz Glauser. Das Alter des Käses ist wichtig, weil Käse, der ein gewisses Alter erreicht hat, sich von der Eiweiss-Struktur her nicht für Fertigfondue eignet.

Erhitzt auf 80 Grad

Das Fondue wird im ersten Stock hergestellt. Die Aussicht aus der Produktionshalle auf das Emmentals ist bestechend. Auf den sanften Hügeln liegt noch Schnee.

Doch nun beginnt die Arbeit am Fondue. Der Käse wird entrindet. Laib für Laib hievt der Mitarbeiter den Käse auf den Tisch, entfernt mit einem elektrischen Schaber die Rinde, dreht den Laib um, schabt weiter. Die abgetrennte Rinde wird zu Schweinefutter verarbeitet.

In der Halle stehen verschiedene Geräte und Laufbänder neben Massen von weisslichem Käse in Gitterbehältern. 40 Tonnen Käse werde pro Tag verarbeitet, in der Vor-Fondue-Saison sind es mehr.

Bevor in einer Anlage alle Zutaten gemischt und erhitzt werden, wird der Käse in einen Zerkleinerer gefüllt, “ein grosser Fleischwolf für Käse”, wie es der Produktionschef ausdrückt. Lange Spaghetti aus Käse kommen heraus.

Konsistenz stimmt

In dem Raum, in dem alle Zutaten zusammengefügt werden, Wein, Stärke, Käse, Kirsch und Gewürze, stehen vier Tanks. Sie werden ständig computergesteuert überwacht. Auf 80 Grad wird die Mischung erhitzt, vorgekocht.

Abgekühlt wird sie danach auf 25 Grad, und direkt in einen Beutel aus Alufolie gespritzt. Die Beutel wiegen 400 Gramm. Der Inhalt wird regelmässig probiert, er muss nicht nur vom Geschmack her gut sein, auch die Konsistenz muss stimmen. Heute schmeckt das Fondue gut, und sämig genug ist es auch, sagt Glauser.

Über Laufbänder gelangen die Beutel nun zu jener Maschine, die es in Schachteln steckt. Auf der Schachtel prangt das Schweizerkreuz.

Bundesrat subventioniert Spezialitäten-Weine

Würde die Swissness-Vorlage so verabschiedet, wie sie nun geplant ist, müsste Emmi die bewährten Fondue-Rezepturen überprüfen und anpassen, sagt man bei Emmi dazu.

Der Bund subventioniere das Ausreissen von weissen Rebstöcken, indem er Beiträge bei der Umstellung auf höherwertigere Rebsorten (Rotwein oder Weissweinspezialitäten) bezahle (Art. 66 LWG Umstellungsbeiträge).

“Diese Massnahme führte zu einer Verknappung vom Angebot. Für Fonduehersteller ist es daher nicht mehr möglich, die notwendigen Qualitäten in den benötigten Mengen in der Schweiz zu beschaffen. Anfragen bei Weinlieferanten bestätigen dies”, schreibt Emmi.

Tatsächlich hat der Bund als Folge einer Überproduktion von Schweizer Weisswein seine Subventionspraxis auf die Förderung von Qualitätsweinen ausgerichtet und damit das Angebot an Industrieweinen reduziert.

Eveline Kobler, swissinfo.ch

Der Bundesrat hat im November 2009 eine Botschaft zum
Gesetzesprojekt “Swissness” verabschiedet. Die Vorlage stärkt den Schutz der Herkunftsbezeichnung “Schweiz” und des Schweizerkreuzes
im Inland und erleichtert die Rechtsdurchsetzung im Ausland.

In Zukunft sollen mindestens 60 Prozent der
Herstellungskosten für Industrieprodukte in der Schweiz anfallen müssen. Bei verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten müssen mindestens
80 Prozent des Rohstoffgewichts aus der Schweiz stammen. Die
Gesetzesrevision ist deshalb umstritten.

Die IG Swiss Made bezeichnete die Vorlage als kontraproduktiv: Statt die Marke Schweiz zu stärken, werde diese entscheidend
geschwächt. Schweizer Uhrenhersteller würden Produktionsstätten
schliessen müssen, tausende von Arbeitsplätzen seien bedroht.

Nach Meinung von Konsumentenorganisationen geht die Vorlage hingegen
nicht weit genug.

Die Ausstellung “Schweiz drauf… Schweiz drin?” im Poitforum des Bundes in Bern deckt nach Angaben der Ausstellungsmacher anhand konkreter Beispiele aktuelle
Missstände auf und setzt sich mit der Frage auseinander, was ein Schweizer Produkt oder eine Schweizer Dienstleistung ausmacht.

Zur Eröffnung eingeladen war unter anderen Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartements. In
mehreren Gesprächsrunden werden bis am 26. Juni zudem Themen wie
“‘Swiss made’ made in China”, “Cashcow Swissness” oder die Frage
“Muss die ‘Marke Schweiz’ geschützt werden?” diskutiert.

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