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Schweizer Grossbanken sollen Eigenmittel aufstocken

Die Forderung nach verstärkten Eigenmitteln betrifft vor allem die beiden Schweizer Grossbanken. Keystone

Schweizer Grossbanken sollen deutlich höhere Eigenmittel ausweisen als ihre Konkurrenten, verlangt die Expertenkommission zur "Too big to fail"-Problematik. Sie verlangt 19% der Aktivsumme. International sieht der 'Basel III'-Standard 10,5% vor.

UBS und CS sollen künftig mehr Eigenmittel als Reserve halten, fordert der am Montag veröffentlichte Schlussbericht der Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen. Das Gremium war vom Bundesrat Ende 2009 eingesetzt worden.

In der Finanzkrise hatte sich die Schweiz gezwungen gesehen, die UBS zu stützen. Deshalb gelten in der Schweiz die Grossbanken UBS und CS als systemrelevante Unternehmen. Mit anderen Worten, sie machen einen derart grossen Teil der Volkswirtschaft des Landes aus, dass der Staat sie nicht untergehen lassen kann (“Too big to fail”).

CS und UBS zeigen sich in den ersten Reaktionen auf die Forderungen gelassen und bezeichneten sie als machbar. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) und die Finanzmarktaufsicht (Finma) fordern, dass an den Forderungen keine Abstriche gemacht werden.

Eigenmittel ist nicht Eigenkapital

Heute müssen – bei grosszügiger Berechnungsmethode – die Grossbanken 8% Eigenmittel an den Aktiven ausweisen. ‘Basel III’, der internationale Regulierungsstandard, sieht seit Ende September 10,5% vor.

Eigenmittel heisst allerdings nicht Eigenkapital. Künftig sollen, so die Kommission des Bundes, allein 10% der Eigenmittel in “hartem Eigenkapital” vorliegen (also in Form von Gewinnvorträgen oder einbezahltem Eigenkapital).

Weitere 9% Eigenmittel sollen in Form von Wandelkapital gebildet werden. Käme es zur Krise, könnten bedingte Pflichtwandelanleihen in Eigenkapital umgewandelt werden. Damit der Kauf solcher Anleihen attraktiv würde, könnten sie von den heutigen Steuern befreit werden.

Die geforderten Quoten beziehen sich auf die heutige Grösse der Banken. Falls diese noch “systemrelevanter” würden, sollten auch die Eigenmittel-Anforderungen steigen, fordert die Kommission weiter. Sowohl die Kommission wie auch ‘Basel III’ gehen davon aus, dass die Lösung ab 2013 gültig wird, bei einer Übergangsfrist bis Ende 2018.

Krisenszenarien entwerfen

Nebst den Eigenmittelforderungen empfiehlt die Kommission ferner, dass die Grossbanken Krisenszenarien ausarbeiten müssen, um systemrelevante Geschäftsteile bei drohendem Konkurs weiterführen zu können. So könnten der Zahlungsverkehr oder das Kreditwesen in der Schweiz in eine eigenständige Gesellschaft ausgelagert werden.

Dabei setzt die Kommission auf das Prinzip “Zuckerbrot und Peitsche”: Die “Notfallpläne” sollen die Banken selbst entwerfen; gehen sie über Minimalanforderungen hinaus, erhalten sie einen “Rabatt” auf die Eigenmittelanforderungen. Liegt kein Plan vor, könnte der Staat zu Zwangsmassnahmen greifen.

Als ausreichend taxiert die Kommission die heutigen Liquiditätsvorschriften, die erst im Juni verschärft wurden. Beim Problem des Klumpenrisikos verweist sie auf bestehende Regeln sowie EU-Vorschriften.

Abstand von politischen Forderungen

Der Bericht enthält ein ganzes Paket von Massnahmen, die sich an internationale Regeln anlehnen. Die Vorschläge seien aufeinander abgestimmt, hält die Kommission fest. Sie fordert eine “rasche Umsetzung”. Dafür sind teilweise auch Gesetzesänderungen nötig (Teilrevision des Bankengesetzes). Der Bundesrat müsse nun entscheiden, wie er die Forderungen umsetzen will. Folgt er dem Expertenrat, käme auch das Parlament zum Zuge.

Deutlich Abstand nehmen die Experten von Forderungen der politischen Pole. Wie bereits in ihrem Zwischenbericht vom April spricht sich die Kommission dagegen aus, dass der Staat Grossbanken zerschlagen oder in ihrer Grösse beschränken soll.

Auch eine weitergehende Regulierung von Löhnen oder überrissenen Boni, ein Eigenhandel-Verbot oder spezielle Steuern lehnt sie ab.

“Internationale Vorreiterrolle”

Die Nationalbank (SNB) und die Finanzmarktaufsicht forderten gemeinsam, dass an den Vorschlägen keine Abstriche gemacht werden. Vertreter beider Organisationen sowie der Grossbanken waren ebenfalls in der Kommission vertreten.

Mit den neuen Eigenkapitalvorschriften für die Grossbanken übernimmt die Schweiz nach Ansicht der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) eine internationale Vorreiterrolle.

Sie appelliert daher an die Politik, bei der Umsetzung die internationalen Entwicklungen zu berücksichtigen und keine zusätzlichen Forderungen zu stellen.

Die Schweiz solle sich auch im Ausland für ähnlich strenge und umfassende Regeln einsetzen, fordert die Bankiervereinigung. Damit könnten mögliche negative Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit von UBS und Credit Suisse verhindert werden.

Wettbewerbsnachteil befürchtet

Auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse, der selbst in der Expertenkommission vertreten war, steht hinter den Vorschlägen. Die im internationalen Vergleich scharfen Eigenkapitalvorschriften sollten jedoch für die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz im Ausland darstellen, warnt Economiesuisse.

Zurzeit würden die Schweizer Massnahmen im Vergleich zu den empfohlenen internationalen Mindestanforderungen von Basel III sehr streng ausfallen, doch der Basler Ausschuss suche den Konsens für weiter greifende Massnahmen, sagt Andreas Venditti, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, gegenüber swissinfo.ch.

Würden die definitiven Massnahmen von Basel III strenger sein als die bisher vorgeschlagenen, wäre der Unterschied zwischen dem Schweizer und dem internationalen Regelwerk schliesslich nicht mehr so gross.

Zu wenig weit gehen indes die Eigenkapitalvorschriften dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Die Expertenkommission schlage Werte vor, die tiefer seien als die Eigenmittelausstattung der Grossbanken in den 1990er-Jahren.

Der Bundesrat hatte die von ihm eingesetzte Expertengruppe unter Leitung des früheren eidgenössischen Finanzverwalters Peter Siegentaler im April gebeten, den ursprünglich für Ende 2010 angekündigten Schlussbericht vorzuziehen.

Die Regierung wünschte, dass die Experten möglichst rasch sagen, wie die Schweiz mit Grossbanken umgehen soll, die im Konkursfall die ganze Volkswirtschaft gefährden könnten.

Die Experten-Kommission hat ihre Empfehlungen zuhanden des Bundesrats einstimmig gefällt, erklärte Kommissionspräsident Peter Siegenthaler am Montag in Bern.

Die Einstimmigkeit sei der Kommission nicht in den Schoss gefallen. Sie sei das Resultat einer harten aber fairen Auseinandersetzung.

Am schwierigsten sei gewesen, sich am Ende auf konkrete Zahlen
festzulegen.

Die vier Kernmassnahmen zu den Eigenmitteln, der
Risikoverteilung, der Organisation und der Liquidität bilden laut
Siegenthaler ein Ganzes.

Das Paket dürfe deshalb nicht aufgeschnürt werden.

FINMA-Präsident Eugen Haltiner: “Das Bündel abgestimmter Massnahmen erfüllt die Erwartungen der FINMA. Es übertrifft die internationalen Vorgaben, ist aber für die schweizerischen Verhältnisse notwendig und deshalb in allen Teilen ohne Abstriche umzusetzen.”

SNB-Präsident Philipp Hildebrand: “Ich begrüsse die Empfehlungen der Expertenkommission. Das vorgeschlagene umfassende Massnahmenpaket baut auf den regulatorischen Minimalstandards von Basel III auf und steht im Einklang mit den Empfehlungen des Financial Stability Board. Es wird die Too-big-to-fail-Problematik in der Schweiz deutlich entschärfen (…).”

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