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Jorrit Britschgi und die Kunst der Himalaya-Region

Jorrit Britischgi
Als neuer Direktor des Rubin Museums will Jorrit Britschgi den Leuten zeigen, warum Kunst und Ideen aus der Himalaya-Region heute noch relevant sind. Bob Krasner

Im März 2016 ist Jorrit Britschgi mit seiner Familie aus Zürich nach New York gezogen, für seine neue Stelle als kuratorischer Direktor des Rubin Museums für Kunst der Himalaya-Region. Nun hat ihn das Museum Anfang Oktober zum neuen Exekutiv-Direktor ernannt.

Wie kam es dazu, dass sich der Mann aus Obwalden heute in der Metropole an der US-Ostküste mit Kunst und Kultur der Himalaya-Region befasst, nachdem er sieben Jahre als Kurator die Abteilung indische Malerei im Museum Rietberg in Zürich betreut hatte? Worauf geht seine Passion für Asien zurück? Und wie haben sich Britschgi und seine Familie in New York eingelebt? swissinfo.ch traf den Schweizer an seinem Arbeitsplatz in Chelsea.

“Meine Karriere war kein Kindheitstraum, und es gab auch kein eigentliches Schlüsselerlebnis”, erklärt Britschgi. “Ich erinnere mich aber an ein paar Berührungspunkte. So hatten Bekannte meiner Eltern eine Sammlung mit Asiatica, die mich schon als kleiner Bub begeistert hatten. Was sind das für Figuren, und wieso sehen die so anders aus?”

Auf Reisen setzte er sich später stärker mit asiatischen Kulturen auseinander. Dazu kam sein Interesse für Sprachen. Britschgi wuchs in einem zweisprachigen Haushalt auf, seine Mutter kommt aus den Niederlanden. Das beeinflusste auch die Wahl seines Studiums. “Will man eine Kultur kennenlernen, ist Sprache etwas Grundlegendes”, sagt Britschgi. Er schwankte zwischen Chinesisch und Japanisch und entschied sich schliesslich für Chinesisch, das auch das Japanische geprägt habe. “Chinas Zivilisation ist sehr bedeutend und bis heute relevant.”

Britschgis Anliegen als Direktor

Rubin Museum of ArtExterner Link ist auf Kunst und Kultur der Himalaya-Region spezialisiert. Das Museum legt mit seinen Ausstellungen und weiteren Programmen viel Wert auf Interaktion mit dem Publikum.

In seiner neuen Rolle, in der er sich auch um eine gesunde Finanzierung kümmern muss, möchte Britschgi die Institution für ein breiteres Publikum attraktiv machen, nicht nur lokal, sondern auch virtuell und global, damit sich mehr Leute darüber Gedanken machen können, “warum Kunst und Ideen aus der Himalaya-Region heute noch relevant sind”.

“Ich möchte, dass das Museum die Besucherinnen und Besucher mit Themen anspricht, die über die Kunst an sich hinausgehen, ich möchte mehr Leuten die Möglichkeit geben, Brücken zu schlagen”, so Britschgi.

2018 stellt das Museum seine Ausstellungen und weiteren Veranstaltungen unter das Leitthema “Zukunft” – Zukunft aus dem Kulturverständnis der Himalaya-Region heraus betrachtet.

Die Terracotta-Armee

Dank einem Stipendium konnte er ein Jahr in Xi’an verbringen, einer Stadt in der Nähe der Grabanlage mit den Terracotta-Kriegern; das Mausoleum steht auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Dort hatte er Zugang zu archäologischen Ausgrabungsstätten, Museen und anderem mehr. “In dieser Zeit wurde mir klar, dass Sprache ein Zugangsinstrument ist. Was mich aber wirklich interessiert, sind die kulturellen und künstlerischen Hinterlassenschaften und die Lehren, die man aus diesen bis heute ziehen kann.”

Zurück in Zürich krempelte er sein Studium um und setzte auf Kunstgeschichte Ostasiens im Hauptfach, mit den Schwerpunkten China, Japan und Korea. Auf seine Studienzeit zurück geht auch seine Verbindung zum Museum Rietberg, wo er durch seine Stelle als Kurator später seine Berufskenntnisse um Indien erweiterte.

“Im Rietberg-Museum konnte ich meine Ausbildung eigentlich in den Ausstellungsräumen absolvieren, anhand von Objekten, statt mit Powerpoint-Präsentationen”, sagt er voller Begeisterung. “Man hat einen ganz anderen Zugang, wenn man Objekte direkt vor sich hat und versucht, die richtigen Worte zu finden, um ein Kunstwerk zu beschreiben.”

Schon während seines Studiums hatte er für die Pikettabteilung des Sicherheitsdienstes gearbeitet. “Dies war der eigentliche Beginn meiner Museumskarriere, später machte ich auch Führungen, wurde Assistent und unterrichtete, manchmal direkt im Museum.”

Begeisterung weitergeben

Eine Zeitlang stellte sich die Frage, ob er im akademischen Bereich oder im Museumsbereich weitermachen wolle. “Aber im Grunde genommen fand ich es immer toll und spannend, meine Begeisterung mit einem Publikum zu teilen und dessen Reaktionen sehen zu können.” Und in einem Museum habe man ein breiteres Publikum, als wenn man Artikel für ein Fachmagazin verfasse. Deshalb sagte er auch zu, als ihm das Museum Rietberg eine Stelle anbot.

“Diesen Entscheid habe ich nie bereut, die Arbeit macht mir extrem Spass. Und dann kam diese Gelegenheit, im Rubin Museum einen Traumjob anzutreten.” Dass es dazu kam, hat auch etwas mit einem seiner Vorgänger dort zu tun: Martin Brauen, wie Britschgi ein Schweizer, hatte ihn als möglichen Kandidaten für die Stelle empfohlen. Britschgi war, anders als Brauen, kein Spezialist für die Kunst der Himalaya-Region, als er die Stelle in New York antrat. Mit dieser Region habe sich für ihn aber in gewissem Sinne ein Bogen zwischen China und Indien geschlossen, sagt er.

Umzug mit der Familie

Die Stelle im Rubin Museum anzutreten hiess auch, dass er mit seiner Familie den Lebensmittelpunkt verlegen musste. Um ihren Mann mit den zwei kleinen Töchtern zu begleiten, gab seine Frau Nicole Rampa ihre Stelle im Aargauer Kunsthaus auf. “Das erste Jahr war recht anspruchsvoll, für mich und meine Frau”, räumt er ein. “Man muss seinen Platz finden, Beziehungsnetze aufbauen – und, was in einer derart pulsierenden Stadt wie New York sehr wichtig ist, man muss Rückzugsorte finden. Es ist wichtig, auch in der ‘City that never sleeps’ Momente der Auszeit zu haben.”

“Wir hatten uns etwa ein Jahr gegeben, um uns zu etablieren und zu schauen, wie sich unser Leben hier gestalten würde.” Heute fühlen sie sich in New York sehr wohl. Seine Frau ist für das Swiss Institute tätig und arbeitet an einem Buchprojekt über Schweizer Kunst- und Kulturschaffende in New York. Dies sei wichtig, denn das klassische Modell mit dem Mann als Geldverdiener und der Frau zu Hause mit den Kindern wäre langfristig keine Lösung gewesen.

Gut eingelebt haben sich auch die Kinder. Die fünfjährige Tochter besucht den Kindergarten, ihre dreijährige Schwester verbringt einen Teil der Woche in einer Kindertagesstätte. Für die Kinder seien die ersten Monate wegen der Sprache etwas schwierig gewesen. Heute sprechen beide Englisch, Familiensprache ist und bleibt aber Schweizerdeutsch. “Es war unglaublich zu sehen, welche Gabe kleine Kinder haben, eine neue Sprache zu lernen.”

Die Familie lebt in Park Slope, einem wohlhabenden Viertel im Stadtteil Brooklyn, wo heute viele Familien mit Kindern leben. “Wir haben einen grossen Park in der Nähe, eine gute Schulinfrastruktur, viele Restaurants, Läden und eine U-Bahn-Station ganz in der Nähe. Normalerweise bin ich in etwa 30 Minuten an meinem Arbeitsplatz.”

Wie lange sie in New York bleiben werden, ist offen. Vorerst aber geht das Abenteuer weiter – mit der neuen Stelle, den neuen Herausforderungen. “Ich freue mich sehr darauf, mich diesen zu stellen”, erklärt Britschgi zum Abschluss.

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